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RI VI Rudolf I. - Heinrich VII. (1273-1313) - RI VI,4,1

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Dem in Christo hochgeliebten Sohn Heinrich, dem erlauchten König der Römer (carissimo in Christo filio Henrico regi Romanorum illustri), teilt Papst Clemens V. mit, [1] er habe bereits zu Beginn seiner Erhebung zur Papstwürde (siehe unten im Kommentar) gehört, daß die Temp­ler zwar nach außen hin unter dem Mantel der Religion kämpften, im Inneren aber seit langem in Apostasie und Häresie lebten. In Anbetracht des Ansehens und der Verehrung, die der Orden früher genoß, der Tatsache, daß er bis dahin nichts von jenem Verdacht oder ihrer rechtserheblichen Bescholtenheit (infamia contra ipsos) gehört habe, und weil sie seit jeher öffentlich das Kreuz trugen, mit Leben und Besitz gegen die Feinde des Glaubens für den Erwerb, die Bewahrung und die Verteidigung des Heiligen Landes kämpften, habe er der Ein­flü­sterung keinen Glauben geschenkt. [2] Weil aber später seinem in Christo hochgeliebten Sohn Philipp, dem erlauchten König der Franzosen, zu Ohren kam (auribus carissimi in Chri­sto filii nostri Philippi regis Francorum illustris), daß einige Brüder des genannten Ordens in ihrer Profeß beim Ordenseintritt ausdrücklich den Herrn Jesus Christus verleugneten, in ihren Kapiteln ein Götzenbild anbeteten (ydolum adorant in suis capitulis) und andere ruchlose Dinge taten, habe dieser auf Aufforderung des vom Apostolischen Stuhl in sein Reich ab­ge­ord­neten Inquisitors, mit feierlichem Rat der Prälaten, Barone und anderer Weiser den Groß­meister und alle anderen Ordensmitglieder, die sich in seinem Reich aufhielten, an einem einzigen Tag mit großer, durchdachter Sorgfalt verhaften lassen, um sie dem kirchlichen Ge­richt zu überstellen, und alle ihre beweglichen und unbeweglichen Güter sicherer Treu­hän­der­schaft übergeben, im Fall der Verurteilung des Ordens zu Nutzen des Heiligen Landes, an­dern­falls zu treuer Verwahrung für den Orden. Der (Groß-)Meister habe bereits freiwillig öffentlich in Gegenwart hochstehender Kirchenmänner in Paris, Magister der Theologie und an­derer, die Verleugnung Christi entgegen der ursprünglichen Ordensregel bei der Profeß ge­stan­den. Auch viele andere Brüder aus verschiedenen Teilen des Königreichs der Franzosen (regni Francorum) hätten die genannten Verbrechen gestanden und wahrhaftige Buße für das Begangene getan, wie König Philipp dem Papst brieflich mitteilte und dieser auch durch das öffentliche Gerede erfahre. Er selber habe einen hochadligen und maßgebenden Ordensritter persönlich befragt. Dieser habe die Verleugnung Christi bei seinem Ordenseintritt frei­willig und vollständig gestanden und hinzugefügt, er habe gesehen, wie ein Adliger im Königreich Zypern in Gegenwart von 200 oder mehr Brüdern des Ordens, unter denen ungefähr hundert Ritter waren, auf Befehl des Großmeisters bei seiner Aufnahme ins Ordenskapitel die gleiche Schandtat beging. [3] Daher fordert Clemens den König auf, bittet und ermahnt ihn, so schnell wie möglich nach Erhalt dieses Schreibens, nachdem er die genannten Dinge sorg­fältig erwogen habe, klug, sorgfältig, geheim und mit Zustimmung seiner Räte alle Templer seines Reiches und Herrschaftsgebietes und alle anderen, die darin gefunden werden, durch un­verdächtige Personen an ein und demselbem Tag verhaften und ihre beweglichen und un­be­weglichen Güter beschlagnahmen zu lassen. Die gefangengenom­menen Personen solle er im Namen des Papstes und des Apostolischen Stuhls an sicheren Orten unter zuverlässiger Be­wa­chung festhalten lassen und ihre Güter anderen zuverlässigen Personen im Namen des Papstes zu treuen Händen übergeben, bis er von ihm andere Weisung erhalte. Diese Treuhänder soll­ten in Gegenwart von Brüdern aus allen Häusern des genannten Ordens und anderer zuver­läs­si­ger Leute, insbesondere von Nach­barn der genannten Häuser, Inventare anfertigen und zu ge­gebener Zeit über die Güter Rechenschaft ablegen. Damit der König über jeden Verdacht er­haben sei und nichts verschleudert werde, sollten die Treuhänder keine königlichen Amts­leute, Ministerialen oder sonstigen Dienstleute sein (de tuis officialibus, servientibus vel aliis ser­vitoribus quibuscumque). Der König solle dafür Sorge tragen, daß die Ländereien und Weinberge der Templer auf deren Kosten in der gewohnten Weise bewirtschaftet würden, da­mit diese Güter für die Templer, falls sie für unschuldig befunden würden, ansonsten für das Heilige Land unbeschadet erhalten blieben. Clemens ermahnt den König, sich in dieser Sache so zu verhalten, daß er neben dem Lob der Menschen auch einen Zuwachs an Gnade bei Gott erwerbe und sich die Gnade des Papstes und des Apostolischen Stuhls voll und ganz verdiene. Was er aber in jenen Angelegenheiten zu tun befehle, solle er ihm so schnell wie möglich brief­lich mitteilen. [4] Seinem Vorgänger König Albrecht [I.] ruhmreichen Angedenkens (cla­re memorie Alberto regi Romanorum pre­decessori tuo) habe er bereits ein Gleiches geschrie­ben, wie er sich erinnere, doch da jener vorher vom Tod ereilt worden sei, habe er die Aus­füh­rung nicht mehr anordnen können. – Pastoralis preminentie [!] solio.

Originaldatierung:
dat. Avinion., VII. id. Augusti

Überlieferung/Literatur

Überlieferung: Original (Pergament, Siegel verloren) Pisa AS 1309 agosto 7 Roncioni 610 mit Rückschrift in an­scheinend päpstlicher Kanzleihand Super capcione Templariorum, dem Bernhard de Mercato hinzufügte Lit­tera (od. Lictera) papalis contra Templarios, directa domino de ipsis capiendis. – Drucke: Bonaini, Acta Hen­ri­ci VII. 1 (1877) S.6-8 Nr.3; *MGH Const. 4 I (1906) S.265-267 Nr.300 mit eigener Untergliederung; sie wird oben wiederholt. – Regest: -.

Kommentar

Kammernotar Bernhards Rückschrift stimmt wörtlich mit seinem Eintrag ins Pisaner Reichsregistraturverzeichnis vom Juli 1313 überein; MGH Const. 4 II (1909-11) S.1085 § 132 in Nr.1045, das drittletzte Stück: Ob Indiz dafür, daß es bei Hofe nie benutzt wurde? – [...] circa promotionis nostre principium ad apicem apostolice dignitatis kann recht genau auf das Treffen des Papstes mit König Philipp von Frankreich anläßlich der Papstkrönung zu Lyon, die am 14. November 1305 stattgefunden hatte, datiert werden; vgl. oben den Kommentar zu Regest k. Das in § 4 erwähnte Schreiben an König Albrecht gilt als ver­lo­ren; es dürfte mit der Bulle Pastoralis praeeminentiae identisch gewesen sein, die unter dem 22. November 1307 an alle Kö­ni­ge der Christenheit adressiert wurde; Barber,Trial (1978) S.73f. auf der Grundlage des England-Exemplars für König Edu­ard II. bei Rymer,Foedera 1 (1745) Teil IV S.99f. Paralleltexte haben sich aus Aragonien und aus dem Königreich Nea­pel erhalten; Barbera.a.O. S.270 A.3. Der vorliegende Text ist auf gleicher Grundlage erstellt worden, obgleich diese nicht im Clemens-Register steht. Vor dem römisch-deutschen König hatte der Papst bereits den ungenannten Herzog von Öster­reich in der Templerfrage angeschrieben; Böhmer, Päbste (...1857) S.420 zu 1308 XII 30, Toulouse, mit Incipit Callidi ser­pen­tis: gedeckt durchs Papstitinerar und durch Regestum Clementis V. 4 I (1886) S.3f. Nr.3643. – Über den Templerprozeß in­for­mieren Kaspar Elm in: Alexander Demandt, Große Prozesse (1990) S.81-101 und 297f. sowie Elisabeth Lalou in: Lex. des MA. 8 III (1996) Sp.537-539, noch ohne Verweis auf Menache, The Templar Order (...1993) S.12-14 und 18-20; seit­her differenzierende Darlegungen bei Nicholson,Knights Templar (2001) S.205-230 mit S.268-270.

Nachträge

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Empfohlene Zitierweise

RI VI,4,1 n. 247, in: Regesta Imperii Online,
URI: http://www.regesta-imperii.de/id/1309-08-07_1_0_6_4_1_289_247
(Abgerufen am 19.04.2024).