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RI VI Rudolf I. - Heinrich VII. (1273-1313) - RI VI,4,1

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Balduin, Erzbischof der Trierer (Baldewinus Dei gratia Trevirorum archiepiscopus) und Erz­kanz­ler fürs Königreich Burgund (regnum Arelatense), Rudolf, Pfalzgraf bei Rhein (comes pa­la­tinus Reni) und Herzog Baierns, Sachsenherzog Rudolf und der brandenburgische Mark­graf Woldemar (Waldemarus), denen zusammen mit den Kölner und Mainzer Erzbischöfen das Recht [zur Wahl] des Römerkönigs zusteht, der zum Kaiser zu befördern ist, teilen dem Rö­mischen Papst (sacrosancte Romane ecclesie summo pontifici) folgendes mit: [1] Da am 1. Mai (die beatorum Philippi et Iacobi apostolorum) 1308 durch den Tod Römerkönig Al­brechts (Alberti) [I.] das [Römische] König- und Kaiserreich [!] vakant geworden sei, hätten sie sich auf einer Zusammenkunft mit dem Kölner Erzbischof Heinrich [II., von Virneburg] und dem Mainzer Erzbischof Peter [von Aspelt], ihren Mitwählern, auf Mittwoch, den 27. No­vember 1308 (quartam feriam ante festum beati Andree [...]; wie oben), als Wahltag ge­ei­nigt und diesen festgesetzt. [2] Beim Versammeln an diesem Tag in der Stadt Frankfurt [am Main] als dem hierfür üblichen Ort (loco quidem ad hoc solito et consueto) habe Erzbischof Bal­duin namens aller Wahlberechtigter eine schriftliche Mahnung an diejenigen verlesen, die hier nichts zu suchen hätten, und habe Einsprüche gegen die Wahl, die mit solchen An­we­sen­hei­ten begründet würden, in Übereinstimmung mit allen Mitwählern ausgeschlossen. [3] Be­fragt durch den Kölner Erzbischof, hätten sich alle anwesenden Kurfürsten auf den luxem­bur­gischen Grafen Heinrich [VII.] als für Kirche und Staat gut geeigneten Kandidaten geeinigt, der Brandenburger auch im Auftrag seines Verwandten Markgraf Otto und gegebenenfalls der Sachsenherzöge und Brüder Johann und Erich [von Lauenburg]. [4] Im Auftrag der Mit­wäh­ler habe dann Pfalzgraf Rudolf unter Referierung des Hergangs seit dem Tod Römerkönig Albrechts [I.] den luxemburgischen Grafen Heinrich [VII.] zum Römerkönig und zukünftigen Kaiser, zum Vogt der hochheiligen Römischen und universalen Kirche sowie zum Verteidiger von Witwen und Waisen gewählt. [5] Die Wähler hätten ihre Wahl gutgeheißen, das Tedeum gesungen, die Annahme der Wahl durch den anwesenden Elekten erreicht, ihn zur Dominika­ner­kirche in Frankfurt [am Main] geführt und dort die Wahl dem Klerus und dem Volk be­kannt­gegeben. [6] Sie bitten einmütig den (Papst), den zum Römerkönig einträchtig gewähl­ten Heinrich zu weihen und am günstigen [?] Ort und zur günstigen [?] Zeit zu krönen (eidem munus consecrationis conferendo sibi de sacrosanctis manibus vestris sacri imperii dyadema dignemini loco et tempore favorabiliter [!] impertiri), damit alle erkennen, daß Gott den Papst zum Nutzen der Völker eingesetzt hat. [7] Um ihre Einmütigkeit bei Wahl und Kaisererhe­bungs­wunsch zu erweisen, haben die Aussteller ihre Siegel an dieses Wahldekret hängen [las­sen] (presens electionis nostre decretum vestre sanctitati transmittimus cum sigillorum no­stro­rum appensione [...] roboratum). [8] Als eigenhändigen Schreiber des Öffentlichen No­tars und Kölner Klerikers Arnold vom Pütz (de Puteo) für das Redigieren in öffentlicher Form ha­ben die Aussteller den Kleriker Heinrich von Lobberich (? de Lobbruch) tätig werden so­wie Rheinpfalzgraf und Herzog Rudolf, Sachsenherzog Rudolf und Markgraf Woldemar auch im Auftrag des Kölner Erzbischofs durch die Öffentlichen Notare Arnold und Heydenreich von Essen (de Essende) unterschreiben lassen. Die Handlung fand im Dominikaner[-Kloster] (in domo fratrum Predicatorum) zu Frankfurt [am Main] statt, und zwar in Anwesenheit des Straß­burger Bischofs Johann [von Zürich], des Fulder Abts Heinrich [V., von Weilnau], des Köl­ner Dekans Ernst, des Metzer Schatzmeisters Simon von Marville und des Klerikers Peter von Esch als speziell geladenen Zeugen am (27. November 1308) während der 7. Indiktion. Der Kölner Kleriker sowie [päpstliche] und kaiserliche Notar Arnold, genannt vom Pütz (dic­tus de Puteo), bezeugt, daß er zusammen mit den vorgenannten Zeugen bei den Vorgängen von der Mahnrede des Trierer Erzbischofs Balduin über die Befragung der Wähler durch den Kölner Erzbischof Heinrich bis zum Kürspruch durch Pfalzgraf Rudolf und allem weiteren, das in diesem Instrument erzählt wird, persönlich dabeigewesen ist und dieses von (seinem) Kle­riker Heinrich von Lobberich (? de Lobbruch) auf Geheiß der Kurfürsten von Trier, Pfalz, Sachsen und Brandenburg handschriftlich gefertigte Instrument noch am selben Tag und Ort un­terschrieben und mit seinem [Notariats-]Zeichen bekräftigt hat. – Sanctissimo in Christo patri ac domino suo, domino .. sacrosancte Romane ecclesie summo pontifici, Baldewinus.

Originaldatierung:
quarta [...] feria [...] ante festum beati Andree apostoli, que est vicesima septima dies mensis Novembris […] in opido Frankevort

Überlieferung/Literatur

Überlieferung: Notariatsinstrument des Cahorser Klerikers sowie päpstlichen und kaiserlichen Notars Bernhard de Gotrico vom 11. August 1309, Rom, Vatikanisches Archiv, Arm. C, Nr.447 (früher: Fasc.27 Nr.19); hiervon Abschrift noch dieses oder des folgenden Jahres, eventuell zur Vorlage am Hof Philipps des Schönen, Paris, BN lat. 4038B (früher Regius 9919) fol.156. – Drucke: Baluzius, Vitae paparum Avenionensium 2 (1693) Sp.266-70 aus der Abschrift = Lünig, Teutsches Reichsarchiv 4 (1720) S.196f. in Nr.147; = Leibnitius,Mantissa CD juris gentium 2 (1700) S.252-254 Nr.49b; = von Olenschlager, Erläuterte Staats-Geschichte (1755) Urkunden S.18-21 Nr.9 B = ders., Neue Erläuterungen der Guldenen Bulle (1766) UB S.61-66 Nr.22; MGH Leges 2 (1837) S.490-492 aus der Abschrift; Riedel, CD Brandenburgensis 2 I (1843) S.276-278 Nr.351 aus Baluze; Thei­ner, CD s. Sedis 1 (1861) S.410f. in Nr.592, dem Transsumpt; Altmann/Bernheim,Ausgewählte Urkun­den (²1895) S.116-119 Nr.52 [ohne Kürspruch, siehe unten!] = (³1904) S.129-132 Nr.64 = (41909) S.131-134 Nr.65; Zeumer, Quellensammlung (1904) S.144-47 Nr.118 aus MGH Leges 2; *MGH Const. 4 I (1906) S.228-231 Nr.262 mit Korrekturen ebd. II (1909-11) S.1566, aus dem Transsumpt = Krammer, Quellen zur deutschen Königswahl 2 (1912) S.48-52; = Zeumer a.a.O. (21913) S.162-164 Nr.131. – Teildrucke, nur der Stim­men­fixie­rung: Lünig a.a.O. S.194f. Nr.145; nur des pfalzgräflichen Kürspruchs: Altmann/Bernheim, Ausgewählte Ur­kun­den (1891) Nr.27 = (²1895) S.37f. Nr.19 = (³1904) S.44f. Nr.27 = (41909) S.46f. Nr.27; Weinrich, Quellen zur Verfassungsgeschichte 1250-1500 (1983) Nr.70 S.230/232 aus MGH Const. 4 I, mit neuhochdeutscher Über­set­zung S.231/233. – Regesten: Georgisch, Regesta 2 (1741) S.242 Nr.61; Böhmer, Heinrich VII. (...1844) S.252 und ebd., Reichssachen S.376 Nr.278; ders., Wittelsbacher Regesten (1854) S.60; Goerz, Trierer Erzbi­schö­fe (1861) S.64; Würth-Paquet, Henri IV. (...1861) Nrn.500f.; Thomas,Zur Königswahl 1308 (1875) Nr.35; Wauters, Table chronologique 8 (1892) S.763 nur zu 1309 VIII 11; Koch/Wille, Pfalzgrafen am Rhein 1 (1894) Nr.1594; Vogt, Erzbischöfe von Mainz 1 (1913) Nr. 1230; Kisky, Erzbischöfe von Köln 4 (1915) Nr.413; Krabbo/Winter, Markgrafen von Brandenburg 8 (1926) Nr.2092; Wampach, UQB 7 (1949) Nr.1228 nach Kisky; Regestum Clementis V, Tables 2 (1957) Nr.10609 im Instrument von 1309 August 11.

Kommentar

Lobbruch von § 8 erinnert an abschriftlich überliefertes (ius patronatus ecclesie in) Lubbruch bei Lacomblet, UB Nie­derrhein 2 I (1840) S.52 Nr.96 von 1221, das ebd. und bei Fabricius, Erläuterungen 5 I (1909) S.421 auf Lobberich, gut 15 km nord­nordwestlich von Mönchengladbach, bezogen wird. – Für die Reichsvakanz bietet das Avignoneser Instrument defekt Va­cante [...] per obitum clare memorie domini Alberti quon­dam [!] Romanorum regis seu [!] Romano imperio. Jakob Schwalm in: MGH Const. 4 I S.228 mit N.a ergänzt regno vor seu; die Wortfolge im Kürspruch (§ 4) lautet allerdings Cum vacante regno seu imperio Romano per mortem [...]. Nun for­mu­lier­ten die Wahlanzeigen der Kurfürsten über die Erhebung des Vorgängers an entsprechender Stelle Vacante iam pridem Roma­no (Nr.9.; siehe gleich!) bzw. Romanorum regno per mor­tem dive recordacionis domini Adolfi quondam Romanorum regis; ebd. S.7f. Nrn.8-10 vom 28. Juli 1298. Für Stili­sie­rung der Bitte um Kaisererhebung ist allerdings nur Nr.10, also eine der Ein­zel-Anzeigen an Papst Bonifaz VIII., heran­ge­zo­gen wor­den, wie die Variante elucescat gegenüber dem illucescat der kur­fürst­lichen Sammelanzeige Nr.9 beweist; vgl. ebd. S.10 § 5 mit S.230 § 6. Wahrscheinlich hat deshalb im Original des § 1 von 1308 in Übereinstimmung mit dem Königstitel auch Ro­manorum regno seu Romano imperio gestanden, bei Abschrift ver­kürzt durch Augensprung von regis zu regno. Daß uns die Kontrolle mit Hilfe eines Originals von 1308 nicht möglich ist, mag deshalb verwundern, weil in der Urkundenliste über Heinrichs VII. Handregistratur, die Heinrichs VII. Kammernotar Bern­hard de Mercato 1313 anlegte, noch »drei Brie­fe/Ur­kun­den über des Herrn Wahl zum Römerkönig« signalisiert wurden: Tria paria litterarum de electione domini in regem Ro­ma­norum; MGH Const. 4 II (1909-11) S.1085 Nr.1046 § 7. Dem ent­spricht die Annahme, »jeder der drei Erzkanzler ha[be] mit den weltlichen Kurfürsten ein solches Dekret ausgefertigt«; Zeu­mer,Quellensammlung (1913) S.162 zu Nr.131 mit Ver­weis auf dens.,Par litterarum (...1910) S.244. Dagegen plädieren für nur zwei solcher Dekrete Schepelmann,Kö­nigs­wahl von 1308 (1913) und Mario Krammerin: NA 40 (1915/16) S.463f. – Daß Zeitgenossen hierin eine Kaiserwahl sehen konn­ten, belegt die Annalium Rotomagensium Continuatio anläßlich der päpst­lichen Bestätigung; MGH SS 26 (1882) S.505 Z.6f., zitiert unten in Regest Nr.235 unter dem 26. Juli 1309.

Die Urkunde gilt als amtlicher Erstbeleg für den Trierer Erzkanzlertitel in kontinuierlicher Folge; Bresslau, Urkun­den­lehre 1 (21912) S.514ff. Auf historiographische und Traktat-Belege um 1269 gehen ein Bresslau/Harthausen,Älteste Zeug­nisse (...1967). – Die ältere Forschung zum Wahlhergang wie Krammer, Wahl und Einsetzung (1906) S.34, 39 und 109 so­wie Zeumer, Goldene Bulle 1 (1908) S.213 und Stutz, Erzbischof von Mainz und die deutsche Königswahl (1910) S.108 wur­de verarbeitet bei Mitteis, Deutsche Königswahl (21944) S.212f. Hiernach ist erstmals bei einer solchen Wahl »eine förm­liche Verwahrung gegen die Anwesenheit Nichtberechtigter« (§ 2) vorgenommen worden, und zwar durch den Trierer Erz­bischof Balduin von Luxemburg als »Kenner des kanonischen Rechts«; ebd. S.212. Nach Mohrmann, Lauenburg oder Wittenberg? (1975) S.36f. und 43f. zielte der Trierer Kurfürst damit auf Nichtanerkennung des Sachsen-Lauenburger Kur­rechts, ebenso der Kurbrandenburger in § 3. Doch beides war so kunstvoll »verklausuliert« in Formeln, mit denen offener Streit vermieden wurde, daß derselbe Trierer Kurfürst 1314 die Königswahl seines Kandidaten ausgerechnet mit Hilfe nur des Lauenburger »Sachsen« durchführte; MGH Const. 5 I (1909) S.95f. Nr.98, wo mit Woldemaro marchione Brandenbur­gen­si ac Iohanne seniore duce Saxonie, nostris coelectoribus ausgerechnet der Brandenburger Markgraf Woldemar und der Sach­sen-Lauenburger Herzog Johann II. († 1322) gemeint sind; vgl. Mohrmann a.a.O. S.3 A.13 und S.38-40. J.

Nachträge

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Empfohlene Zitierweise

RI VI,4,1 n. ap, in: Regesta Imperii Online,
URI: http://www.regesta-imperii.de/id/1308-11-27_2_0_6_4_1_42_ap
(Abgerufen am 28.03.2024).