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RI VI Rudolf I. - Heinrich VII. (1273-1313) - RI VI,4,2

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König Heinrich [1] beschließt mit dem Straßburger Bischof [Johann I., von Zürich,] und dem Basler Bischof, den Landgrafen im Ober- und Unterelsaß sowie den Bürgern von Straßburg und Basel einen allgemeinen Landfrieden, den die genannten Herren und Bürger zu halten geschworen haben von der Seltz bis an die Birs und vom Rhein bis zu den Vogesen, soweit das Bistum Straßburg reicht, von der Birs bis zu den Vogesen, soweit das Bistum Basel geht, sowie im Gebiet des Bistums Straßburg jenseits des Rheins. Der Bischof von Basel und die Basler Bürger jenseits des Rheins sollen nicht daran gebunden sein, diesseits des Rheins sollen sie nur zur Hilfe verpflichtet sein von der Birs bis zur Sorne; jenseits des Rheins soll durch den Landfrieden niemand zur Hilfe verpflichtet sein. [2] Pfahlbürger soll es künftig nicht mehr geben. Sofern sie ohne Unterbrechung sommers und winters ansässig sind, sollen sie sich bis zum kommenden Martinstag entscheiden, ob sie Bürger werden wollen. Wer aber nicht dauerhaft ansässig ist, soll in keiner Stadt Bürgerrecht haben. [3] Der Landfrieden soll für alle Weltpriester, Geistlichen und Klöster (gotzhuiser) gelten, ohne sie in ihren Rechten und Freiheiten zu beeinträchtigen. Auch alle Adligen, Grafen, Freien und Dienstleute, die den Frieden innerhalb der genannten Grenzen beschworen haben oder noch beschwören werden, sowie alle Städte, Burgen, festen Orte, Dörfer und Dinghöfe innerhalb des Friedensbereichs sollen in ihrem Recht bleiben. Namentlich Recht, Freiheit und gute Gewohnheiten der Stadt Straßburg sowie Recht und Freiheit der Stadt Basel sollen unangetastet bleiben. [4] Die Bischöfe von Straßburg und Basel sollen niemandem in ihrem Bistum Ansässigen aufgrund des Landfriedens in irgendeiner bislang geschehenen Sache unterstützen. [5] Neuerrichtete Zölle zu Lande und zu Wasser sollen hinfällig sein. [6] Die Forderung von Grundruhr ist verboten; wer sie verlangt, soll als Straßenräuber gelten. [7] Wenn jemand den Landfrieden innerhalb des königlichen Gerichtsbezirks bricht, soll der Geschädigte dies den Vögten des Königs persönlich oder durch einen zuverlässigen Boten brieflich mitteilen; die Vögte sollen sofort eidgemäß ohne Hinterlist dem Friedensbrecher Nachricht schicken, daß er seine Tat innerhalb der nächsten acht Tage wiedergutmache und Entschädigung leiste. Tut er das nicht, sollen die Vögte – wenn sie es mit ihren Machtmitteln nicht durchsetzen können – alle, die von den genannten Herren mit der Wahrung des Landfriedens beauftragt wurden, durch Boten oder Briefe bei ihrem Eid [zur Hilfe] auffordern. Die solcherart Aufgeforderten sollen binnen der folgenden acht Tage mit dem Beistand und den Machtmitteln, auf die sie sich alle oder die Hälfte von ihnen einigen, den Friedensbrecher zur Wiedergutmachung zwingen. Der so zur Wiedergutmachung Gezwungene soll [außerdem] bei seinem Eid gezwungen werden, die anderen für die ihnen entstandenen Kosten in der Höhe zu entschädigen, die denjenigen, die über den Landfrieden gesetzt sind, oder der Hälfte von ihnen als angemessen erscheint, wenn er so viel Eigentum hat. Wenn er nicht über so viel Besitz verfügt, soll man ihn als abschreckendes Beispiel körperlich bestrafen. Wenn [die Vögte selber] mit ihren Machtmitteln die Entschädigung erzielen können, sollen sie niemanden zur Hilfe auffordern. Wird der Friede aber im Gerichtsbezirk des Bischofs von Straßburg gebrochen, soll sich der Geschädigte an dessen Beauftragte wenden. Diese sollen dann genauso vorgehen, wie es den königlichen Vögten oben vorgeschrieben wurde. Das gleiche gilt für einen Friedensbruch im Bezirk des Bischofs von Basel oder der Landgrafen im Ober- und Unterelsaß. Geht der Friedensbruch die Bürger von Straßburg oder Basel an, ist der jeweilige Bürgermeister zuständig. [8] Der Landfrieden gilt auch für alle Fremden und alle [Eigen-]Leute von Dritten (alle geste und alle froemede luite), seien sie innerhalb des Geltungsbereichs unterwegs oder ansässig. [9] Wird jemand innerhalb des Geltungsbereichs des Friedens gefangengenommen und aus diesem Bereich hinausgebracht, sollen die Eidgenossen dafür sorgen, daß er freigelassen und das Unrecht wiedergutgemacht wird, dementsprechend, wie die mit der Wahrung des Landfriedens Beauftragten oder die Hälfte von ihnen übereinkommen. [10] Urteilt jemand über einen bisher ungesühnten Tod, Kampf oder eine Verwundung, die vor dem Landfrieden begangen wurden, so ist das Urteil nicht gemäß den Vorgaben des Landfriedens zu fällen. Wer aber zukünftig verwundet wird, der soll sein Urteil gemäß dem Landfrieden erhalten, und wenn jemand erschlagen wird, sollen seine Verwandten binnen acht Tagen ein gerechtes Urteil erhalten. [11] Eine Pfändung wegen einer Korngült, Weingült oder wegen Zinsen widerspricht nicht dem Landfrieden. Ansonsten darf man niemanden ohne Gerichtsurteil pfänden. Hat jemand aber urkundlich zugestanden, daß man ihn ohne Urteil pfänden darf, kann man ihn pfänden an sei-nem Eigengut, seinem Erbgut, seinem Lehen und seinem Pfandbesitz; ist er aber Vogt eines Klosters, darf man dessen Besitz oder Hörige nicht pfänden. [12] Sofern die bereits vom Kö-nig oder künftig von den Herren oder Städten mit der Wahrung des Friedens Beauftragten alle oder die Hälfte von ihnen bei ihrem Eid der Auffassung sind, daß ein Herr, eine Stadt, eine Burg oder ein Dorf, wo ein Landfriedensbruch stattfand, selber die Wiedergutmachung bewerkstelligen kann, soll niemand anders zur Hilfe aufgefordert werden. Kommen sie aber überein, daß Hilfe notwendig ist, soll derjenige, der nicht mit den eidgemäß abgesprochenen Machtmitteln ohne Arglist Unterstützung leistet, als meineidig, treulos und ehrlos gelten und außerhalb des Friedens stehen. Er soll verurteilt werden, [aber wenn er selber Klage führt,] soll ihm niemand Recht verschaffen. [13] Ein Friedensbruch soll so wiedergutgemacht und entschädigt werden, wie die bereits oder künftig von den Herren und Städten mit der Wahrung des Landfriedens Beauftragten oder die Hälfte von ihnen übereinkommen. Wenn diese aber die Wiedergutmachung böswillig verzögern, sollen sie [selber] als meineidig gelten und außerhalb des Friedens stehen. Werden sie aber durch das Gesetz oder einen Herrn behindert oder stirbt einer von ihnen, soll der Herr oder die Stadt, der bzw. die denjenigen beauftragt hat, ohne Arglist jemanden als Ersatz schicken, der dann auch den gleichen Eid schwören muß wie sein Vorgänger. [14] Für die Dauer des Landfriedens sollen alle nach Erbrecht verliehenen Güter in ihrer bisherigen Rechtsgewohnheit verbleiben. [15] Wer den Landfrieden nicht vor seinem [zuständigen] Richter binnen zwei Monaten beeidet, sobald der Frieden in den Städten, Burgen und Dörfern bekanntgemacht ist, soll nicht mehr in den Landfrieden aufgenommen werden; niemand soll in seinen Angelegenheiten richten, er selber [aber] soll verurteilt werden. Wenn der Richter behauptet, jemand habe den Eid nicht geleistet, derjenige jedoch dafür zwei ehrenbare Zeugen beibringen kann, soll er in den Genuß des Friedens kommen. Ist aber jemand außer Landes, krank oder in Gefangenschaft, soll die erstere Bestimmung für ihn gelten, wenn er wieder da, gesund oder frei sein wird. Prälaten, Domherren und Weltpriester sind wegen ihrer Ehrbarkeit von dem Eid befreit. [16] Niemand soll innerhalb des Geltungsbereichs des Landfriedens in Städten, auf Burgen oder in Dörfern Münzen schlagen, es sei denn, er habe vom Reich (riche) oder anderweitig ein Münzrecht. Wer dies dennoch tut oder zu tun befiehlt, soll zusammen mit den Leuten, die die Münze für ihn schlagen oder ihm raten, wie die falsche oder unrechtmäßige Münze in Umlauf gebracht werden kann, als Fälscher gelten und verurteilt werden. [17] Urteilt der Landvogt des Ober- oder Unterelsaß oder ein anderer Richter über ein Gut, das in seine Zuständigkeit fällt, soll demjenigen, dem das Gut gerichtlich zugesprochen wird, – sofern der Richter dies mit seinen Machtmitteln nicht durchzusetzen vermag – die Unterstützung des Landfriedens zuteil werden, so daß er in Besitz des Gutes bleibt, bis es ihm mit besserem Rechtstitel zugesprochen wird. [18] Die Bürger von Straßburg haben von diesem Landfrieden alle ausgeschlossen, die wegen ihrer Vergehen bei einem Aufstand in Straßburg der Stadt verwiesen wurden. [19] Diese Satzung also und den Landfrieden, die der König [beide] zusammen mit den Kurfürsten in Frankfurt [beim Reichshoftag] beschlossen hat, den haben der Straßburger Bischof und der königliche Landvogt und andere anwesende Herren beschworen. Von diesem Eid wollen der Bischof und der Landvogt, daß er gehalten werde, und wollen [deshalb] diesem Landfrieden umso weniger Abbruch tun, ohne allen Vorbehalt (und wellent disem lantfriden deste minre nuit nach gan, ane alle geverde). [20] Wenn ein Mann irgendein Gut zehn Jahre und länger unwidersprochen und in Frieden in Besitz hat und er vor Gericht die Munt darüber erhalten hat und wenn sein Gegner in der Rechtssache im Land bzw. mündig geworden ist, soll man ihm das Gut nach zehn Jahren nicht mehr durch Eid wegnehmen oder zu Allmende machen, weil dies der Landfrieden garantiert. Wenn aber jemandem sein Gut nicht binnen fünf Jahren als Allmende weggenommen wird, soll man ihn wieder in seine Munt einsetzen, bis es ihm mit Recht vor dem zuständigen Richter weggenommen wird. [21] Der Landfrieden soll bis zum nächsten Martinstag (11. November) gelten und von da an fünf aufeinander folgende Jahre. [22] König Heinrich hat Heinrich, den Burggrafen von Dorlisheim, sowie die Ritter Mathias von Herkheim und Johann von Eckerich (= Echery) mit der Wahrung des Landfriedens beauftragt. – Wir Heinrich [...] tůnt kunt allen den, die disen brief gesehent oder gehoerent lesen.

Originaldatierung:
der wart geben an der mittewochen nach Unserre Frowen mes der ersten

Überlieferung/Literatur

*Original (Pergment, leicht beschädigtes Königssiegel an Pergamentstreifen) Staßburg, StadtA, CH 524 mit jüngeren Rückschriften; Abschrift des 14. Jh. im Briefbuch A fol. 130r–131v, ebd., AA 65.

Drucke: Wencker, Dissertatio de Pfalburgeris (1698) S. 39–44 Nr. 9 aus der Abschrift = Lünig, Reichs-Archiv 6 (1711) S. 10–12 Nr. 6 = du Mont, Corps diplomatique 1 I (1726) S. 355f. Nr. 613 mit irrigen Tagesdatum 4. Februar; Wiegand, UB Straßburg 2 (1886) S. 229–233 Nr. 284 aus dem Original; Wackernagel/Thommen, UB Basel Stadt 4, S. 13–17 Nr. 18 nach Wiegand; MGH Const. 4 I (1906) S. 355–358 Nr. 409 nach Wiegand.

Regesten: Schöpflin, Alsatia aevi Merovingici, Nr. 852; Böhmer, Heinrich VII., Nr. 282; Bader, Hochstift Basel (...1853) S. 373; Trouillat, Monuments 3 (1858) S. 167 mit irrigem Tagesdatum 4. Februar; Mossmann, Cartulaire 1, Nr. 144 irrig zum 22. August 1313; Ruser, Urkunden und Akten 1 (1979) Nr. 421.

Kommentar

Wie die ältere Forschung und der Kleindruck in der MGH-Edition ausweisen, gilt der Text als erweiternde Erneuerung eines Landfriedensbündnisses gleichen Geltungsbereichs, das König Albrecht I. 1301 beurkundet hatte; Druck: Schwalm, MGH Const. 4, S. 101–103 Nr. 129; so etwa Wyneken, Landfrieden in Deutschland (1886) S. 91; Bock, Landfriedenseinungen (...1933) S. 332; zum neuartigen Charakter Vancsa, Erstes Auftreten (1895) S. 7 und S. 66 sowie S. 67 Fn. 2; weiters in Zusammenfassung und Weiterführung bisheriger Forschung Fahrner, Landfrieden im Elsaß (2007) S. 161f., S. 317f., S. 323, S. 328, S. 428f., S. 433f., S. 447, S. 451, S. 463f., S. 468f. und S. 506. Anders als in obiger Wiedergabe von § 19 wird auf dessen Grundlage ebd., S. 161 eine vorherige »Verlängerung des Reichslandfriedens« vermutet. – Ebenfalls aus § 19 erschließt Rosenkränzer, Johann I. von Strassburg (1881) S. 30 zwei verschiedene Landfrieden: »die Einrichtung eines allgemeinen Landfriedens« beim Frankfurter Reichstag sowie »noch einen Separat-Landfrieden mit den Bischöfen von Strassburg und Basel, den Bürgern dieser Städte und den Landgrafen von Ober- und Nieder-Elsass«, woraus er eine »schwach[e ...] Autorität des Königs und des Reichstags« ableitet. Angermeier, Königtum und Landfriede (1966) S. 96f. liest gar aus obigem § 19 heraus, »daß in dem vom König geschlossenen oberrheinischen Landfrieden vom August 1310 ausdrücklich der in Frankfurt ›mit den Kurfürsten‹ gesetzte Landfriede ausgenommen wurde«. Der Text legt jedoch eher zwei Rechtsakte zur Bekräftigung desselben Landfriedens nahe: die Beeidung des von König und Reichsfürsten festgelegten Friedens durch den anwesenden Straßburger Bischof und den Landvogt in Frankfurt im Juli 1310 sowie dessen Beurkundung am 19. August in Hagenau, nun auch gemeinsam mit den Basler Vertragspartnern. Für Verständnishilfe danke ich Prof. Dr. Wolfgang Haubrichs (Saarbrücken). – Die Burg der Herren von Echery lag ca. 2 km südöstlich von Sainte-Marie-aux-Mines. – Welcher Basler Bischof als Vertragspartner zu gelten hat, ist nicht zu klären. Das Basler Domkapitel hatte nach dem Tod Ottos von Grandson Lüthold von Röteln gewählt, während Clemens V. am 30. Juli 1309 Gerhard von Wippingen als Nachfolger einsetzte. Das Schisma dauerte trotz Lütholds Exkommunikation am 24. Juni 1310 bis zu dessen Resignation im Mai 1311. Gerhard hielt sich währenddessen am päpstlichen Hof auf und nahm sein Bistum erst Anfang 1312 in Besitz; Markus Ries in: Gatz/Brodkorb, Bischöfe 1198–1448 (2001) S. 61f.

Nachträge

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Empfohlene Zitierweise

RI VI,4,2 n. 591, in: Regesta Imperii Online,
URI: http://www.regesta-imperii.de/id/de69c602-4271-4280-b334-09359547b7fb
(Abgerufen am 29.03.2024).