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RI VI Rudolf I. - Heinrich VII. (1273-1313) - RI VI,4,2

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König Heinrich gibt seinem Fürsten Heinrich, Abt des Benediktinerklosters St. Gallen in der Diözese Konstanz, sowie Konvent und Kloster von St. Gallen die Stadt (opidum) Wil im Thurgau zurück, versetzt sie und das Kloster in den Rechtsstatus zurück, in dem sie sich vor der Einmischung seines Vorgängers Römerkönig Albrecht [I.] befanden und verbietet allen seinen Vögten mit königlichem Edikt, sie oder ihre Nachfolger in Wil zu belästigen oder zu schädigen. Denn Abt Heinrich hatte persönlich in Zürich dem König vorgetragen, daß König Albrecht einige Jahre vor seinem Tod die Stadt Wil an sich gezogen und deren Vogtei namens des Reichs kurzsichtig (improvide) usurpiert hatte, obwohl diese Stadt Abt Heinrich und seinem Kloster mit vollem Recht gehöre, und Abhilfe erbeten. In dem Wunsch, in dieser Sache königlich zu handeln, hatte König Heinrich von jedem einzelnen der anwesenden und als Zeugen unten namentlich genannten Fürsten, Grafen, Adligen, Ministerialen, Königs- und Reichsgetreuen die Wahrheit zu ermitteln gesucht; nach gemeinsamer Versicherung und gemeinsamem Rechtsspruch aller Anwesenden gehört die Stadt Wil mit vollem Recht Abt, Konvent und Kloster, während König und Reich in dieser Stadt kein Vogteirecht zusteht. – Universis sacri Romani imperii fidelibus [...]. Iusticia est constans, et perpetua voluntas.

Originaldatierung:
act. et dat. Thuregi in domo Fratrum Minorum [...] kln. Maii
Zeugen:
seine Fürsten der Konstanzer Bischof Gerhard [von Bevar], der Churer Bischof Siegfried [von Gelnhausen], der Basler Bischof Gerhard [von Wippingen], der Eichstätter Bischof Philipp [von Rathsamhausen] und der Reichenauer Abt Diethelm [von Kastel]; die Adligen Königsbruder Walram von Luxemburg, sein Verwandter Wido von Flandern und Landvogt Rudolf [III.] von Habsburg[-Laufenburg] (Rudolfo de Habspurg, tunc advocato provinciali); die Grafen Werner [II.] von [Neu-]Homberg, Hugo [IV.] von Montfort[-Feldkirch], Hugo [V.] von [Montfort-]Bregenz, Hugo [IV.] von Werdenberg[-Heiligenberg] und Otto von Strassberg; die Ehrbaren Eberhard von Bürglen und Konrad [II.] von Bussnang, der königliche Hofkanzler und [Zisterzienser-]Bruder Abt Heinrich von Weiler-Bettnach, der Konstanzer [Dom-] Propst Konrad [von Klingenberg], der Churer [Dom-]Propst Rudolf [von Montfort], der Reichenauer Propst Rumo [von Ramstein] und der Konstanzer Kanoniker Albrecht von Kastel; die Tüchtigen (strennui viri) Hartmann [III.] von Baldegg, Truchseß Johannes von Diessenhofen, Johann von Bodman, Dietegen [II.] (Dieth.) von Kastel, der königliche Küchenmeister Heinrich von Nordenberg, Heinrich von Randegg, Heinrich von Wellenberg, Rudolf von Rorschach und Schenk Lüthold [II.] von Landegg sowie mehrere andere Vertrauenswürdige.

Überlieferung/Literatur

*Original (Pergament, stark beschädigtes Königssiegel an rot-gelber gedrehter Seidenschnur) St. Gallen, StiftsA, JJJ 1 Nr. 7 mit Rückschriften, darunter zeitgenössisch: de oppido Wil und Renovatio regis Henrici super opido in Wyle, quod idem pleno iure ad abbatem spectat; Abschrift des 15. Jh., ebd., Bd. 110 fol. 176v; Abschrift um 1500, ebd., Bd. 114 fol. 112v; Abschrift und deutsche Übersetzung von ca. 1550 in der Urschrift des Chronicon Helveticum von Aegidius Tschudi († 1572) S. 371 und S. 376f. (S. 372–275 sind spätere Ergänzungen), Zürich, Zentralbibliothek Ms. A 58; Abschrift und deutsche Übersetzung von ca. 1570 im Chronicon Helveticum des Aegidius Tschudi, Neufassung der Reinschrift S. 433–435 aus dem Original, ebd., Ms. A 60a.

Drucke: Herrgott, Genealogia Habsburgica 2 II (1737) S. 597f. Nr. 706 nach Tschudi; Oetter, Versuch einer gegründeten Nachricht (1766) S. 286f. Nr. 30 nach Herrgott; Wartmann, UB St. Gallen 3 (1882) S. 368f. Nr. 1190 aus dem Original = Schwalm, MGH Const. 4, S. 304f. Nr. 356; Stettler, Tschudi, Chronicon Helveticum Erg.-Bd. 1 (1970) S. 483f. mit anschließender deutscher Übersetzung Tschudis S. 484–486 nach Tschudis Urschrift; ders., Tschudi, Chronicon Helveticum 3 (1980) S. 285f. mit anschließender deutscher Übersetzung Tschudis S. 287f. nach der Reinschrift; Chartularium Sangallense 5 S. 182f. Nr. 2748 aus dem Original; Erni/Salzmann, Rechtsquellen der Stadt Wil 1 (2005) S. 22–24 Nr. 11.

Regesten: Böhmer (1831) Nr. 5278; ders., Heinrich VII. (...1844) Nr. 226; Trouillat, Monuments 3 (1858) S. 167; Rochholz, Homberger Gaugrafen (1885) Nr. 133 = ders., Homberger Gaugrafen (1886) Nr. 133; Cartellieri, Regesta episcoporum Constantiensium 2 (1905) Nr. 3526; Heidingsfelder, Regesten Eichstätt, Nr. 1457; Schaltegger/Leisi, Thurgauisches UB 4 (1931) Nachtrag Nr. 69; Schiess/Meyer, Quellenwerk Eidgenossenschaft 1, 2, Nr. 542; Schnyder, UB der Stadt und Landschaft Zürich 13 (1957) Nr. 3041a; Leisi, Thurgauisches UB 7 (1961) Nachtrag Nr. 46; Perret, Urkundenbuch der südlichen Teile des Kantons St. Gallen 2 (1982) Nr. 1041; Rödel, Königs- und Hofgericht 1292–1313 (1982) Nr. 466.

Kommentar

Die Identifierung der regionalen Zeugen orientiert sich an Clavadetscher a.a.O. Unter den Zeugen sind drei Vertreter des Ministerialengeschlechts von Kastel: Dietegen war bereits im März 1309 als Gesandter König Heinrichs tätig geworden und hielt sich im Mai 1309 in Zürich und Konstanz in der Nähe des Königs auf, wie die Nennungen in Zeugenlisten belegen; oben Nrn. 78, 145 und 162166. Diethelm von Kastel war von 1292–1321 Abt von Petershausen, 1306–1343 auch Abt der Reichenau; Gebhard Spahr/Anneliese Müller, Petershausen, in: Germania Benedictina 5 (1987) S. 488 und S. 499; Franz Quarthal, Reichenau, in: ebd. S. 510 und S. 532; zur Familie der »Freiherren von Kastel« und ihren Beziehungen zu Konstanz, Zürich und dem Haus Habsburg Renk, Manessekreis (1974) S. 47–50. – Aus der großen Zahl genannter Zeugen erschließt Böhmer a.a.O. »daß damals in Zürich ein hoftag gehalten wurde«; der regionale Zuschnitt der Zeugenliste läßt aber eher eine gezielte Untersuchung zu Wil als möglichem Reichsgut erschließen. Entsprechend schildert Kuchimeister König Heinrichs Zusammentreffen mit dem St. Galler Abt und den Rechtsspruch der am Hof versammelten Fürsten, Adligen und Geistlichen in den Nüwe casus monasterii Sancti Galli (ed. von Nyffenegger, 1974) S. 93: Darnach kâm der küng gen zürich / Da kam vnser apt aber zů im vnd warb aber vmb daz er E geworben hatt · Das wart aber erwert / Also mant er den küng das er enkain recht hetti zů der statt ze wil · vnd traib dazu bischoff Sifrid von cur vnd daz der küng besandt all lantzherren vnd ander wiß lüt pfaffen vnd layen // vnd fragt die alle sament vff iro ayd wie es vmb wil wär / Das saitent alle · daz si nie gehört hëttind · daz das rich kainen gewalt hëtti ze wil / Also liess der küng ab / vnd liess wil dem gotzhus ledig; auch ed. von Meyer von Knonau (1881) S. 317f. – Gemeint ist die Stadt Wil gut 25 km wnw. von St. Gallen. – Reichs- und Landvogteien in der damaligen Schweiz erläutert Jürg Schneider, Grafen von Homberg (1977) S. 110–112 und S. 143f. – Daß innerhalb einer als Ausstellungsort genannten Stadt die Handlung noch genauer lokalisiert wird, gilt für Heinrichs VII. Kanzleierzeugnisse als derart selten, daß Widder, Herrscher in der Stadt (...2010) im Zuge der Verwertung obiger Urkunde (S. 78, S. 79 und S. 83) auf S. 95 A. 45 Empfängerausfertigung erwägt; Clavadetscher a.a.O., der hierauf zu achten pflegt, liefert dafür keinen Anhaltspunkt. – Zur Vorgeschichte der Auseinandersetzungen um die Stadt Wil siehe Erni/Salzmann a.a.O. S. 16–22.

Nachträge

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Empfohlene Zitierweise

RI VI,4,2 n. 420, in: Regesta Imperii Online,
URI: http://www.regesta-imperii.de/id/c9fca094-756a-4b72-9123-109b4125c6e3
(Abgerufen am 28.03.2024).