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RI VI Rudolf I. - Heinrich VII. (1273-1313) - RI VI,4,1

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Der Kölner Erzbischof Heinrich [II., von Virneburg,] beurkundet als Erzkanzler des Heiligen Kai­serreichs für Italien (Henricus Dei gracia sancte Coloniensis ecclesie archiepiscopus, sacri imperii per Italiam archicancellarius), während der derzeitigen Vakanz des römischen Kaiser- und Königreichs durch den Tod Römerkönig Albrechts [I.] (vacante hiis diebus Ro­ma­no imperio sive regno per mortem clare memorie domini Alberti Romanorum regis) und an­gesichts der bevorstehenden Wahl des künftigen Römerkönigs (instante electione de futuro Ro­manorum rege celebranda) seien vor ihm am Sonntag nach Petri Kettenfeier 1308 [= 4. Au­gust 1308] in Lechenich Ritter Gottschalk, genannt Rybo, und Lauenburgs Pfarrer Ulrich (Ůl­ri­cus pastor ecclesie in Louenborg) als Spezialbeauftragte (nuncii ad infrascripta [...] specia­liter deputati) Herzog Albrechts [III.] von Sachsen und von dessen leiblichem Bruder (fra­ter germanus) Herzog Johann [II.] von Sachsen erschienen. Sie hätten nachdrücklich erklärt (pr­otestabantur), die Herzöge Johann und Albrecht von Sachsen (Iohannes et Albertus duces Saxonie) hätten auf Grund ihres Herzogtums das Kurfürstenrecht bei der Wahl des Römer­königs inne (racione ducatus sui predicti ius habere tamquam veros electores Roma­no­rum regis in electione eiusdem regis). Auch das Amt des Reichsmarschalls (officium marscal­ca­tus imperii) liege bei ihnen gemäß Recht sowie ursprünglichem Erbgang und Ältesten­nach­folge (de iure et successione originali et primeva progenitorum suorum): Ihr Vater Herzog Jo­hann [I. (1260/63-85/86)] sei Erstgeborener (primogenitus) Sachsenherzog Albrechts [I. (1212-60)] gewesen, und deshalb dürften [nur] sie und kein anderer als Sachsenherzog zum Wahl­recht zuzulassen und allen anderen vorzuziehen sein. Als tatsächlich einmal ihr Vater­bru­der Sach­sen­herzog Albrecht [II. (1260/66-98)] zur Römerkönigswahl zugelassen worden sei, dann des­halb, weil die Brüder Johann und Albrecht nach dem Tod ihres Vaters Johann [I.] noch min­derjährig gewesen seien und Albrecht [II.] als ihr Vormund gehandelt habe (ipsis fratri­bus, patre eorum bone memorie domino Iohanne duce Saxonie defuncto, in minori etate con­stitutis, dum ipsorum tutor erat nomine tutorio eorundem). Ihnen stehe nicht entgegen, daß ihr Verwandter Rudolf [I. (1298-1356)], Sohn Albrechts [II.], nach dem Tod seines Vaters sich fak­tisch in jene Wahl einmischte, obgleich er es rechtlich nicht könne und sie dem im­mer wi­der­sprochen hätten und jetzt [auch] widersprächen. Die Beauftragten und ihre Herren erböten sich, ihr Recht in der Sache zu beweisen, wo und wann dies sowohl vor dem Rö­mer­könig als auch vor den Fürsten des Heiligen Römischen Reichs rechtens zu tun sei. Anwe­send waren die Adligen Dietrich von Isenburg und Konrad von Tomberg (Tonnenborg), Propst Werner von Mariengraden zu Köln, die Ritter Paul von Eich (Ech) und Kämmerer Bachem sowie mög­lichst viele andere Glaubwürdige (alii quam plurimi fidedigni). – Hänge­sie­gel des Aus­stel­lers angekündigt. – Universis presentes litteras visuris nos Henricus.

Originaldatierung:
die dominica post festum beati Petri ad vincula apud Lechenich

Überlieferung/Literatur

Überlieferung: Original (Pergament, stark beschädigtes Erzbischofssiegel an Pergamentstreifen) Schleswig, LA, Urk. Abt. 210 Nr.30. – Daraus die beiden Drucke: Sudendorf,Registrum 2 (1851) S.177f. Nr.87; *MGH Const. 4 I (1906) S.216f. Nr.253. – Regesten: Böhmer,Regesten 1246-1313 (1857) S.425 Nr.442; Thomas, Zur Königswahl (1875) Nr.13; Hasse, Schleswig-Holstein-Lauenburgische Urkunden 3 (1896) Nr.179; Kisky,Erz­bischöfe von Köln 4 (1915) Nr.340.

Kommentar

Nach Zerstörung der Erdhügelburg westlich von Lechenich und auch des Ackerbürgerstädtchens selbst 1301 durch Verbün­de­te König Albrechts I. wurde seit 1306 im Ort eine neue kurkölnische Landesburg errichtet, beginnend mit einem fünf­geschos­sigen Wohnturm, so daß ein viertürmiges Hochschloß im Zentrum entstand, das wiederholt den Kölner Kurfürsten als Re­sidenz diente; Josef Frankein: Hdb. hist. Stätten »Nordrhein-Westfalen« (1963) S.393f., völlig neugefaßt und ergänzt durch Klaus Flink,ebd. (21970) S.449. – Entgegen der Terminologie bei Seng,Heinrich II. von Virneburg (1977) S.20 u. 21 ist der Kölner Kurfürst nie »Reichskanzler [!] für Italien« gewesen. – Lebenszeiten und Amtsdaten der Lauenburger Sachsen­her­zöge sind in Einzelheiten unklar; vgl. die Genealogische Tafel bei Erich Hoffmann,Spätmittelalter (1990) S.346 mit Taf. 197 bei Schwennicke,Europäische Stammtafeln, N.F.1 II (1999). – Mohrmann,Lauenburg oder Wittenberg? (1975) S.24, 27, 34, 37 und 42 argumentiert dahingehend, daß wittenbergische Senioratspraxis nicht durch lauenburgisches Insistieren auf der Primogeniturordnung habe erschüttert werden können. Dem hat Armin Wolf,Entstehung des Kurfürstenkollegs 1198-1298 (1998, hier = 22000) S.91 an die Seite gestellt, daß trotz Lauenburger Protest auf dem Nürnberger Reichshoftag von 1298 König Albrecht I. zu­gun­sten des Wittenbergers entschied, da dieser an König Adolfs Absetzung und an der ersten Wahl Albrechts führend betei­ligt gewesen war, so daß »der neue König seinen Wähler als Kurfürsten an(erkannte)«. Ob die ebd. S.90ff. als Rechtsgrund un­ter­stellte »habsburgische Erbengemeinschaft« wirksam war, sei dahingestellt. Aber tatsächlich war es der Ahn der Witten­berger gewesen, der 1273 mit Rudolfs I. Tochter Agnes verheiratet worden war, nicht sein schon ver­ehe­lichter älterer Bruder Johann I. Den erwähnten Nürnberger Protest vom 11.XI.1298 hatten übrigens die Erzbischöfe von Köln und Trier beurkun­det, der Kölner auch als Erzkanzler; MGH Const. 4 I S.24f. Nrn.30f. Noch unter Albrecht I. hatten sich die Erzbischöfe von Köln und Mainz auch als Erz­kanzler und Mit(kur)fürsten für die Anerkennung des Lauenburger Kur­rechts ausgesprochen; ebd. II (1908-11) S.1246f. Nrn.1196f. vom 10. Januar bzw. 13. März 1301, zum politischen Hin­ter­grund Hessel,Jbb. Albrechts I. (1931) S.71f. und 93f. Vorliegende Erzkanzler-Urkunde von 1308 gilt als erster Nieder­schlag einer quasi-systematischen Begründung für den Sachsen-Lauenburger Anspruch auf Alleinvertretung der sächsischen Kur­würde; Mohrmann a.a.O. S.33 – übrigens ebd. S.34 als »Scheinbeweise« abgewertet. Seit der lauenburgischen Lan­des­tei­lung von wohl 1305 stand Johann II. († 1322) für Mölln-Bergedorf, Albrecht III. († am 1. November 1308; Annales Lubi­cen­ses zu 1308, in: MGH SS 16, 1859, S.420 Z.44-46) für Ratzeburg; vgl. Hans-Georg Krause in: Bl.dt.LG 112 (1976) S.652 mit Schwennicke a.a.O. Taf.197, wo ebenso wie bei Mohrmann a.a.O. S.35 Albrechts III. Todestag Ende Oktober 1308 gesucht wird. J.

Nachträge

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Empfohlene Zitierweise

RI VI,4,1 n. y, in: Regesta Imperii Online,
URI: http://www.regesta-imperii.de/id/1308-08-04_1_0_6_4_1_25_y
(Abgerufen am 28.03.2024).