RI VI Rudolf I. - Heinrich VII. (1273-1313) - RI VI,4,1
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[1] Graf Heinrich [VII.] von Luxemburg (Heinricus Dei gracia comes de Luzzelenborg) hat Gott vor Augen und die zahlreichen Tugenden, mit denen sich der Mainzer Erzbischof Peter, Erzkanzler des Heiligen Kaiserreichs für Deutschland (Petrus sancte Maguntin. sedis archiepiscopus, sacri imperii per Germaniam archicancellarius), für Heinrich und dessen Erhöhung (circa nos et nostri exaltacionem) einsetzt. Deshalb verspricht er freiwillig bei seiner Treu und anstelle eines Eids, im Falle seiner Erhebung an die majestätische Spitze des Römischen Königreichs (ad fastigium sive culmen regie maiestatis regni Romani) den folgenden Urkundeninhalt zu wahren und zu verwirklichen sowie baldigst mit dem königlichen Siegelstempel stärker bekräftigen zu lassen (typario regalis excellencie ad robur validius consignari). [2] Zuvorderst wird der künftige König Gottes heilige Kirche und besonders die Mainzer in all ihren geistlichen und zeitlichen Gliedern der Stadt, der Diözese und der Provinz Mainz hinsichtlich all ihrer Rechte, Ehren, Freiheiten, Güter, Besitzungen, Privilegien und Gnadenerweise schützen und stützen, die ihr von den verewigten Kaisern und Römischen Königen verliehen worden sind (datis et factis a divis imperatoribus et Rom. regibus). Die einschlägigen Gnadenerweise und Privilegien werden bestätigt und erneuert, wie sie im Wortlaut königlich besiegelter Sonderurkunden vorliegen (sicut iacent de verbo ad verbum per litteras speciales, sigillo regio consignandas). [3] Dem Erzbischof, dessen Nachfolgern und der Mainzer Kirche wird der neue König auf jede Bitte hin unverzüglich und wirksam so gut er kann helfen, wenn nötig auch in eigener Person, gegen jedwede Rechtsbrecher und willkürliche Schädiger und besonders gegen die Mainzer Stadtbürger und die Bewohner des festen Erfurt (specialiter contra cives Maguntin. et burgenses Erfordenses), um Recht von ihnen zu erlangen und Unrecht zu vermeiden. [4] Das Privilegium fori wird der neue König hochhalten. [5] Den Zoll zu Lahnstein, der mit guten Gründen eingerichtet und von den verewigten Römerkönigen der Mainzer Kirche übertragen wurde, heißt Heinrich in sicherem Wissen gut; als neuer König wird er ihn bekräftigen und ihr erneuern. [6] Die Stadt Seligenstadt und die Grafschaft Bachgau (opidum Seligenstad et comitatum Bachgowe) wird er auf Grund erfahrener Wahrheit und erteilten Rechtsspruchs (propter veritatem, opinione cedente, compertam et iusticiam expeditam) öffentlich zur zweifelsfreien Pertinenz der Mainzer Kirche erklären. [7] Das besondere Vorrecht eigener Gerichtsbarkeit der Mainzer Kirche über Ministeriale und Burgmannen (specialem prerogativam […] super ministerialibus et castrensibus ecclesie Maguntin.), das nur bei Rechtsverweigerung erlischt, wird der neue König selber und bei anderen hochhalten. [8] Er wird den Erzbischof und seine Kirche in allen Belangen hinsichtlich der Erzkanzlei des Heiligen Kaiserreichs für Deutschland nachhaltig stützen, besonders bei Ein- und Absetzung von Kanzler, Protonotar und Notaren in der Königshalle durch ihn, die [ja] ihm an des Königs Statt den Eid auf Gehorsam, Ehrerbietung und gebührende Treue leisten (specialiter in cancellario, prothonotario et notariis instituendis et destituendis in aula regia per eundem, qui sibi loco et vice nostri pro obediencia, reverencia et fidelitate debita observanda facient iuramentum), ebenso hinsichtlich des Zehnten für ihn und seine Kirche von Steuern, Eintreibungen und Einkünften der Juden und anderer, die ihm vom Königshof auf Grund der Erzkanzlei zustehen (in decima sibi et ecclesie sue debita de sturis, exactionibus sive obvencionibus Iudeorum ac aliis, que de curia regia cedere sibi debent intuitu archicancellarie predicte). Auch eine diesbezügliche Hinderung durch andere wird er nicht zulassen. [9] Die Schäden, die König Albrecht seligen Angedenkens gewaltsam der Mainzer Kirche zugefügt hat, werde der neue König, dem Peter die Abschätzung überließ, ersetzen, obgleich sie bekanntlich höher liegen als 100 000 Mark Silber; um so besser kann er dem Kaiserreich dienen (ut commodius, utilius ac libencius valeat imperio deservire). [10] Auch Peters Wahl- und Erhebungskosten zugunsten Heinrichs wird dieser ohne Zögern und vollständig ersetzen. [11] Der neue König überläßt ihm ohne Einschränkung (sine difficultate qualibet) den Zoll bei Burg Ehrenfels, bis der Erzbischof hieraus von Heinrichs Wahltag an 10.000 Pfund Heller erhalten haben wird (theloneum apud castrum Erenvels, donec de ipso a tempore creacionis nostre recipiat integraliter et complete decem milia librarum Hallen.); diese hatte ihm König Albrecht für den Kriegszug nach Böhmen versprochen (quas prefatus dominus rex Albertus sibi dare debuit et promisit pro servicio, quod fecit secum eundo in reysa ad partes Bohemie). Weiters 2 000 Silbermark, über die König Albrecht eindeutige Urkunden mit Begründung ausgestellt hat (suasque desuper dedit litteras manifestas, in quibus causa huiusmodi debiti continetur), und 1 000 Mark, die er der Mainzer Kirche an Ungeld und Juden-Abgaben in Frankfurt [am Main] während der Mainzer Sedisvakanz entzogen hat (quas subtraxit ecclesie Magunt. in ungelto et Iudeis in Franckenfort in proxima vacacione ipsius ecclesie Magunt.): Die Feststellung der vollständigen Erstattung obliegt dem Erzbischof. [12] Der neue König wird diesem Peter (ipsi domino P.) wirkungsvoll helfen gegen den verehrungswürdigen Edelmann, den Grafen von Montfort, genannt von Sargans, und dessen Helfeshelfer (contra nobilem virum .. comitem de Monteforti, dictum de Sangans, et suos complices). Der Graf hatte Peter unrechtmäßig gefangen, erpreßt und um bis zu 8 000 Silbermark geschädigt (eum per iniuriam captivavit, exactionavit et dampnificavit ad octo milia marcarum argenti). Heinrich wird bewirken, daß der Graf und seine Helfeshelfer Wiedergutmachung und Genugtuung leisten. [13] Der neue König wird den Erzbischof und seine Kirche vor unberechtigter Pfändung schützen, besonders bei Schulden der Vorgänger. [14] Besonders verpflichtet sich Heinrich, die Ungnade des päpstlichen Stuhls zu zerstreuen, wenn Peter sie wegen Heinrichs Königswahl und -erhebung auf sich zieht: Ihn und seine Kirche wird er schadlos halten; Fragen und Streitigkeiten (questiones eciam seu controversias) in der Sache beantwortet bzw. beendet der neue König für ihn in eigener Mühewaltung und Finanzierung (sub nostris laboribus et expensis ad finem et exitum perducemus pro eo). [15] Die vereinbarte Sühne zwischen König Albrecht und dem verstorbenen Mainzer Erzbischof Gerhard [II. von Eppstein] und den Seinen (composicio inter dictum dominum Albertum ac pie recordacionis dominum G. quondam archiepiscopum Maguntin. et suos ordinata) wird der neue König zuendebringen lassen. [16] Dieser wird in keiner Weise zulassen, daß Leute der Mainzer Kirche von Städten, befestigten Orten oder Burgen des Reichs (in civitatibus, opidis seu castellis ad imperium pertinentibus) als Pfahlbürger aufgenommen werden (recipi [...] in burgenses, qui palburgere volgariter appellantur). [17] Sobald und sooft Erzbischof oder Mainzer Kirche es wünschen, wird Heinrich über jeden der vorgenannten Artikel eine gesonderte besiegelte Königsurkunde ausstellen (dabimus litteram specialem, sigillo regio consignandam). [18] Der neue König wird dem Erzbischof und der Mainzer Kirche den Inhalt der Urkunden von Römischen Königen über Ungeld und Juden in Frankfurt [am Main] bestätigen und erneuern (confirmabimus et innovabimus ipso domino archiepiscopo et ecclesiae Maguntinae intercontinentia[m] litterarum sibi a Romanis regibus traditarum super ungelto et Iudeis in Franckinfort). [19] Dem Erzbischof zuliebe und in Freigebigkeit ihm gegenüber wird Heinrich für ihn bald 3 000 Silbermark in der päpstlichen Kurie zahlen (tria milia marcarum argenti pro ipso in Romana curia mox solvemus). [20] Alle Blutsverwandte und Freunde Peters wird der neue König sein Leben lang verteidigen und nachdrücklich fördern. [21] Heinrich verzichtet auf alle Wege, vorstehende Versprechen irgendwie zu beeinträchtigen. – Besieglung durch den Aussteller angekündigt. – Nos Heinricus [...] Deum, iusticiam, equitatem necnon fidelem diligenciam.
- Originaldatierung:
- actum et datum Rense, […] Vo kalend. Novembr.
Überlieferung/Literatur
Überlieferung: Original (mit anhängendem Reitersiegel Graf Heinrichs VII.), noch Vorlage für Bodmanns Druck (1806), verloren. – Vidimus der Mainzer Stuhlrichter vom 19. Februar 1309 (Original, Pergament, mit Bruchstück des Richtersiegels an Pressel) Darmstadt, StaatsA, A 2 Mainz Generalia 1309 II 19 mit Rückschriften, darunter (zeitgenössisch) Transcripcio sub sigillo sedis Magunt. super articulis et promisionibus [!], quos dominus H(einricus) Romanorum rex promisit domino archiepiscopo et ecclesie Magunt. sub (über der Zeile eingeschoben: sigillo) comitatus Lucenburgensi (Hand des 16. Jh.:) ante suam creationem; Kanzleihand des 18. Jh.: Ad privilegia 1308 Nr.1, registratum 1754; wenig jünger D.41. – Drucke: Würdtwein,Subsidia diplomatica 4 (1774) S.353-358 in Nr.105 und 12 (1778) S.348-354 in Nr.97, beides aus dem Vidimus; *Bodmann,Codex epistolaris Rudolfi (1806) S.315-319 Nr.10 aus dem Original; MGH Const. 4 I (1906) S.222-225 Nr.259 aus dem Vidimus. – Regesten: Böhmer,Regesten 1246-1313 (1844) S.376 Nr.277; Scriba,Grossherzogthum Hessen 1 (1847) Nr.746 zum 20. Februar 1309 und 3 (1851) Nr.2329 sowie Nr.2334 das Vidimus; Wiener,Juden 1 (1862) Nr.129; Thomas,Zur Königswahl (1875) Nr.34; Wauters,Table chronologique 8 (1892) S.311; Vogt,Erzbischöfe von Mainz 1 (1913) Nr. 1224; Wampach,UQB 7 (1949) Nr.1219; Battenberg,Gerichtsstandsprivilegien 1 (1983) Nr.213.
Kommentar
Die Herstellung des Texts hat zu berücksichtigen, daß Bodmanna.a.O. bei seinem Rückgriff aufs Original nicht mittellateingemäß transkribiert hat; insofern werden obige Zitate gelegentlich unter Berücksichtigung des Vidimus geboten. – Vogta.a.O. und Jakob Schwalmim MGH-Druck haben ältere Privilegierungen gleichen und ähnlichen Inhalts nachgewiesen; sie konnten sich dabei stützen auf Schrohe,Kampf der Gegenkönige Ludwig und Friedrich (1902) S.214-227, 261-263 und 286-288. Ebd. S.214-226 wird die Heinrich-Urkunde in Parallelregesten als wiederholt gleichlautende Vorlage für Ludwigs des Baiern »Verpflichtungen gegenüber dem[selben] Erzbischof von Mainz« behandelt, die unter dem 12. September 1314 in Lorsch beurkundet wurden; so auch MGH Const. 5 I (1909) S.51-53 Nr.57 mit Kleindruck der Entlehnungen, nur für Arengensplitter auch ebd. S.54 in Nr.58 vom selben Ort und Tag. Demgegenüber hat Schrohea.a.O. S.214 A.1 und S.219 A.2 vertreten, daß eine Totalbestätigung vorliegender Grafenurkunde durch Heinrich VII. als König erfolgt sei, auch wenn deren Ausstellungsort und -datum unbekannt und deren Text nur aus Differenzen zwischen unserem Stück und demjenigen vom 12. September 1314 zu erschließen seien: als positives Argument unhaltbar. Die Unterstellung einer Bestätigung durch »König Heinrich VII. [...] 1308« bei Grathoff, Mainzer Erzbischofsburgen (2005) S.458 A.250 ist gar bloßes Versehen für unser Stück, vgl. ebd. S.449 A.193 zu § 7. Es erscheint nicht ausgeschlossen, daß nur Einzelbestimmungen durch den König beurkundet worden sind und dieser nur Bestätigungen königlicher »Vorurkunden« gewährte; siehe unten Regest Nr.20 zum 14. Januar 1309, Nr.140 zum 15. Mai 1309 sowie MGH Const. 4 I S.336f. Nr.387 und Böhmer,Heinrich VII. (...1844) Nr.244 zum 10. Juni 1310. Demgegenüber ist ebd. Nr.283 zum 26. August 1310 eine aktualisierte praktische Regelung zur Kurmainzer Weiternutzung des Ehrenfelser Zolls, die an § 11 vorliegender Versprechungen anknüpft. – Daß Seligenstadt und Bachgau nunmehr dem Reichsgut endgültig verlorengingen, betont Schwind, Landvogtei in der Wetterau (1972) S.122 zu § 6. – Zu dem in § 11 erwähnten Böhmen-Zug hatte König Albrecht I. den neuen Mainzer Erzbischof (providiert am 10. November 1306, mit Regalien belehnt Mitte April 1307) im Juli/August 1307 aufgefordert; Friedhelm Jürgensmeierin: Gatz/Brodkorb,Bischöfe 1198-1448 (2001) S.406f. bzw. Levison,Aus Englischen Bibliotheken I (...1907) S.442ff. Nr.2 = MGH Const. 4 II (1908-11) S.1402f. Nr.1264. Die zugesagten 10.000 Pfund scheinen wegen der schlechten kurmainzischen Finanzlage notwendig gewesen zu sein; Hessel, Jbb. Albrechts I. (1931) S.177. J.
Nachträge
Empfohlene Zitierweise
RI VI,4,1 n. al, in: Regesta Imperii Online,
URI: http://www.regesta-imperii.de/id/1308-10-28_1_0_6_4_1_38_al
(Abgerufen am 19.04.2024).