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RI VI Rudolf I. - Heinrich VII. (1273-1313) - RI VI,4,2

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König Heinrich überträgt und bestätigt den reichsgetreuen Bürgern von Buchhorn folgende Rechte und Freiheiten: [1] Kein öffentlicher Richter, auch nicht Herzog oder Graf, noch sonst jemand mit richterlicher Gewalt darf die Bürger in bezug auf Besitzungen, die ihrer Stadt (civitas) nach öffentlichem Recht unterstehen, oder in sonstigen weltlichen Streitfällen gerichtlich belangen, es sei denn vor dem städtischen Richter. [2] Die Ächtung durch einen Herzog, Grafen oder sonstigen Richter aufgrund der Verurteilung irgendeines ihrer Bürger soll innerhalb der Stadt keine Gültigkeit haben. [3] Wenn Vogteileute (aliquis homo advocaticius) in der Stadt wohnen, sind sie dem Vogt zu keinem persönlichen Dienst verpflichtet; stirbt einer von ihnen, soll der Kirche, zu der er gehört, das gegeben werden, was ihr von jemandem seines Standes zukommt. [4] Wenn jemand durch Kauf oder Erbschaft etwas erwirbt, das zum öffentlichen Grundbesitz der Stadt gehört, und es für Jahr und Tag unangefochten besitzt, das heißt, wenn in diesem Zeitraum niemand vor Gericht Widerspruch einlegt, soll er das Gut auch weiterhin unangefochten besitzen. [5] Kein Ritter oder Mönch darf in der Stadt irgendein Gut nach Erbrecht erwerben oder besitzen. Wenn ein Gut einem Kloster oder anderen geistlichen Personen um Gottes willen geschenkt wird, müssen sie es binnen eines Jahres verkaufen. Sollten sie dies versäumen, fällt das Gut frei und unangefochten an die Erben des Schenkenden. [6] Wenn ein puer mit eigenem Besitz getrennt von seinen Eltern [lebt und] ohne leiblichen Erben stirbt, soll sein Nachlaß an seinen Vater und seine Mutter fallen. Wenn es sich aber herausstellt, daß keine Eltern da sind, soll der Nachlaß von Rechts wegen an seinen nächsten Erben fallen, sei es väterlicher- oder mütterlicherseits. [7] Alle, die in der Stadt wohnen, [auch wenn sie] in einem präkarischen Leiheverhältnis oder in anderen Dienstverhältnissen [stehen], sind gehalten, gemeinsam mit den Bürgern die [öffentliche] Arbeit zu tragen (quod universi et singuli in ipsorum oppido residentes, tam in preca〈riis qua〉m in aliis serviciis, cum ipsis civibus laborem portare communiter teneantur). [8] Aus besonderer Gnade gewährt König Heinrich den Bürgern von Buchhorn alle Begnadungen, Freiheiten und Rechte, derer sich seine Bürger von Überlingen erfreuen. Kein Auswärtiger darf irgendeinen Bürger pfänden unter dem Vorwand, für einen Amtsträger der Stadt (civitatis) Buchhorn Schulden einzutreiben. [9] Wenn die Freiheiten der genannten Bürger von Überlingen in irgendeinem Punkt den obengenannten Freiheiten widersprechen, sollen die Bürger von Buchhorn in diesem Punkt den Vorgaben der ihnen vom König oben verliehenen Freiheiten folgen. [10] Aus königlicher Freigebigkeit wird ihnen darüber hinaus mittwochs ein Wochenmarkt zugestanden; alle, die den Markt besuchen und von dort wieder zurückkehren, sollen sich vollständigen Friedens und der Marktfreiheiten erfreuen. [11] In bezug auf die Verpfändung der Stadt Buchhorn an den Adligen Graf Hugo [II.] von Werdenberg[-Heiligenberg] durch Römerkönig Rudolf [I.] soll kein Bürger oder Höriger, der in Buchhorn wohnt, haftbar gemacht werden. [12] Niemand darf sich unter dem Vorwand von Schulden oder Feindschaft gegenüber Graf Hugo von irgendeinem Bürger oder Hörigen von Buchhorn Pfänder verschaffen. – Universis sacri Romani imperii fidelibus [...]. Dignum iudicat nostra serenitas.

Überlieferung/Literatur

Deperditum, erschlossen aus einer regestenartigen Erwähnung bei Lünig, Reichs-Archiv 13, S. 309 nach Nr. 2.

Überlieferung der Vorurkunde König Albrechts I. vom 18. März 1299: *Original (Pergament, beschädigt, leicht beschädigtes Königssiegel liegt bei, rot-grün-gelbe gedrehte Seidenschnur vorhanden) Stuttgart, HStA, H 51 U 163 mit jüngeren Rückschriften.

Druck: -.

Drucke der Vorurkunde Albrechts I.: Lünig, Reichs-Archiv 13, S. 308f. Nr. 2 mit falschem Tagesdatum XVI. Aprilis statt XVO kln. Apri [Rest des Wortes nicht mehr lesbar]; Wirtemb. UB 11 (1913) S. 219f. Nr. 5243.

Regest: Böhmer, Heinrich VII., Nr. 219; fehlt bei Battenberg, Gerichtsstandsprivilegien 1 (1983).

Regesten der Vorurkunde Albrechts I.: Böhmer, Albrecht I., Nr. 154; Battenberg a.a.O. Nr. 191.

Kommentar

Die obige Paragraphenzählung wurde zu besseren Orientierung vom Bearbeiter vorgenommen. – Die Ergänzung des Zitats in spitzen Klammern stammt aus Lünigs Druck. – Wenn die von Wackernagel, Geschichte der Stadt Basel 1 (1907) S. 62 für die Zeit König Rudolfs von Habsburg getroffene Feststellung, praecaria bezeichne die »ordentliche[...] jährliche[...] Steuerleistung« Basels gegenüber dem König, auch noch um 1300 und für Buchhorn gilt, läßt sich § 7 auch folgendermaßen verstehen: »Alle Bewohner der Stadt sind, was die Reichssteuer und andere [Reichs-]Dienste angeht, zusammen mit den Bürgern verpflichtet, die Leistung zu erbringen.« – Buchhorn wurde 1811 von König Friedrich I. von Württemberg, der »hier einen Mittelpunkt des Bodenseehandels [...] schaffen« wollte, mit dem benachbarten Kloster und Dorf Hofen zu einer neuen Stadt unter dem Namen »Friedrichshafen« zusammengelegt; Hans Martin Maurer und Otto Heinrich Becker in: Handbuch hist. Stätten Baden-Württemberg (21980) S. 228f. – Lünig bezeugt a.a.O. ein mutatis mutandis mit der Vorurkunde König Albrechts I. vom 18. März 1299 gleichlautendes Privileg König Heinrichs mit der Datierung in Uberlingen II. idus Aprilis, anno Domini millesimo trecentesimo decimo, regni vero secundo. Ein solches Stück läßt sich heute jedoch weder in den Beständen des GLA Karlsruhe (freundliche Auskunft von Prof. Dr. Konrad Krimm vom 30.5.2011) noch des HStA Stuttgart (freundliche Auskunft von Dr. Peter Rückert vom 31.5.2011), wo sich Buchhorner Betreffe finden, nachweisen. Die Bestände des StadtA Friedrichshafen wurden am 24. August 1944 bei einem Luftangriff vollständig vernichtet; allerdings existieren keine Aufzeichnungen über die damals noch dort gelagerten Urkunden (freundliche Auskunft von Jürgen Oellers, StadtA Friedrichshafen, vom 20.6.2011). Denkbar ist auch, daß das Stück bereits in den 1740er Jahren verloren ging, als »das gerade auf der Flucht begriffene [Buchhorner] Archiv im Bodensee versank«; Rieder, Kreisarchiv Neuburg (...1886) S. 217 A. 1. Die in Buchhorn bei der Mediatisierung 1803 noch vorhandenen Archivalien charakterisiert Rieder a.a.O. als von »untergeordnete[m] Werth«. – Zu den Grafen von Werdenberg-Heiligenberg der Kommentar oben zu Nr. 282.

Nachträge

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Empfohlene Zitierweise

RI VI,4,2 n. 409, in: Regesta Imperii Online,
URI: http://www.regesta-imperii.de/id/abbeb28e-9b64-4541-b7b2-6d24418631db
(Abgerufen am 28.03.2024).