Regestendatenbank - 201.916 Regesten im Volltext

RI VI Rudolf I. - Heinrich VII. (1273-1313) - RI VI,4,1

Sie sehen den Datensatz 200 von insgesamt 319.

König Heinrich überträgt dem Adligen und Namürer Grafen Johann von Flandern, seinem Ver­wandten und Getreuen (nobili viro Iohanni de Flandria, comiti Namurcensi, consan­gui­neo et fideli nostro dilecto), im Vertrauen auf dessen ernsthafte Treue und hervorragende Lau­ter­keit die Kamericher Graf­schaft (comitatum Cameracensem) und gibt ihm die Vollmacht, sich dort selber oder durch einen Beauftragten über die Rechte von König und Reich kundig zu machen und die­sel­ben wieder­her­zu­stellen (potestatem [...] ibidem de iuribus nostris et imperii inquirendi et iura eadem recolli­gendi), die Ver­waltung auszuüben und alles zu tun, was zu Nutzen und Ehre von König und Reich erfor­derlich ist (que profectum nostrum et im­pe­rii respiciunt et honorem); er befiehlt allen, dem Grafen in diesen Dingen zu gehor­chen, so­lange er dessen Auftrag nicht widerruft. – Ad universorum sacri Romani imperiii fidelium notitiam volumus pervenire.

Originaldatierung:
dat. Constancie III. kalen. Iunii

Überlieferung/Literatur

Überlieferung: Abschrift des 14.Jh. Paris AN Carton J 611 Nr.29; Abschrift des 14.Jh. Lille AD du Nord 3 G 10 Nr.108; Abschrift des 19.Jh. ebd. 3 G 545 S.165 Nr.66. – Drucke: Winkelmann, Acta imperii in­edita 2 (1885) S.223 Nr.341 (»aus dem originale des stadtarchivs zu Cambrai durch Bethmann«) mit Verweis auf den schon damals »überaus seltenen« Druck »Replique contre Msgr. l’archev. de Cambray. 1774. 4° nr.8«; *MGH Const. 4 I (1906) S.252f. Nr.290. – Regesten: Böhmer, Heinrich VII. (...1844) Nr.82; Wauters, Table chro­no­logique 8 (1892) S.342.

Kommentar

Winkelmanns Verweis auf das Original mit Siegel im Stadtarchiv Cambrai kann nicht mehr verifiziert werden, ebensowenig »an Pergamentstreifen« des MGH-Drucks. – Zur Sache Hüttebräuker, Cambrai, Deutschland und Frankreich 1308-1378 (...1939) S.88-97, bes. S.93, und de Moreau, L’Église en Belgique 3 (1945) S.252. Dubrulle, Cambrai à la fin du moyen âge (1903) S.267f. interpretiert die Übertragung der Grafschaft an Heinrichs Verwandten als Versuch, die Position des Rei­ches in dieser exponierten Lage zu festigen und den Einfluß des französischen Königs zurückzudrängen. Er sieht den Anlaß für dieses Vorgehen in den wiederholten Versuchen des König Philipp dem Schönen nahestehenden Kamericher Bischofs Phil­ipp von Marigny, seine Lehnshuldigung gegenüber dem Römerkönig hinauszuschieben oder diese letztlich gar ganz zu um­gehen. Vgl. dazu die Urkunden Heinrichs vom 12. Ja­nuar, 1. April und 10. April 1309, oben Regesten Nr.15, 109 und 115 so­wie das Deperditum eines Briefes König Philipps IV. von Frankreich von 1309 vor April 10, oben Nr.114. Das Vorgehen Hein­richs VII. in Kamerich wertet ähnlich auch Theodor Schieffer, der diesen »mit aller Entschiedenheit die kaiserlichen Rechte in Kamerich [vertreten]« und »den französischen Einfluß zurück[drängen]« sieht; Reichsbistum Kamerich (...1936) S.142. Nach Kraussold ging die Initiative hinter den Bemühungen Bischof Philipps von Marigny, sich einer Lehnshul­di­gung »möglichst lange zu entziehen«, von Philipp dem Schö­nen aus; die vorliegende Urkunde aber zeige, daß König Hein­rich »die geheimen Pläne des französischen Herrschers [genau] durchschaute und wie wenig er der Treue des Bischofs ver­trau­te«; Kraussold, Die politischen Beziehungen zwi­schen Deutsch­land und Frankreich (1900) S.108f. Bovesse, Le comté de Namur (...1966) S.70 sieht den Hintergrund für die Übertragung der Kamericher Grafschaft an den Grafen von Namür in der Ernennung Philipps von Marigny zum Erzbischof von Sens, die jedoch nicht so genau zu datieren ist, wie Bovesse sug­ge­riert. Der von diesem genannte 23. April 1309 war der Todestag des Erzbischofs Stephan von Sens; am 29. Juli 1309 über­trug der Papst das freigewordene Bistum Kamerich an Peter von Mirepoix, den bisherigen Bi­schof von Maguelonne; dazu un­ten Regest Nr.239. – Siehe dazu auch die Urkunde Heinrichs VII. vom 25. August 1309, unten Regest Nr.264, in der dieser die Übertragung der Grafschaft an Johann von Flandern erneuert und ihm in ausführlicher Auf­zäh­lung die Vollmacht für alle zur Wiederherstellung der Rechte von König und Reich sowie der Grafschaft notwendigen Maßnahmen erteilt.

Nachträge

Nachtrag einreichen
Einreichen
Empfohlene Zitierweise

RI VI,4,1 n. 158, in: Regesta Imperii Online,
URI: http://www.regesta-imperii.de/id/1309-05-30_1_0_6_4_1_200_158
(Abgerufen am 28.03.2024).