RI VI Rudolf I. - Heinrich VII. (1273-1313) - RI VI,4,1
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Papst Clemens [V.] teilt dem Trierer Erzbischof (venerabili fratri archiepiscopo Treveren.) [Balduin von Luxemburg] mit, [1] daß ihn besonders wegen der Schrecklichkeit der Sache der Tod des berühmten Römerkönigs Albrecht [I.] immer noch schmerze. [2] Die Erhebung eines nützlichen Königs für das Königreich Deutschland (Alamanie regni provisio [...] de persona utili) gehe den Papst und die Römische Kirche im Innersten an (precordialissime nos et ecclesiam Romanam contigit). Zur Herrschaft über dieses Königreich gewählt werden solle eine Person mit differenziert vorausschauendem Urteilsvermögen, großherzig und tugendreich, voll reinen Gottvertrauens und kindlichen Eifers für Kirche und Geistlichkeit des Königreichs, deren Freiheiten und Rechte machtvoll schützend und mehrend sowie als kämpferischer Kreuzfahrer (fortis athleta Domini et pugil strennuus Crucifixi) die Rückgewinnung des Heiligen Lands wirkungsvoll und eifrig betreibend. [3] Als einer der verehrungswürdigen Kurfürsten (unus de .. electoribus eiusdem regis) solle der Erzbischof mit Verstand, Herz und Vorsicht auf dieses Ziel hinarbeiten [4] und über den entsprechenden Kandidaten mit dem Papst noch vor der Wahl ins Benehmen treten. – De acerbe mortis occasu.
- Originaldatierung:
- datum Pictavis XIIII. kalendas Iulii pontificatus nostri anno tercio
Überlieferung/Literatur
Überlieferung: Abschrift von ca. 1330/1350 in der Losse-Handschrift Kassel I, Kassel Universitätsbibliothek – Landesbibliothek – Murhardsche Bibliothek 2o Ms. iurid. 25 fol.24v-25v [Nr.33] mit Überschrift Hortatur Trever. de ydoneo rege eligendo. – Drucke: *Stengel,Nova Alamanniae 1 (1921) S.20f. Nr.62 = (vereinfacht) Wampach,UQB 7 (1949) S.258-261 Nr.1185. – Regest: -; aber Böhmer,Regesten 1246-1313 (1844) S.344 Nr.318 zum 19. Juni = Ausfertigung für Rudolf den Stammler (s.u. im Kommentar!), bei Koch/Wille,Pfalzgrafen am Rhein 1 (1894) Nr.1583 versehentlich zum 20. Juni 1308 gezogen und durch Krebs,ebd. 2 VI (1939) S.530 zum 19. verbessert; zum 19. Juni auch Kisky,Erzbischöfe von Köln 4 (1915) Nr.330.
Kommentar
Stengels Abschnittszählung, die oben übernommen ist, folgt fast überall auf Cursus velox. – Casus horribilitas zielt auf die Ermordung König Albrechts I. durch seinen Neffen Johann »Parricida«; vgl. Heide Dienstin: Lex. des MA. 5 III (1990) Sp.512, wo allerdings versehentlich der 5. statt des 1. Mai 1308 als Mordtag steht. – Die bei Wampacha.a.O. S.258 im Kopfregest von Nr.1185 an die Spitze gestellte Kandidateneigenschaft (»der vor allem gottesfürchtig [...] sei«) kommt so nicht einmal in der weiteren Aufzählung vor, etwa als »pius« oder als »timore Dei« handelnd; vgl. dagegen den Brief Kardinaldiakon Raimunds vom Juli 1308 (unten das nächste Regest) mit »zu Gott erhobenen inneren Augen« an der Spitze: mentalibus oculis erectis ad Deum; MGH Const. 4 I (1906) S.211 Nr.247 § 1. – Clemens V. schrieb anscheinend textähnlich nicht nur an [Pfalzgraf und] Baiernherzog Rudolf [den Stammler], sondern auch an weitere Fürsten, wohl in ihrer Eigenschaft als Königswähler. Erhalten ist der Wortlaut zwar nur noch für den Wittelsbacher (MGH Const. 4 I, 1906, S.210f. Nr.246 zum 19. Juni, als Lesart zum Balduin-Text auch bei Stengela.a.O. Nr.62 zum 18. Juni 1308, was Krebsa.a.O. und Sprinkart,Kanzlei der Pfalzgrafen, 1986, S.499 zu Nr.872 nicht berücksichtigen); aber zumindest für die beiden weiteren geistlichen Kurfürsten bezeugt der Papst unter dem 1. Oktober 1308 (unten Regest ah) noch eine erste Serie von päpstlichen Schreiben in der Wahlangelegenheit (Coloniensi necnon et venerabilibus fratribus nostris .. Maguntin. ac .. Treveren. archiepiscopis, quibus scripta nostra direxeramus; MGH Const. 4 I S.212 Nr.248 § 3). Auch als Empfänger jüngerer Papstbriefe wird der Böhmenherrscher aus Kärnten nicht erwähnt, so daß die Behauptung bei Stengela.a.O. S.20 zu Nr.62, der Text an Balduin sei »als Rundschreiben allen Kurfürsten zugegangen«, nur hinsichtlich des Briefcharakters überzeugt, den Brabänder, Einflußnahme (1994) S.135 mit »je ein Exemplar« an jeden Kurfürsten präzisiert. Irre führt auch die Unterstellung bei Wampacha.a.O. S.259, die Adressierung an alle [!] Kurfürsten gehe aus der »Ausfertigung an den Pfalzgrafen« hervor; zudem wird diese Würde im Schreiben an Rudolf den Stammler gerade nicht genannt. – Global alle Kurfürsten als Empfänger einschlägiger Papstbriefe suggerierte bereits der zeitgenössische Zisterzienser, der 1328 im wittelsbachischen Hauskloster Fürstenfeld an der Amper die Chronica de gestis principum zusammenstellte, aber als einziges unter seinen Quellen bislang nachgewiesenes Dokument ebendieses Clemens-Schreiben an Rudolf den Stammler benutzte: [...] sicut cui incumbit curam gerere de omnibus electoribus regni, suas litteras destinavit [...]; Leidinger,Chronicae Bavaricae saeculi XIV (= MGH SS-rer.-Germ.-Schulausgabe [19], 1918) S.59 und dazu Franke,Kaiser Heinrich VII. im Spiegel der Historiographie (1992) S.239. Druck des Papsts auf die sich entsprechend beeilenden Kurfürsten unterstellte spätestens um 1320 der Steirische Reimchronist Ottokar § 810: Der bâbest aber sande / sîn boten her ze lande / und hiez den kurhern sagen, / ob si in kurzen tagen / niht welten einen kunic, / biderben und frumic, / sô wold er wærlich / gegen in allen gelîch / nutzen den gewalt, / der im von Got wær bezalt / und von der werld alsam. / Dô in diu botschaft kam, / dô vorhten si sêre, / des dinges wurde mêre / [und wurden des drâte] / umb einen tac ze râte, / ûf den si zuo einander kæmen / unde einen kunic næmen; Edition von Seemüller (= MGH Deutsche Chroniken 5 II, 1893) S.1241 Sp.2 Verse 95686-703, zum Quellenkundlichen Frankea.a.O. S.224. – Daß eine derartige Wahlerinnerung ohne Kandidatenname als vorsichtige Distanzierung vom schon 9 Tage lang bekannten kapetingischen Favoriten ausgelegt werden konnte, betont Roscheck,Französische Kandidaturen (1984) S.101f. Inzwischen hat Menache,Clement V (1998) S.120 mit Belegen seit 1306 unterstrichen, daß der Papst gerade in Frankreich Karl von Valois als den »hervorragenden Glaubenskrieger, den kühnen Kämpfer für die Kirche« und Quasi-Führer des Kreuzzugs propagiert hatte – ähnlich den Formulierungen gegen Ende von § 2 dieses Briefs! Jedenfalls ist in diesem kunstvoll verallgemeinernden Schreiben nichts von dem zu erkennen, was Giovanni Villani, ein jüngerer Zeitgenosse dieses Papsts in Florenz, mit seiner pittoresken Schilderung der Vorgeschichte von Clemens' V. Papsterhebung – übrigens unter dem falschen und zusätzlich denunzierenden Namen Ramondo [!] del Gotto, arcivescovo di Bordello [!] – einschließlich einer Vereinbarung zwischen König und Erzbischof zu Saint-Jean-d'Angely vor dem Perusiner Wahlakt des 5. Juni 1305 erklären wollte: karriereverpflichtete Abhängigkeit von Frankreichs König Philipp dem Schönen; Cronica VIII 80, bei Gherardi Dragomanni 2(1848) S.110f., und Nuova Cronica IX 80, bei Porta 2 (1991) S.160f., dazu die Ablehnung des angeblichen Treffens von Saint-Jean-d'Angely bei Alain Demurgerin: Levillain,Dictionnaire historique de la papauté (1994) S.368 Sp.1. J.
Nachträge
Empfohlene Zitierweise
RI VI,4,1 n. u, in: Regesta Imperii Online,
URI: http://www.regesta-imperii.de/id/1308-06-18_1_0_6_4_1_21_u
(Abgerufen am 19.04.2024).