RI VI Rudolf I. - Heinrich VII. (1273-1313) - RI VI,4,1
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Heinrich [VII.], Graf von Luxemburg und Laroche sowie Markgraf von Arel, verspricht zusammen mit Herzog Johann von [Nieder-]Lothringen, Brabant und Limburg, mit Johann von Flandern als Graf von Namür und dessen Bruder Wido, mit Graf Gerhard [V.] von Jülich und mit Graf Arnold von Looz und Chiny (Jehans, par le grasce de Dieu dus de Lothr., de Braybant et de Lembourk, Henris cuens de Lussemburc, de la Roche et marchis d'Erlons, Jehans de Flandres cuens de Namur, Gerars cuens de Julers, Ernoulz cuens de Los et de Chini et Guis de Flandres, freres au dit conte de Namur) [1] dem hochedlen Grafen Wilhelm vom Hennegau, von Holland und Seeland sowie Herrn von Friesland (a haut homme et noble Guilliaume, par le grasce de Dieu conte de Haynnau, de Hollande, de Zelande et signeur de Frize) das Folgende: Sollte einer der Aussteller zum König von Deutschland gewählt werden (fust eslius roys d'Allemagne), wird dieser ihn in seinen hennegauischen Reichslehen bestätigen mit Ausnahme derjenigen, die im Hofgericht des Königs von Deutschland (en le court le roy d'Allemagne) zwischen den Grafen von Flandern und Hennegau strittig sind. [2] Der neue König wird den Grafen Wilhelm vom Hennegau und dessen Erben auch mit Holland, Seeland und Friesland belehnen und an der zügigen Entgegennahme von Treueid und Mannschaft (en foy et en hommage) auch nicht durch [andere] Wahlversprechen gehindert sein. Der neue König werde dem Grafen Wilhelm und dessen Erben alles überlassen, was er ihm von Reichs wegen abfordern könne; der Graf soll nur die üblichen Lehnspflichten übernehmen (pour le raison de sen hommage). [3] Sollte nicht einer von ihnen zum König von Deutschland gewählt werden, so wollen sie sich gemeinsam und jeder für seine Person (gleichwohl) für die Herstellung der geschilderten Verhältnisse zwischen Graf Wilhelm und dem neuen König einsetzen. [4] Werde der Hennegauer zum König gewählt, werde er sinngemäß verfahren. [5] Die Aussteller kündigen Besiegelung und Übergabe an Graf Wilhelm an. – A tous chiaus, ki ces presentes lettres verront et oront. Jehans, par le grasce de Dieu dus.
- Originaldatierung:
- Donn. a Nivelle, l'an de grasce mil CCC et VIII, le dousime jour dou mois de May
Überlieferung/Literatur
Drucke: *MGH Const. 4 I (1906) S.202f. Nr.238 aus dem hennegauischen Chartular III in Lille, AD, B 1584, hier mit Rubrum vor Nr.19: Des convenanches, ke li alloiet eurent au conte de Haynn., se li unz di aus (Wampach:ans) estoit roys d'Allem. – Wampach, UQB 7 (1949) S.236-238 Nr.1174 mit weiteren Nachweisen. – Regesten: Ebd. zum Text; fehlt bei Rödel, Königs- und Hofgericht 1292-1313 (1992) S.265f.
Kommentar
Da es sich bei diesem Text um das Exemplar für Graf Wilhelm I. vom Hennegau handelt, anderseits dessen Verhalten gegenüber den Ausstellern nur knapp angesprochen wird (§ 4), ist damit zu rechnen, daß für jeden der Vertragspartner eine ähnliche Urkunde ausgestellt werden sollte, wenn nicht gar ausgefertigt worden ist. Das dürfte erhebliche Zeit beansprucht haben, so daß die Tagesdatierung wohl eine solche der Handlung und nicht der Beurkundung gewesen ist. Daß es selbst mit einer solchen Einschränkung der Überlegung bedarf, ob in der Versammlung zu Nivelles wirklich nachträglich noch die Nachricht von der Ermordung König Albrechts I. an der Reuss zur Kenntnis genommen werden konnte, wird durch die Hypothese erzwungen, Heinrich VII. habe in Nivelles mitverhandelt, »ohne von der Ermordung König Albrechts I. (1. Mai 1308) bereits Kenntnis zu haben«; so Heinz Thomas in: Lex. des MA. 4 (1989) Sp.2048 und Kamptner,Zeitgeschichte (...1997) S.54, beide übrigens mit 11. (statt 12.) Mai 1308 und anscheinend in Wendung gegen Friedrich Schneider,Kaiser Heinrich VII. 1 (1924) S.10, ungefähr = dens.,Dantes Kaiser (1943) S.19. Inwiefern eine entsprechend schnelle Verbreitung der Todesnachricht möglich gewesen ist, sucht Jäschke, Europa um 1300 (1999) S.101-104 abzuklären. Ohnehin hatten schon eine Woche nach der Mordtat der Speyrer Bischof Sigiboto II., von Lichtenberg, und Graf Friedrich IV. von Leiningen der Stadt Landau eine Schutzurkunde ausgestellt, die uff einen kunftigen kunig gelten sollte, und zwar in disen ziten, van unser herre selige kunig Albrecht von Rome leider dot ist; Remling,UB der Bischöfe zu Speyer 1 (1852) S.459 Nr.486 zu 1308 V 2 [!], zu 1308 V 8 korrigiert bei dems.,Geschichte der Bischöfe zu Speyer 1 (1852) S.564f. mit A.1448. Unter dem 9. Mai 1308 wurde der Schutzvertrag dieses Speyrer Bischofs und Heinrichs von Fleckenstein des Jüngeren mit der Stadt Hagenau beurkundet, ergänzt durch denselben Bischof und Johann von Lichtenberg unter dem 19. August 1308; Hanauer/Klélé, Altes Statutenbuch von Hagenau (1900) S.63. – Vor einer Überbewertung des »Wahlbündnisses [...] zum deutschen Kaiser [!]« warnt mit einigem Recht Roscheck, Französische Kandidaturen (1984) S.73f. – Eine irgendwie geartete Vorrangstellung Graf Heinrichs VII. als des vom Vorgänger gewünschten Nachfolgers, wie dies Johann von Viktring mit seiner Erzählung von entsprechenden Äußerungen König Albrechts I. unterstellt (vgl. oben Regest n), ist in dieser Vereinbarung noch nicht zu erkennen. – Reminiszenz dieses Wahlbündnisses in Kombination mit Wissen um die Vielzahl von Kurfürsten könnte sein, was Giovanni Villani, Cronica VIII 101 über eine im übrigen kurial inspirierte Wahl Graf Heinrichs von Luxemburg im (seeländischen) Middelburg fabuliert, wo Schreiben von Papst und Kardinal acht Fürsten aus Deutschland erreicht haben sollen: [...] giunti i messaggi nella Magna e presentate le lettere, in otto dì i prencipi della Magna furono congregati a Midelborgo, e ivi sanza niuno discordante elessero a re de' Romani Arrigo, conte di Lusimborgo; Gherardi Dragomanni2 (1848) S.135 = Nuova cronica IX 101:87-91 bei Porta2 (1991) S.196f. mit Luzzimborgo. Die Verortung in Seeland fixiert Villani in Cronica VIII 76 S.98 = Nuova cronica IX 76:22-26 S.143f.
Nur zwei Tage später beurkundeten Bischof und Domkapitel zu Eichstätt ein fünfjähriges Bündnis mit den Pfalzgrafen bei Rhein und Baiernherzögen Rudolf I. und Ludwig IV. gegen jedermann mit Ausnahme des Reichs, wenn es [wieder] einen allgemein anerkannten König hat: an wider daz riche, ob ez einen pfleger gewinnet, den man gemain[i]chlichen f~r einen ch~nich hat; MGH Const. 4 II (1908-11) S.1230f. Nr.1176 vom 14. Mai 1308 aus Ellingen, bei Böhmer,Regesten 1246-1313 (1844) S.375 Nr.269; Heidingsfelder,Bischöfe von Eichstätt 6 (1927) Nr.1408 regestiert die Gegenurkunde der Herzöge vom selben Ort und Tag. Folgt man Hinweisen bei Sprinkart,Kanzlei der Pfalzgrafen (1986) S.86 zu Hand l in Verbindung mit S.498 Nrn.858f. und S.500 Nr.877, stammen wohl beide Urkunden von der Hand jenes wittelsbachischen Amtsträgers, der auch den Beistandspakt der Wittelsbacher mit Bischof Andreas von Würzburg aus Au (unten Regest w) mundierte. – Als knapp drei Wochen später ein vergleichbarer Zehnjahresvertrag mit den Wittelsbacher Brüdern durch den Speyrer Bischof Sigibodo II., von Lichtenberg, in Heidelberg beurkundet wurde, war von der Vakanz des Königsthrons keine Rede mehr; das Übereinkommen sollte lediglich ane wider unser herren gelten; Wittmann/Muffat,Monumenta Wittelsbacensia2 (1861)S.151 Nr.229 vom 1. Juni 1308. Ende Mai 1308 hatten Domkapitel und Stadt Augsburg ihren Bündnisvertrag mit der Stadt Ulm zwar vom kommenden Martinstag an auf ein Jahr befristet, aber mit automatischem Ende bei einmütiger Königswahl: ez geschæhe denne, daz ein ainm~tiger kunech erwelt wurde. Bündnisgrund war die Furcht vor Unfriede nach dem Königstod: [...] do unser herre kunech Albrecht starb, [...] do forhten wir, daz daz lant in unfride geviele [...]; MGH Const. 4 II S.1232 Nr.1177 § 4 bzw. S.1231 § 1 vom 31. Mai 1308. In gleicher Weise wurde das Bündnis (ainung) vom übernächsten Tag – übrigens der Pfingstsonntag 1308 –, das für die pfalzgräflichen und herzoglichen Brüder durch das anhaltend vakante Bistum und die Stadt Augsburg festgehalten wurde, auf rund anderthalb Jahre befristet, um nach König Albrechts I. Tod Unfriede zu verhindern: wan wir in vorhten waren, do [...] ch~nige Albreht starb, daz daz bist~m und di~ stat ze Auspurch und auch ~nserr [!] herren lant [...] in unfride gevielen; ebd. S.1232ff. Nr.1178 vom 2. Juni 1308, hier S.1232 § 1. Laut § 7 S.1233 sollte es nur bei Ausbleiben der einmütigen Königswahl bis Martini 1308 und dann noch ein Jahr gelten: Ez wær danne, daz in der frist ain ainm~tichlicher erwelter ch~nick erwelt wurde, so ist der bunt ouz. Der Augsburg-Ulmer Vertrag wird als »das erste, unter Berufung auf ein Interregnum selbständig geschlossene Städtebündnis in Schwaben« gewertet bei Hofacker,Schwäbische Reichslandvogteien (1980) S.180. – Daß nach dem Schreck über den Königsmord beim späteren [Kloster] Königsfeld der Unfriede nicht im befürchteten Umfang um sich griff, hat Cristân der Kuchimaister, Nüwe Casus Monasterii Sancti Galli, im Kapitel Von abt Hainrich von Ramstain resümiert: Am Mittwochmorgen (= 1. Mai 1308) ward der küng erslagen, da ietz Küngsuelt stât. Do erschrak alles das land und vorcht unfrid, und belaib doch daz land bas denn man sich versach; ed. von Nyffenegger (1974) S.92, bei Meyer von Knonau(1881) S.314 § 74 mit historischem Kommentar. J.
Nachträge
Empfohlene Zitierweise
RI VI,4,1 n. p, in: Regesta Imperii Online,
URI: http://www.regesta-imperii.de/id/1308-05-12_1_0_6_4_1_16_p
(Abgerufen am 25.04.2024).