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RI VI Rudolf I. - Heinrich VII. (1273-1313) - RI VI,4,1

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Graf Heinrich [VII.] von Luxemburg schickt den Straßburger Hugo Wiricus an den faktischen Böhmen-König Heinrich von Kärnten, um diesen für sich als Königswähler zu gewinnen. Unge­fähr gleichzeitig sendet Pfalzgraf Rudolf [der Stammler] den Adligen Witigo Bucher zu Hein­rich nach Böhmen, da er diesen als engen Blutsverwandten leicht auf seine Seite zu ziehen hofft. Nach Beratung mit seinen Leuten gibt Heinrich in Böhmen sowohl dem Grafen Hein­rich als auch dem Pfalzgrafen Rudolf eine hinhaltende Antwort.

Überlieferung/Literatur

Johann von Viktring, Liber certarum historiarum IV 4, erzählt dies in Fassung A: Heinricus autem comes Lucem­burgensis [... m]isit et ad Heinricum regem, qui de facto regnum Bohemorum tenuit, ut annueret suis votis, institit et petivit; ad quem nuncius fuit quidam Argentinensis, qui Hugo Wiricus binomice vocabatur. Rudolfus eciam Palatinus nobilem virum, qui Witigo Půchær dictus est, ad eundem Heinricum in Bohemiam, tamquam ad proximum consanguineum et ad suam partem tracturum leviter, destinavit. Qui consiliatus cum suis, tam Hein­rico comiti quam Rudolfo palatino assensus benevolenciam non concessit, sed nec simpliciter denegavit [...]; Ed. von Fedor Schneider,Bd.2(1910) S.8.

Kommentar

Zwar wohl kaum als Widmungsexemplar, aber doch in der Entwurffassung des autographen Handexemplars ist die erste Rezen­sion (= A) des Liber certarum historiarum erhalten; sie wird 1340/41 datiert; vgl. Heinrich Kollerin: Reinhardt, Haupt­werke (1997) S.308 mit Schneidera.a.O. Bd.1 (1909) S.VIII und Lhotsky,Quellenkunde (1963) S.296 sowie Stel-zer,Vorwort (...1997) S.7 und Bassi,Anonymus Leobiensis (...1997) S.22f. und 34f. – Laut den jüngeren Redaktionen B, D und A2 begründete der Böhmenkönig Heinrich seine unentschiedene Haltung mit der schwierigen Lage im Königreich Böh­men; sie spreche nicht für die Begünstigung der einen und die Zurückweisung der anderen Partei – was sich dann zu seinem sehr großen persönlichen Schaden ausgewirkt habe: […] eo quod status regni taliter se haberet, ut unius amiciciam con­qui­rere et alterius benivolenciam abicere {sibi} nullatenus equum esset. Sic medius residens, neutri parti voluit conplacere, {in sui ipsius maximum sequenti tempore detrimentum}; IV 1 bei Schneidera.a.O. S.32 – in spitzen Klammern stehen spätere Til­gun­gen des Autors. Als Johann von Viktring all dies 1340/41 bzw. 1341/47 schrieb, war die Verdrängung des Kärntners durch die Luxemburger in Böhmen längst unumstößliche Tatsache. Daß es eine Begründung für die Haltung des derzeitigen Böh­menkönigs gegeben hat, klingt schon in der Fassung A an; doch daß sie nicht mitgeteilt, sondern stattdessen an den Rand ge­schrieben wurde, über die Klugheit dieses Verhaltens müßten die Ratgeber mit sich ins Gericht gehen (in quo si prudenter egerit, videant, qui consilium tribuere; a.a.O. S.8), spricht eher dafür, daß der schließlich präsentierte Begründungsinhalt fingiert und nicht etwa aus dem Bericht Beteiligter nachgetragen wurde; vgl. Kamptner,Zeitgeschichte (...1997) S.56-58, die aus historiographiegeschichtlichen Überlegungen zu demselben Ergebnis gelangt, obgleich sie dann aus der Streichung von sibi auf das »Streben des Autors nach objektiver und ausgewogener Darstellung« schließt; ebd. S.57. Unter dem 14. August 1308 war zu Znaim ein Vertrag beurkundet worden, in dem Friedrich der Schöne auf Böhmen verzichtete. Lhotsky,Ge­schich­te Österreichs 1281-1358 (1967) S.187-191 sieht darin das Ergebnis habsburgischer Bemühungen um Geld und Rücken­freiheit; demgegenüber verstehen Seibt,Luxemburger und hussitische Revolution (...1967) S.359 [1. Zitat] und Be­gert,Böhmische Kur (2003) S.131 Friedrichs Verzicht auf Böhmen als Einsatz, »um [...] die böhmische Kurstimme für seine deutsche Kandidatur zu gewinnen«. Entsprechend dieser Zusage habe der derzeitige Böhmenkönig »Wittelsbachern und Luxemburgern eine diplomatische Absage« erteilt. – Rudolf der Stammler († 1319) und Heinrich VI. von Kärnten († 1335) waren Vettern, da Heinrichs Mutter Elisabeth, übrigens Witwe König Konrads IV., Schwester von Rudolfs Vater Lud­wig dem Strengen gewesen war; Charlotte Bretscher-Gisigerin: Lex. des MA. 9 (1998) Genealogische Taf. »Wittels­bacher I« und Heinz Dopsch,ebd. 4 (1989) Sp.2070. – Ohne bestimmte Adressaten der Bemühungen zu erwähnen, hat auch der Vicentiner Notar Ferreto de' Ferreti in Buch III seiner Historia von frühestens ca. 1330 den »Baiern-Herzog Rudolf« als für sich werbenden Kandidaten genannt, und zwar in einem Atemzug mit »dem« Sohn des letzten Königs: Fridericus tamen, Alberti memorati natus, Barbarieque dux Rodulphus, quoad potuere, nisi sunt, huiusce titulum vendicare; ed. von Cipolla,Bd.1 (1908) S.271, zu Autor und Abfassungszeit Franke,Kaiser Heinrich VII. im Spiegel der Historiographie (1992) S.108; zu Friedrichs des Schönen bezeugter Kandidatur unten Regest ak. J.

Nachträge

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Empfohlene Zitierweise

RI VI,4,1 n. af, in: Regesta Imperii Online,
URI: http://www.regesta-imperii.de/id/1308-09-00_1_0_6_4_1_32_af
(Abgerufen am 28.03.2024).