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RI VI Rudolf I. - Heinrich VII. (1273-1313) - RI VI,4,1

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Papst Clemens [V.] schreibt dem Franzosenkönig Philipp [IV.] (Philippo regi Francorum illu­stri), [1] Clemens habe bei dem verehrungswürdigen Dogen, dem Rat und der Kommune der Venezianer (.. duci, consilio et communi Venetiarum) brieflich erreicht, daß sie Philipps leib­lichem Bruder, dem Edelmann Graf Karl von Anjou (nobili viro Carulo comiti An­de­ga­ven­si, germano tuo), den Termin für den Eid über die Vereinbarung zwischen Graf und Vene­dig hinsichtlich der Angelegenheit des Kaiserreichs Konstantinopel (ad iuramentum prestan­dum super certis conventionibus et pactis inter eundem comitem et ipsos ducem, consilium et commune initis occasione negotii imperii Constantinopolitani) bis zum nächsten Februar­an­fang aufschieben (usque ad kalendas Februarii tunc proximo venturi terminum prerogarent), wie Philipp aus dem beiliegenden Dogenbrief ersehen könne. Dessen Abschrift hat Clemens auch dem Grafen zugesandt (Quarum etiam copiam predicto cómiti destinámus). [2] Philipp wer­de sich erinnern, daß er während des Papstaufenthalts zu Poitiers in Anwesenheit der Edel­leute und Grafen Ludwig von Évreux, des Königs [Halb-]Bruder, und des verehrungs­wür­digen [Gaucher V.] von Saint-Pol[-Porcien], Connétable von Frankreich, sowie des könig­li­chen Kämmerers Ingelram (presentibus dilectis filiis nobilibus viris Ludovico, fratre tuo, Ebroi­censi ac .. Sancti Pauli comitibus, .. comestabulario Francie, et Ingeramno cambellano tuo) unter dem Siegel großer Verschwiegenheit einiges über die Angelegenheit dieses Kaiser­reichs [Konstantinopel] durch Ingelram gegenüber dem Papst habe darlegen lassen, für das der König zwei Sondergesandte, die beim Papst vorbeikommen sollten (pro quibus eras tuos speciales nuntios, qui per nos debebant transitum facere [...] transmissuros), an einige hoch­ran­gierende Fürsten (ad aliquos magnos principes) beauftragen werde. Verblüffenderweise habe der Papst davon nichts mehr gehört; doch der angemessene Abschluß besagter Angele­gen­heit sei Ehrensache des Königs und des Grafen. Wegen des geheimen Charakters möchte Clemens nichts unternehmen und erwartet die vom Heiligen Geist inspirierte Antwort des Kö­nigs (quod ex infusione Spiritus Sancti [...] extíterant inspiráta). [3] Den Antwortbrief des Adligen Baiernherzog Rudolf [I.] (litteras dilecti filii nobilis viri Rodulfi ducis Bavarie) in der Angelegenheit der Wahl des künftigen Römerkönigs (de negotio electionis futuri regis Ro­ma­no­rum), in der Clemens an Rudolf geschrieben habe (super quo sibi per nostras litteras scripse­ramus), hat Clemens vor kurzem erhalten (pridem recepimus); ihn legt Clemens bei, und dem Grafen von Anjou hat er eine Abschrift gesondert zugesandt (earum copiam dicto co­miti Andegavensi specialiter destinamus). – Dudum, prout celsitudo regia non ignorat.

Originaldatierung:
dat. in Laureo Monte prope Burdegalas, XI. kal. Novembr.

Überlieferung/Literatur

Überlieferung: Original (Pergament, Bulle an Hanfschnur verloren) Paris, AN, Carton J.703 Nr.164. – Drucke: Leibnitius,Mantissa CD juris gentium 2 (1700) S.243 Nr.44c, versehentlich zu 1307; *MGH Const. 4 I (1906) S.213f. Nr.249. – Regesten: Böhmer,Regesten 1246-1313 (1844) S.345 Nr.322; Thomas,Zur Königswahl (1875) Nr.31; Koch/Wille,Pfalzgrafen am Rhein 1 (1894) Nr.1590.

Kommentar

Jakob Schwalms Abschnittszählung im MGH-Druck wird oben übernommen; vorangehender Cursus velox kann ausnahms­wei­se gekennzeichnet werden. – Der Ausstellungsort wird in zwei gleichzeitigen Urkunden desselben Ausstellers mit apud Lau­reummontem Burdegalensis diocesis erfaßt; Regestum Clementis Papae V Bd.3 (1886) S.253 Sp.2 Nrn.3299f. Er liegt 5 km nordöstlich des heutigen Zentrums von Bordeaux; vgl. oben zu Regest ah von 1308 X 1. – Mit Karl »von Anjou« ist nicht der heute so bezeichnete König Karl II. von Neapel († 1309) gemeint, sondern König Philipps des Schönen Vollbruder, durch den König (oben Regest r), in Selbstzeugnissen (oben Regesten s und t) und auch am Papsthof (oben Regest v) meist »Karl von Valois« etc. genannt. Dessen Eheschließung mit Katharina von Courtenay 1301, Enkelin des letzten aktiven »latei­ni­schen« Konstantinopel-Kaisers Balduin II. (1228-61, † 1273), verlieh ihm Anspruch auf das östliche Kaisertum, und als Ka­tha­rina 1307 starb, konnte gleichwohl die päpstliche Exkommunikation des Palaiologen-Kaisers Andronikos II. (1282-1328, † 1332) vom 3. Juni 1307 weiterwirken, um Karls Byzanz-Unternehmen zum Kreuzzug zu stempeln; vgl. Menache,Cle­ment V (1998) S.119f. Daß Venedig hierfür die inzwischen kaum entbehrliche Unterstützung zur See einbrachte, war des Papsts Anliegen schon 1306 gewesen; Regestum Clementis papae V Bd.1 (1884) S.45f. Nr.248. Angesichts von Karls dritter Ehe­schließung, nunmehr mit Mathilde von Châtillon 1308 wieder ganz auf den innerfranzösischen Schauplatz konzentriert, überrascht das Insistieren des Papsts auf dem Byzanz-Unternehmen; es wäre zu erklären als Weiterverfolgen der Kreuzzugs­the­matik, aber auch als Entlastung der Deutschland-Perspektive, die in § 3 bezeichnenderweise nur noch mit Ceterum an­geschlos­sen wird. Das hier maßgebende Schreiben Rudolfs des Stammlers antwortete wohl auf den Papstbrief vom 18. oder 19. Juni 1308, siehe oben Kommentar zu Regest u. Es bleibt der Eindruck, als räume Clemens V. der römisch-deutschen Kan­di­da­tur Karls von Valois keine Chance mehr ein. – Bei dem ungenannten Grafen von Saint-Pol könnte man zunächst an Guion oder Jakob, einen der brabantischen Mitgift-Bürgen vom Mai 1308, denken; Wampach,UQB 7 (1949) S.245 in Nr.1176. Aber entgegen der Textinterpunktion von Jakob Schwalmin der MGH-Edition ist der .. comestabularius Francie trotz er­neu­ten Reverenzpunkten keine neue Person am Papsthof zu Poitiers, sondern personengleich mit Gaucher V. (* 1250, † 1329) von Saint-Pol-Porcien aus der Linie Châtillon, seit 1285 Connétable der Champagne, 1302 Connétable von Frank­reich, Truppenführer gegen Flamen 1302-20 sowie jüngst Führer beim Niederwerfen von Aufständen in Chalons-sur-Marne und in Navarra: beides 1307; Robert-Henri Bautier/Elisabeth Lalouin: Lex. des MA. 2 (1983) Sp.1773 s.v. »Châtillon«. – Des Papsts Zusammenarbeit mit Venedigs damaligem Dogen Peter Gradenigo (* 1251, im Amt 1289-1311) verdient deshalb Beachtung, weil in Auseinandersetzungen um die Herrschaft in Ferrara Spannungen anwuchsen, die am 25. Oktober 1308 gar zur Mit-Exkommunikation dieses Dogen durch Legaten Clemens' V. führten; Paolo Pretoin: Lex. des MA. 4 (1989) Sp.1631f., zu präzisieren mit Hilfe von Menachea.a.O. S.142f. J.

Nachträge

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Empfohlene Zitierweise

RI VI,4,1 n. aj, in: Regesta Imperii Online,
URI: http://www.regesta-imperii.de/id/1308-10-22_1_0_6_4_1_36_aj
(Abgerufen am 28.03.2024).