RI VI Rudolf I. - Heinrich VII. (1273-1313) - RI VI,4,1
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Graf Berthold [VII.] von Henneberg und Ritter Konrad von Redern (Berth. comes de Hennemberg necnon Conr. de Ryeder miles) versprechen [1] als Prokuratoren der Fürsten und brandenburgischen Markgrafen Otto [IV.] und Woldemar für die Wahl des künftigen Römerkönigs (procuratores illustrium principum Ottonis et Woldemari marchionum Brandemburgensium super futuri regis Romanorum eleccionis negocio constituti) sowie namens des Fürsten Herzog Rudolf [I.] von Sachsen[-Wittenberg], der die ihm zustehende Stimme in der Römerkönigswahl Otto dem [IV.] übertragen hat (necnon nomine illustris principis Rud. ducis Saxonie, qui suum votum in eleccione Romanorum regis sibi competens in predictum Ottonem marchionem ista vice noscitur transtulisse), den Fürsten und Pfalzgrafen bei Rhein Rudolf [I.] und Ludwig [dem Baiern] (illustribus principibus Rud. et Lud. comitibus palatinis Reni [!]) zwecks Fürsorge für das Römische Königreich (ut ipsi regno Romano salubrius et caucius consulatur) mit körperlichem Eid namens ihrer markgräflichen Herren, bei der künftigen Römerkönigswahl mit ihnen einmütig zu sein (quod in eleccione futuri regis Romanorum unum cum ipsis esse debeamus): Wer von den nachgenannten Fürsten oder Persönlichkeiten (ex principibus vel personis infrascriptis) die Stimmenmehrheit der geistlichen Kurfürsten erhält, den sollen auch sie ohne Widerspruch zum Römerkönig wählen (plura vota de principibus ecclesiasticis electoribus habere contingerit, ille preferatur […], ipsum sine omni contradiccione in regem Romanorum eligendo), nämlich die Fürsten und brandenburgischen Markgrafen Otto und Woldemar, den Adligen Graf Albert von Anhalt, die Fürsten und Pfalzgrafen bei Rhein Rudolf und Ludwig sowie Österreichs Herzog Friedrich (videlicet illustres principes Ott., Woldemarus marchiones Brandemburgenses, nobilis vir Alb. comes de Anhalt necnon illustres principes Rud. et Lud. comites palatini Reni et Frid. dux Austrie). Einen anderen werden sie nur in Übereinstimmung mit den Pfalzgrafen wählen. [2] Sollte einer der Markgrafen oder ein anderer auf ihre Erhebung hin zum Römerkönig gewählt werden, wird er den Pfalzgrafen in ihrem Recht beistehen (comitibus Palatinis in suo iure assistet) und seinerseits wird er stets der Markgrafen und der Pfalzgrafen Helfer gegen jedermann sein. [3] Sollte einer der Markgrafen oder jemand auf ihre Erhebung hin zum König gewählt werden, wird er den Pfalzgrafen alle ihre Güter übertragen und jene in deren Besitz stützen und schützen sowie im Besitzzustand der Zeit des verstorbenen Römerkönigs Rudolf [I.] ruhmvollen Angedenkens völlig unbeeinträchtigt lassen (in ea possessione, sicut ea tempore clare memorie quondam Rud. Romanorum regis possederunt, non molestabit vel turbabit). [4] Hinsichtlich der Wahlkosten soll die Entscheidung des Fürsten und Straßburger Bischofs Johann [I.] und Graf Bertholds [VII.] von Henneberg genügen. [5] Dieselben Persönlichkeiten werden über die Einsetzung von Friedensamtsträgern an den Grenzen von Kaiserreich und Pfalzgrafenterritorium [?] entscheiden (Ad confinia vero imperii et predictorum comitum officiales pacifici iuxta arbitrium predictorum Argentinensis episcopi et Bert. comitis de Hennemberg locabuntur). [6] Sollte einer der Markgrafen zum König gewählt werden, wird er weder mit den Fürsten und Baiernherzögen Otto und Stephan noch mit dem Adligen Graf Eberhard von Württemberg zusammenarbeiten (nec illustribus principibus Ottoni et Stephano ducibus Bavarie nec nobili viro Eberh., comiti de Wirtemberg, predicti marchiones, si quem ex eis in regem eligi continget, adherebit) oder irgendein Bündnis eingehen. [7] Den Fürsten und Österreich-Herzögen Friedrich [dem Schönen] und dessen Brüdern (illustribus principibus Frid. et fratribus suis, ducibus Austrie) wird [der zukünftige König] alle ihre Güter und Herrschaften auf dem Besitzstand zur Zeit ihres Vaters Albrecht ruhmvollen Angedenkens (sicut ea tempore clare memorie illustris quondam domini Alberti genitoris eorum possederunt) übertragen und sie hierin stützen und schützen. – Siegel der Aussteller angekündigt. – Nos Berth. […] ad universorum noticiam volumus pervenire, quod potestate et mandato nobis […] datis.
- Originaldatierung:
- dat. in Bopardia, […] feria sexta ante Symonis et Iude apostolorum
Überlieferung/Literatur
Überlieferung: Original (Pergament, zur Hälfte abgerieben, 2 beschädigte Siegel an Pergamentstreifen, aber auch Spuren eines kleinen ovalen Siegels, das zum Verschluß rückwärtig aufgedrückt worden war) München, HStA, Kurbayern Urk. 11090, früher »Fürstenselekt Fasz.146 Nr.678«; Teilabschrift von 1592f. ebd., Kurbayern Äußeres Archiv 1173 fol.4r. – Drucke: Gewold,De septemviratu (1616) S.178-180 aus dem Original = (21621) S.216-218 = (...31657) S.758 = von Olenschlager,Erläuterte Staats-Geschichte (1755) S.15f. Nr.8; Lünig,Reichs-Archiv, Pars generalis Cont.2 (1720) S.194 Nr.145, Pars specialis Cont.2 Teil 2 (1712) S.3f. Nr.1 mit paralleler neuhochdeutscher Übersetzung; Leibnitius,CD juris gentium 1 (1693) S.50f. Nr.30, hieraus du Mont,Corps universel diplomatique 1 I (1726) S.349f. Nr.605 und Auszüge bei Lentzius,Becmannus enucleatus (1757) S.276 Sp.1; »ex Codice Gundlingiano« Gercken,Fragmenta Marchica 1 (1755) S.46-49 Nr.27 = Sattler,HerzogthumWürtenberg 2 (1767) S.65-67 Nr.42; G. D. Hoffmann,VermischteBeobachtungen 1 (1761) S.153-156; »aus der Gundlingischen Sammlung« Buchholtz,Geschichte der Churmarck 4 (1771) Urkunden S.163f. Nr.143; Riedel,CD Brandenburgensis 2 I (1843) S.274f. Nr.349; von Heinemann,CD Anhaltinus 3 (1877) S.115f. Nr.173; *MGH Const. 4 I (1906) S.225f. Nr.260 aus dem Original, aber mit irreführender Herleitung aller Drucke aus diesem. – Regesten: Böhmer,Regesten 1246-1313 (1844) S.375f. Nr.275; ders.,Wittelsbachische Regesten (1854) S.70 mit versehentlich nur 5 Königskandidaten; Thomas,Zur Königswahl (1875) Nr.32; Koch/Wille,Pfalzgrafen am Rhein 1 (1894) Nr.1591, vgl. Nr.1828; Krabbo/Winter,Markgrafen von Brandenburg 8 (1926) Nr.2086 [fehlerhaft für § 6].
Kommentar
Die Angaben bei Sprinkart,Kanzlei der Pfalzgrafen (1986) S.501 Nr.889 zur Überlieferung sind ergänzt nach Auskunft des HStA München vom 22.III.2004 (Dr. Reinhard Höppl);hiernach ist das Original trotz Tintenabrieb auf Grund der Federeindrücke und vor allem »unter der Quarzlampe noch gut lesbar«. Hingegen reicht der Auszug von 1592f. nur bis S.225 Z.41 des MGH-Drucks einschließlich unum cum ipsis esse debeamus, bietet aber gleichwohl die Datierung. – Aus § 6 ist durch die ältere Forschung herausgelesen worden, daß auch die niederbaierischen Herzöge Otto III. und Stephan I. sowie Graf Eberhard I. von Württemberg als Königskandidaten angesehen wurden; so besonders von Gundling,Geschichten und Thaten (1719) S.29f., von Olenschlagera.a.O. S.19 und 15, Hoffmanna.a.O. S.148-151 und auch noch Krabbo/Wintera.a.O. Doch Subjekt ist der ggf. aus den Markgrafen Gewählte, sind nicht die Markgrafen insgesamt oder gar die niederbaierischen Herzöge und der Württemberger Graf; diese hätten im Plural angesprochen werden müssen, nicht mit adherebit vel [...] unietur. Entsprechend bestritt schon von Stälin, Wirtembergische Geschichte 3 (1856) S.111 Eberhards des Erlauchten Königskandidatur. – Angesichts des Abstellens auf die Mehrheit der geistlichen Kurfürsten erhebt sich die Frage, ob mit diesem Bündnis die Führungsposition des Kölners überspielt werden sollte. Es verdient Beachtung, daß der Kandidatur Graf Heinrichs VII. von Luxemburg nicht mit Namen gedacht wurde; lediglich das Offenhalten für eine Person »außerhalb der [Sechs‑]Zahl der vorgenannten« (extra vero numerum personarum predictarum; § 1 a.E.) scheint ihn mitzuberücksichtigen. In Wirklichkeit war Heinrich VII. derjenige gewesen, der am ehesten eine geistliche Kurfürstenmehrheit hinter sich gehabt hatte, und spätestens seit dem 20. September 1308 (oben Regest ac) sollten es eigentlich alle drei sein: Heinricus autem comes Lucemburgensis, habens sue partis duos, presulem Treverensem et Moguntinum, Coloniensem Heinricum [...] sibi devinxit [...]; Johann von Viktring, Liber certarum historiarum IV 4 der Fassung A, ähnlich IV 1 der Fassungen B, D, A 2, ed. von Fedor Schneider (1910)S.8 bzw. 32. – Die Herren von Redern waren ein havelländisches Geschlecht von damals nur regionaler Bedeutung; Handbuch hist. Stätten »Berlin und Brandenburg« (1973, hier = 31995) S.93 u.ö., wogegen Sprinkarta.a.O. »Rieder (Ostharz)« erwägt und S.683 Sp.1 einschränkungslos registriert, also 5 km westnordwestlich Ballenstedts in Sachsen-Anhalt einen Sitz, von dem sonst nichts bekannt ist. Berthold VII. von Henneberg-Schleusingen hingegen war bereits reichsweit tätig gewesen; vgl. Jäschke,Europa um 1300 (1999) S.115 und 117. – Wenn auch Sprinkarta.a.O. das Original keiner ansonsten bekannten Hand zuordnet, weist der Verhandlungsort Boppard, Mittelpunkt eines Reichsgutbezirks und alsbald an Kurtrier verpfändet, auf Rudolf I., den Stammler, als Gastgeber und wohl auch Initiator hin: anscheinend im Vorstoß gegen den Kölner Kurfürsten Erzbischof Heinrich II., von Virneburg, der sich ja gerade unter dem 20. September 1308 seine Ansprüche auf Boppard durch »seinen« neuen Kandidaten Heinrich VII. von Luxemburg im voraus hatte sichern lassen: oben Regest ac § 3. – Thorau,Heinrich VII. (...2003) S.381f. zählt zu den vertragschließenden Parteien von Boppard auch Graf Albrecht I. von Anhalt-Köthen und Herzog Friedrich den Schönen von Österreich. Aus deren Nennung als Königskandidaten geht dies zwar nicht hervor; aber § 7 gibt deutlich zu erkennen, wie nachdrücklich habsburgische Anliegen in Boppard (mit)-vertreten wurden, und zwar orientiert an König Albrechts I. ältestem überlebenden Sohn als Chef des Hauses: qui senior fratrum susceperat curam domus formulierte rückblickend der Kärtner Abt Johann von Viktring in seinem Liber certarum historiarum IV 5 der Fassung A, ed. von Fedor Schneider,Bd.2 (1910) S.11. Daß von den Kurfürsten »nur der Pfalzgraf bei Rhein Friedrich [den Schönen als Königskandidaten] kurz ins Gespräch« gebracht habe, betont Niederstätter,Herrschaft Österreich 1278-1411 (2001) S.116. In Übereinstimmung mit Lhotsky,Geschichte Österreichs 1281-1358 (1967) S.187 und jetzt auch Niederstättera.a.O. und Begert,Böhmische Kur (2003) S.131 hat Franke,Kaiser Heinrich VII. im Spiegel der Historiographie (1992) S.110 festgehalten, daß die einzige historiographische Nachricht über Kandidaturkontakte Friedrichs des Schönen in Buch III der Historia des Ferreto de' Ferreti steht, der in Vicenza schrieb; Ed. von Cipolla,Bd.1 (1908) S.271.Mit Datierung der zugehörigen Ereignisse in den »Spätfrühling 1308« suggeriert Lhotskya.a.O. deren Tatsächlichkeit – und wer möchte nicht mit dem Kärtner Abt Johann von Viktring (Liber certarum historiarum IV 5 S.10f.) an einen Königsplan Friedrichs des Schönen als des ältesten überlebenden Sohns des letzten Königs glauben, so daß die Albrecht-Söhne von ihrer Mutter nach der luxemburgischen Königserhebung getröstet und Gerüchte von König Albrechts Quasi-Designation zugunsten Heinrichs VII. in Umlauf gesetzt wurden; vgl. oben im Kommentar zu Regest n. Aber Ferreto begann sein Geschichtswerk erst um 1330 zu schreiben (Frankea.a.O. S.108), und da hatte sich auch in Vicenza bereits das Konkurrenzkönigtum Friedrichs des Schönen von 1314 so unauslöschlich eingeprägt, daß mit quasi-logischer Vordatierung durch den Chronisten für eine ähnliche Lage des Jahrs 1308 zu rechnen ist; Ferreti Historia V bei CipollaBd.2 (1914) S.229-31, wo der Habsburger eingeführt wird als der machtvollere und erbrechtlich argumentierende Kandidat: [...] potentia viriumque copiis tumentior Fridericus de Austria, avo [Rudolpho] patreque Alberto in iracundiam vexatus, quasi regnum ex successione maiorum sibi debitum exoptat; ebd. S.229, mit versehentlicher Datierung der beiden Wahlen (»la doppia elezione« S.229 A.2 ist mißverständlich) durch den Editor auf den 19. bzw. 20. Oktober 1313 statt richtig 1314. – Die ingeniöse Hypothese bei Seibt,Luxemburger und hussitische Revolution (...1967) S.359 und Begerta.a.O. S.131, Friedrich der Schöne habe mit dem Znaimer Verzicht auf Böhmen vom 14. August 1308 die böhmische Kur für seine Kandidatur erkauft, scheitert beim derzeitigen Forschungsstand am Mangel der sonst so dichten Wahlvorbereitungsnachrichten, kann aber für sich ins Feld führen, daß sich hiermit die komplette Abwesenheit der »habsburgischen« Partei bei der Mainfrankfurter Wahl am 27. November 1308 (unten Regest ao) mühelos erklären läßt. J.
Nachträge
Empfohlene Zitierweise
RI VI,4,1 n. ak, in: Regesta Imperii Online,
URI: http://www.regesta-imperii.de/id/1308-10-25_1_0_6_4_1_37_ak
(Abgerufen am 23.04.2024).