RI VI Rudolf I. - Heinrich VII. (1273-1313) - RI VI,4,2

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König Heinrich nimmt nach dem Vorbild der Römerkaiser und -könige, seiner Vorgänger, die Stadt Straßburg mit allen ihren Einwohnern (civitatem Argentinen. cum omnibus eius incolis) unter seinen besonderen Schutz, gewährt und bestätigt der Stadt aus königlicher Freigebigkeit, daß niemand von jedweden Besitzungen ihrer Bürger (burgenses) in der ganzen Provinz Elsaß, oder von ihren Hörigen Dienste annehmen oder verlangen darf oder sie mit irgendeiner Abgabe oder Steuer belasten, weil er die genannte Stadt mit allem Zubehör innerhalb und außerhalb der Stadt dem besonderen Dienst des Reiches vorbehält; denn er erkennt an, wie aufrichtig die Stadt Straßburg sich in seinen Dienst gestellt hat und wie sie sich durch ihre Leistungen die besondere königliche Gnade erworben hat, und er will das allgemeine Wohl und die Ehre der Stadt fördern, damit das Beispiel der ihnen angediehenen Belohnung die anderen Reichsstädte zu königlichen Diensten geneigter macht. Außerdem befiehlt, überträgt und bestätigt er mit königlicher Autorität und Zustimmung seiner Fürsten dasjenige Statut und dasjenige Recht, das seine Vorgänger, die Römerkönige Lothar [III.] und Philipp, den Bürgern (cives) verliehen hatten, nämlich daß niemand von ihnen irgendwann irgendwo von irgendeiner kirchlichen oder weltlichen Person behindert oder belästigt werden oder vor ein Gericht außerhalb der Stadt gezogen werden oder dort von irgendwem gezwungen werden darf, jemandem dort bezüglich seines Eigentums oder Besitzes Rede und Antwort zu stehen; wer gegen einen von ihnen irgendeine Anklage hat, soll diese innerhalb der Stadt vor den Richtern dieser Stadt gegen ihn vorbringen, und er soll ihm dort antworten und Genüge tun. Besonders gewährt er ihnen mit königlicher Autorität, daß ihre Kaufleute, sofern sie mit ihren Waren zu Wasser unterwegs sind, im Falle des Schiffbruchs oder des Strandens nicht der Grundruhr unterliegen, sondern sowohl die Schiffe als auch die Güter der Schiffsinsassen denjenigen verbleiben sollen, denen sie gehörten, bevor das Schiff in diese Gefahrensituation geriet, ungeachtet der örtlichen Gewohnheit. Er will, daß die Bürger von Straßburg in dem Recht, der Ehre und demjenigen Zustand verbleiben, zu dem sie von den Römerkönigen und -kaisern, seinen Vorgängern, erhöht wurden, und verbietet mit königlichem Edikt, daß irgendjemand, hoch oder niedrig, kirchlichen oder weltlichen Standes, dagegen verstößt unter Androhung einer Pön von dreißig Pfund Goldes, die je zur Hälfte an die königliche Kammer bzw. an den Geschädigten zu zahlen ist. – Augustialis [!] pietas immensa clemencia.

Originaldatierung:
IIIO kln. Iunii [...] dat. Spyre bzw. kalnd. Iunii [...] dat. Spire

Überlieferung/Literatur

Zwei Ausfertigungen von gleicher Hand mit unterschiedlicher Datierung: 1) vom 30. Mai (Pergament, Siegel fehlt, Löcher für Siegelschnur vorhanden), Straßburg, AM, CH 520 bzw. *2) vom 1. Juni (Pergament, Königssiegel an rot-blauer gedrehter Seidenschnur) ebd., CH 521, beide mit jüngeren Registraturvermerken; Abschrift des 14. Jh. aus der Ausfertigung vom 30. Mai im Briefbuch A fol. 24r–v, ebd., AA 65.

Drucke: Schoepflin, Alsatia diplomatica 2 (1775) aus dem Kopialbuch, zum 28. Mai, unvollständig; Wiegand, UB Straßburg 2 (1886) S. 227 Nr. 280 aus der Ausfertigung vom 1. Juni, unvollständig.

Regesten: Böhmer (1831) Nr. 5282; ders., Heinrich VII. (...1844) Nr. 238.

Teilregest: Battenberg, Gerichtsstandsprivilegien, Nr. 239, ungenau.

Kommentar

Mutatis mutandis gleichlautend mit der Urkunde König Rudolfs von Habsburg vom 8. Dezember 1275 und deren Vorurkunde, dem Privileg Kaiser Friedrichs II. von März 1236, jedoch ohne Zeugenliste; gedruckt Wiegand a.a.O. S. 31f. Nr. 47 bzw. ebd. 1 (1879) S. 192–194 Nr. 246; Regesten: Böhmer/Redlich (1898) Nr. 457 bzw. Böhmer/Ficker (1881–1882) Nr. 2145. Bereits unter dem 11. September 1219 hatte Friedrich II. Straßburg erstmals in seinen Schutz genommen, den Besitz der Bürger im Elsaß von Diensten und Abgaben befreit und ihnen den alleinigen Gerichtsstand vor den Richtern ihrer Stadt gewährt; gedruckt bei Wiegand a.a.O. 1 (1879) S. 136f. Nr. 174; Regest: Böhmer/Ficker a.a.O. Nr. 1052. Dieses Privileg erweiterte er dann 1236 in der später von den Königen Rudolf I. und Heinrich VII. wiederholten Form um die Befreiung der Kaufleute von der Grundruhr. – König Lothar III. hatte die Straßburger Bürger unter dem 20. Januar 1129 vom Besuch des Dings befreit, sofern es nicht um ihre Besitzungen außerhalb der Stadt ging, und ihnen den alleinigen Gerichtsstand vor den städtischen Richtern gewährt, was auch für Hörige und Zinspflichtige galt, die innerhalb der Stadt wohnten und ihren Vögten den Zins schuldig blieben; gedruckt als MGH DL. III. 15; Regest: Böhmer/Petke (1994) Nr. 179. Ohne näher auf den Inhalt einzugehen, bestätigte Kaiser Otto IV. am 16. Juni 1211 den Straßburgern namentlich die Urkunde seines Urgroßvaters Lothar III. sowie alle anderen Rechte und Privilegien, die ihnen von den übrigen Römerkaisern und -königen verliehen worden waren; gedruckt bei Wiegand a.a.O. 1 (1879) S. 123f. Nr. 154; Regest: Böhmer/Ficker a.a.O. Nr. 446. – König Philipp von Schwaben hatte unter dem 16. Juli 1205 die Stadt Straßburg und ihre Einwohner unter seinen Schutz genommen und die Besitzungen ihrer Bürger im gesamten Elsaß von allen Diensten und Abgaben befreit; gedruckt bei Wiegand a.a.O. 1 (1879) S. 119f. Nr. 145; Regest: Böhmer/Ficker a.a.O. Nr. 113. – Ebenso wie die Urkunden Kaiser Friedrichs II. und König Rudolfs trägt das Heinricianum in beiden Ausfertigungen ein Herrschermonogramm, das bei der Ausfertigung vom 30. Mai in den letzten beiden Zeilen des Urkundentextes im rechten Drittel, bei der Ausfertigung vom 1. Juni ganz rechts in den letzten drei Textzeilen steht, wobei die letzte Monogramm-Zeile jeweils von der Plica verdeckt wird. Die Urkunden Lothars III. und Philipps von Schwaben tragen jeweils in der Signumzeile ein Herrschermonogramm. – Abgesandte der Straßburger Bürgerschaft hatten sich bereits 1309 zweimal, in der ersten Märzhälfte in Speyer und um den 23. März in Straßburg, vergeblich bei König Heinrich um eine Erneuerung ihrer städtischen Privilegien bemüht, wie Mathias von Neuenburg und Fritsche Closener berichten; siehe oben Nrn. 99 und 105. Egawa, Stadtherrschaft (2007) S. 132 ordnet die Ereignisse in den »schon von früher bestehenden Prozess[...] der Machtkonzentration innerhalb der führenden Bürgergruppen« ein.

Nachträge

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Empfohlene Zitierweise

RI VI,4,2 n. 448, in: Regesta Imperii Online,
URI: http://www.regesta-imperii.de/id/ee2dba12-22e3-40ff-a290-f6cd182f5ecd
(Abgerufen am 28.03.2024).