RI VI Rudolf I. - Heinrich VII. (1273-1313) - RI VI,4,1
Sie sehen den Datensatz 22 von insgesamt 319.
Raimund, Kardinaldiakon von Santa Maria Nuova, teilt dem Kölner Erzbischof H(einrich) [II. von Virneburg] mit, [1] daß ihn wegen der Schrecklichkeit der Sache der Tod des berühmten Römerkönigs Albrecht [I.] immer noch schmerze. Da die Erhebung eines Königs für das Königreich Deutschland (Alamannie regni provisio) die Römische Kirche im Innersten angeht, solle zur Herrschaft über dieses Königreich gewählt werden eine Person, die, auf Gott schauend, die Kirche nach Art eines ergebenen Sohns verehrt, die Kirchen und die Geistlichkeit des genannten Reichs als katholischer Fürst machtvoll schützt sowie unablässig für des Heiligen Landes Rückgewinnung, die Römische Kirche und Papst heiß ersehnen, als kämpferischer Kreuzfahrer seine Kräfte einsetzt (suarum virium potenciam tanquam fortis athleta Domini et vindex strenuus Crucifixi non desinat exercere). [2] Diese und andere Himmelsgaben machen Graf Karl von Valois und Anjou vor den Magnaten des Erdkreises zum nützlicheren und geeigneteren Kandidaten. Er überragt durch differenziert vorausschauendes Urteilsvermögen auf hohem Niveau und gilt als besonders tatkräftig. Jenes Reich könne durch ihn und seinen Bruder, den Franzosenkönig Philipp [den Schönen], heilsam regiert werden, Friedensfreuden genießen und verlorene Rechte genesend zurückerlangen. Dieser Graf habe von Jugend an auf den Spuren seiner Vorfahren sich um die Erhöhung der Kirche bemüht, sich und die Seinen für die Verteidigung der kirchlichen Freiheit eingesetzt und sich eifrig auf Hilfe für das Heilige Land ausgerichtet. [3] Deshalb bittet der Absender den Empfänger, sich für Graf Karls entsprechende Königswahl einzusetzen, damit der Absender gehalten ist, für des Empfängers Ehren etwas zu tun. – Acerbe mortis occasus.
- Originaldatierung:
- datum Pictavis, mense Iulii
Überlieferung/Literatur
Aus Abschrift des 14.Jh. in Cod. lat. 10919 der Pariser Nationalbibliothek fol.115a-b (CXXVIIIa-b) gedruckt bei Baluzius, Vitae paparum Avenionensium 2 (1693) Sp.119 = von Olenschlager,Erläuterte Staats-Geschichte (1755) Urkunden S.12f. Nr.6 = Baluze/Mollat3 (1921) S.97f.; erneut aus jener Abschrift in: *MGH Const. 4 I (1906) S.211f. Nr.247. – Regesten: Böhmer,Regesten 1246-1313 (1844) S.344 Nr.319; Kisky,Erzbischöfe von Köln 4 (1914) Nr.332.
Kommentar
Jakob Schwalms Abschnittzählung im MGH-Druck, die oben übernommen wird, folgt überall auf Cursus velox. – Nicht weit von Anfang Juli 1308 datiert Menache,Clement V (1998) S.152 – wohl deshalb, weil einige Formulierungen wörtlich aus dem Schreiben P. Clemens' V. vom 18. Juni 1308 stammen (oben Regest u). Gar Gleichzeitigkeit mit diesem, also »Mitte Juni«, erwägt Kern,Anfänge (1910) S.303 A.3: »Der Registerschreiber [könnte] aus ... Kalend. Julii [kürzend] mense Julii gemacht haben.« – Wie nachhaltig sich Person und Bedeutung Kardinal Raimunds de Got bemerkbar machten, läßt sich an einer auf den ersten Blick unscheinbaren Verwechslung ablesen: Der jüngere Zeitgenosse Giovanni Villani verwandte in seiner ausführlichen Schilderung der Bedingungen für die Papstwahl des bisherigen Erzbischofs von Bordeaux nicht dessen Namen Bertrand de Got, sondern berichtete über ihn so, als trage er den Namen seines Neffen: messer Ramondo del Gotto, arcivescovo di Bordello [!]; Cronica VIII 80 bei Gherardi Dragomanni2 (1848) S.109-111 und Nuova Cronica IX 80 bei Porta 2 (1991) S.159-162. Entsprechend war Raimund de Got derjenige Papstneffe, an den schon Eduard I. 1306 seine Empfehlung für Balduin von Luxemburg gerichtet hatte; Wampach,UQB 7 (1949) S.106f. Nr.1059 zum 3. Mai; ähnlich Nuova cronica X 59, bei Porta 2 (1991) S.262 –die Paraphrase bei Menachea.a.O. S.21 mit A.78 führt mehrfach irre. – Pfründenhäufungen bei Kardinälen unter Clemens V. trifft man besonders bei dessen Verwandten Raimund de Got und Arnald von Pellegrue, auch wenn auswärtiger Pfründenerwerb gelegentlich scheiterte; Hofmann,Kardinalat (1935) S.62 A.302 bzw. S.45. Raimund gilt als des Papsts engster Vertrauter, wenn auch nicht als dessen Lieblingsneffe; vgl. Menachea.a.O. S.41 mit ebd. S.145. So mochte es gleichsam als Warnung des Papsts selber gelten, wenn ein deutscher Kurfürst darauf hingewiesen wurde, daß mit Akzeptierung des kapetingischen Kandidaten das römisch-deutsche Reich praktisch durch Frankreichs König regiert werde. Demgegenüber hat Hofmanna.a.O. S.43f. ebendieses Schreiben als Indiz für die Franzosenfreunde unter den Kardinälen gewertet, ja sogar als regelrechten »Beweis dafür, daß das Einvernehmen zwischen Klemens V. und seinen Verwandten nicht so bedingungslos war, wie es immer scheint«. – Im Unterschied zum Offenhalten der Adressatenmenge bei Stengel,Avignon und Rhens (1930) S.13 A.2 und Brabänder,Einflußnahme (1994) S.409 A.41 scheint dieses Schreiben nur an den Kölner Erzbischof gegangen zu sein und damit ausgerechnet an denjenigen Kurfürsten, der sich nachweislich der kapetingischen Kandidatur nicht abgeneigt zeigte; vgl., wenn auch mit etwas anderen Akzenten, Kern,a.a.O. S.303 A.2 und Roscheck,Französische Kandidaturen (1984) S.103-109, bes. S.108f. Ablehnend Brabändera.a.O. S.409 A.49, wo S.139ff. der Brief als eigenständiger Akt im Rahmen des Handlungsspielraums eines Kardinals gewertet wird. – Die Benennung des Kardinaldiakons »Béraud Raymond [nach] Santa Maria Novella [...] (1305-10)« durch Nicole de Peñain: Lex. des MA. 4 (1989) Sp.1572 könnte einer Verwechslung der römischen Titelkirche mit dem gleichnamigen Dominikanerkloster in Florenz Vorschub leisten; zudem gilt anderwärts als Raimunds Todesjahr erst 1323; Menache a.a.O. S.21 A.78, allerdings im Unterschied zu Bernard,Népotisme (...1949) S.388 und Guillemain,Cour pontifical (1962) S.236 mit Sterbetag 1310 VI 26. J.
Nachträge
Empfohlene Zitierweise
RI VI,4,1 n. v, in: Regesta Imperii Online,
URI: http://www.regesta-imperii.de/id/1308-07-00_1_0_6_4_1_22_v
(Abgerufen am 25.04.2024).