RI VI Rudolf I. - Heinrich VII. (1273-1313) - RI VI,4,1
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Dem Böhmen-König Heinrich [von Kärnten] schreibt der Franzosen-König Philipp [IV.] (eidem regi Boemie ex parte dicti domini Franc. regis), er habe durch Briefe vertrauenswürdiger Absender und aus wahren Berichten die Nachricht vom Tod Römerkönig Albrechts [I.] (de flebili obitu clare memorie A. quondam Roman. regis illustris) erhalten. Er bemühe sich eifrig um Ehre und Vorteil des Römerreichs, da es in seiner unmittelbaren Nachbarschaft liege. Deshalb soll dort ein geeigneter Fürst erhoben werden, unter dem der katholische Glaube wächst, die Angelegenheit des Heiligen Landes gedeiht (Terre Sancte prosperetur negotium) und das ganze Königreich und der Staat (regnum illud totaque res publica; das Folgende unten im Kommentar), wie es die Augustus-Würde erfordert, stets angenehme Mehrung erfährt. Auch soll der neue König als ein Mann, der König Philipp und dessen Reich genehm ist, den lange zwischen beiden Reichen bestehenden Friedens- und Freundschaftsbund bewahren. Nicht wegen Blutsverwandtschaft, sondern wegen vorliegender Erfahrungen ist Philipps Bruder Karl, der Graf von Valois und Anjou, zu wählen, so daß er ihn nominiere (ac etiam nominamus). Philipps Dank könne sich der Böhmenkönig nicht besser verdienen, als wenn er diese Wahl selber und mit Hilfe anderer herbeiführe. Weitere Boten würden folgen; ihnen sei dieser Brief vorangeschickt, damit der Adressat schon entsprechende Vorkehrungen treffen könne. Erfolge Karls Wahl, werde dieser sich sicher als höchst geeignet für das Amt, sich aber auch dem Adressaten und seinem Königreich besonders gnädig erweisen. – Ad nos tam ex fidedignorum litteris.
- Originaldatierung:
- dat. Pict., dominica in octab. Penth.
Überlieferung/Literatur
Drucke ohne Protokoll, aber mit oben als Adresse mit Absender zitiertem Rubrum bei Pöhlmann, Zur deutschen Königswahl 1308 (...1876) S.363f. aus dem Dossier Paris, BN lat.10919 fol.93v, früher »Cartul.170 fol.107b«; *MGH Const. 4 I (1906) S.204f. Nr.240. – Regesten: Thomas,Zur Königswahl (1875) Nr.4; Kisky, Erzbischöfe von Köln 4 (1915) Nr.327; Wampach, UQB 7 (1949) Nr.1182.
Kommentar
Ähnlich dem Text vom 20. (oder 27.) Mai 1308 (Regest q) ist damit zu rechnen, daß auch die »Nominierung« Karls von Valois durch seinen Bruder weiter gestreut wurde; so gilt der Kölner Erzbischof Heinrich II. von Virneburg als sicherer Empfänger, auch wenn die Details in den jeweiligen Schreiben unterschiedlich lauteten; vgl. Kisky a.a.O. zu Nr.390 vom 1. Oktober 1308 (unten Regest ah) mit Stengel, Avignon und Rhens (1930) S.4. Auch von diesem Stück (vgl. den Kommentar zum vorigen Regest!) erschließen ein Exemplar für Pfalzgraf Rudolf I., den Stammler, Krebs,Pfalzgrafen am Rhein 2 VI(1939) Nr.6330 und Sprinkart,Kanzlei der Pfalzgrafen (1986) S.499 Nr.871. – Datierung auf 1307 bei Ehlers, Kapetinger (2000) S.229 ist bloßes Versehen. – Auf das besondere Verhältnis Philipps des Schönen zu seinem einzigen Vollbruder Karl von Valois weist hin Brown,The Prince is Father of the King (...1987) S.301, gleichpaginiert wiederholt bei ders.,The Monarchy of Capetian France (1991) in Aufsatz II. – Hinter dem Rekurs auf die Augustus-Würde (prout augustalis dignitas exigit, grata semper augmenta suscipiat) könnte »allzeit Mehrer des Reichs« als Deutung des Intitulatio-Bestandteils semper augustus stehen. – Der Hinweis auf den Nutzen der Karls-Erhebung für den Adressaten und für dessen Reich (vobisque et regno vestro gratiosum, humilem et benignum) dürfte auf einen Königswähler mit eigenem Königreich zugeschnitten worden sein; entsprechend rechnet mit einem »Sonderbrief vom 9.VI.« u.a. Schepelmann,Königswahl von 1308 (1913) S.16-18, besonders S.17 A.1. – Sonderbotschafter in [verschiedene] Gebiete des Königreichs Deutschland (regni Alemannie partes) wurden durch Philipp IV. bevollmächtigt, in seinem und seiner Nachfolger Namen Versprechungen einschließlich beliebiger Geldzusagen abzugeben; MGH a.a.O. S.205f. Nr.241 von 1308 VI 11 aus Poitiers. Daß damit Zahlungen an Königswähler nur für den Fall in Aussicht standen, daß die Wahl in kapetingischem Sinn entschieden werde, und daß jetzt direkt noch keine Summen in Kurfürstenkassen flossen, betont Roscheck, Französische Kandidaturen (1984) S.80f. Vier Tage später erhielt Ritter Hugo de Cella, einer der drei namentlich genannten Bevollmächtigten, zur Deckung der Kosten für seine Deutschland-Verhandlungen (ad partes Alemannie pro quibusdam nostris negociis) eine sofort fällige Schatzanweisung Philipps IV. auf 1300 Pfund Kleiner Dicker Turnosen, die ggf. auch durch Kaufmannsbriefe bis hin nach Deutschland (per litteras aliquorum mercatorum versus partes Alemannie) überstellt werden sollten; MGH a.a.O. S.206 Nr.242 von 1308 VI 15, ebenfalls noch aus Poitiers. – Der Wunsch, Deutschlands Krone für Karl von Valois zu gewinnen, entspricht Vorstellungen, die Pierre Dubois um 1306 in der geheimen Denkschrift De recuperatione Terre Sancte 116 geäußert hatte; vgl. den Kommentar zum vorigen Regest gegen den mißverständlichen Verweis auf das Memorandum von 1308 bei Brabänder,Einflußnahme (1994) S.130 [im Belegapparat korrekt!]. – Dietmar,Beziehungen des Hauses Luxemburg (1983) S.75 vertritt folgendes Hypothesengebäude: »Da Philipp IV. mit seinen Plänen, seinem Bruder Karl von Valois den deutschen Thron zu verschaffen, erst am 9. Juni 1308 öffentlich hervortrat[, fehlte der Thronbewerbung des Luxemburgers, die schon unter dem 12. Mai 1308 mitbeurkundet worden war (oben Regest p),] jedes antifranzösische Moment[. Möglicherweise hatte Heinrich VII.] gerade vom französischen Hof Unterstützung seiner Pläne erhofft[. Somit] mußte [!] ihn das Auftreten Karls von Valois tief treffen[, zumal dann auch] von Paris aus [...] seine Kandidatur zu hintertreiben [versucht wurde (unten Regest ah § 5). Jedenfalls sei mit Wampach,UQB 7 (1949) S.54٭ anzunehmen, daß] Heinrich [...] durch die französische Kandidatur überrascht worden« sei. J.
Nachträge
Empfohlene Zitierweise
RI VI,4,1 n. r, in: Regesta Imperii Online,
URI: http://www.regesta-imperii.de/id/1308-06-09_1_0_6_4_1_18_r
(Abgerufen am 23.04.2024).