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RI IV Lothar III. und ältere Staufer (1125-1197) - RI IV,2,4

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Hoftag (Mainzer Pfingstfest): Friedrich feiert einen ungemein prächtigen Hoftag, unter dessen Teilnehmern sich alle Fürsten des Reiches, nämlich die der Franken, der Deutschen, der Slawen, Italiker, aus Illyrien bis nach Spanien sowie Fürsten aus den benachbarten Königreichen, insgesamt eine ungeheure Menge an Menschen befinden. Wegen der großen Zahl der Teilnehmer hat er zu diesem Anlass auf der Rheinebene außerhalb der Stadt eigene Baulichkeiten errichten lassen, nämlich eine große Kirche, eine Pfalz und unzählige andere Gebäude aus Holz. Die Verpflegung mit Lebensmitteln und Wein ist aufs Beste geregelt. Die vier Hofämter, nämlich die des Truchsessen, des Mundschenk, des Kämmerers und des Marschalls, werden ausschließlich von Königen, Herzögen und Markgrafen ausgeübt. Als Teilnehmer zählt man (Gislebert von Mons, siehe oben Reg. 2760) 70.000 Ritter, wobei Herzog (Friedrich) von Böhmen 2.000, Herzog Leopold (V.) von Österreich 500, Herzog (Bernhard) von Sachsen 700, Pfalzgraf (Konrad) bei Rhein über 1.000, Landgraf (Ludwig) von Thüringen über 1.000, Erzbischof Konrad von Mainz, der Verwandte des Kaisers, 1.000, Erzbischof Philipp von Köln, der Verwandte des Grafen Balduin (V.) von Hennegau, 1.700, Erzbischof (Wichmann) von Magdeburg 600 und Abt (Konrad) von Fulda 500 Ritter im Gefolge mit sich führen. Anwesend sind des Weiteren – entsprechend den Einladungen, die an alle in Bayern, Sachsen, Schwaben, Franken, Österreich, Böhmen, Burgund und Lothringen ergangen waren (siehe Reg. 2753) – die Erzbischöfe (Rudolf) von Trier, (Siegfried) von Bremen und (Theoderich) von Besançon, die Bischöfe (Konrad) von Regensburg (Gislebert: archiepiscopo Resneburgensi), Roger von Cambrai, Rudolf von Lüttich, (Bertram) von Metz, (Petrus) von Toul, (Heinrich) von Verdun, (Balduin) von Utrecht, der Verwandte des Grafen von Hennegau, (Konrad) von Worms, (Ulrich) von Speyer, (Heinrich) von Straßburg, (Heinrich) von Basel, (Hermann) von Konstanz, (Heinrich) von Chur, (Reinhard) von Würzburg, (Otto) von Bamberg, (Hermann) von Münster und (Adelhog) von Hildesheim, die Äbte von Großkomburg (Camberc), von Lorsch (oder: Lorch? – Gislebert: Lorcensi) und (Gregor) von Prüm, die Fürsten Herzog Ludwig (Gislebert: irrig Otone) von Bayern, Pfalzgraf Otto der Jüngere (Gislebert: irrig Theoderico) von Bayern, der Bruder des Herzogs, Herzog Welf (VI.) (Gislebert: irrig Welffone duce Bawarie), der Oheim des Kaisers, Landgraf (Otto von Steffling) von Bayern, Herzog Berthold von Zähringen, der Verwandte des Grafen von Hennegau, Markgraf (Otto I.) von Brandenburg, Markgraf (Otto) von Meißen, Markgraf (Otakar; recte: Herzog) von Steiermark, Herzog (Simon) von Nancy (= Oberlothringen), Graf Gerard von Vienne (Gislebert: Vienne super Rodanum), der Oheim der Kaiserin, Pfalzgraf (Rudolf) von Tübingen und zahlreiche andere geistliche und weltliche Fürsten, Grafen, Edle und Ministerialen. Graf Balduin (V.) von Hennegau ist gemäß früher getroffenen Vereinbarungen (siehe Reg. 2752) mit prächtigem Gefolge erschienen (siehe Reg. 2760) und erreicht hier den Abschluss eines Vertrages über das Erbe des Grafen von Namur und Luxemburg (siehe dazu Reg. 2764). Graf (Philipp) von Flandern entsendet seinen sigillarius, den Kleriker und Propst von Lille, Gerard von Messines, sowie den Ritter Radulf von Hazebrouck als seine Boten an den Hof, die entgegen der Zusage, sich für die Sache des Hennegauers zu verwenden, diesem gerne – falls dies möglich gewesen wäre – geschadet hätten. Die Boten des Flandrers erlangen allerdings die Zusage König Heinrichs (VI.), ihn gegen König (Philipp II. August) von Frankreich zu unterstützen. Am Pfingstsonntag (= 20. Mai) zeigen sich der Kaiser, seine Gemahlin, Kaiserin (Beatrix), und sein Sohn, König Heinrich (VI.), im Schmuck der Kronen. Das Recht, zu diesem Anlass das Reichsschwert voranzutragen, wird von den Herzögen (Friedrich) von Böhmen, Leopold (V.) von Österreich und Bernhard von Sachsen, Pfalzgraf Konrad bei Rhein, dem Bruder des Kaisers, und von Landgraf (Ludwig) von Thüringen, dem Neffen des Kaisers, die mit großem Gefolge auf dem Hoftag erschienen sind, jeweils für sich reklamiert. Der Kaiser gewährt es aber dem Hennegauer Grafen, was ohne Widerspruch akzeptiert wird. Ebenfalls am Pfingstsonntag (= 20. Mai) führt Abt (Konrad) von Fulda in der eigens errichteten Kirche außerhalb der Stadt vor dem Kaiser und den versammelten Fürsten Klage darüber, dass der Erzbischof von Köln dem Kloster Fulda das alte Vorrecht streitig mache, bei in Mainz gefeierten, allgemeinen Hoftagen zur Linken des Kaisers zu sitzen, während der Mainzer Erzbischof zur Rechten Platz nehmen dürfe. Als Erzbischof (Philipp) von Köln widerstrebend nachgibt, zugleich aber in seine Herberge zurückkehren und sich ihm eine Reihe seiner Lehnsleute, darunter Pfalzgraf (Konrad) bei Rhein, Herzog (Gottfried) von Brabant und Graf (Rupert) von Nassau, anschließen möchte, außerdem Landgraf (Ludwig) von Thüringen als Fuldaer Lehnsmann die Partei des Abtes ergreift, versuchen König Heinrich (VI.) und der Kaiser selbst, den Kölner zum Bleiben zu bewegen. Als nun dieser seinerseits über dieses Ansinnen beredte Klage führt und auf seine vor Alessandria (siehe etwa oben Reg. 2111) und Braunschweig (siehe Regg. 2605 und 2606) erworbenen Verdienste um das Reich verweist, lenkt der Kaiser ein, belässt dem Kölner seinen Ehrenplatz und weist Abt Konrad einen niedrigeren zu. Friedrich krönt (wohl während dieses Hoftages) Richter Petrus von Arborea zum König von Sardinien (Ann. Aquenses). Am Pfingstmontag (= 21. Mai) erhalten die Söhne des Kaisers, König Heinrich (VI.) und Herzog Friedrich von Schwaben, nach einer feierlichen Messe die Schwertleite. Aus diesem Anlass spenden der Kaiser und die beiden neuen Ritter, aber auch alle Fürsten und andere Edlen, die damit nicht nur den Kaiser und dessen Söhne ehren, sondern auch den eigenen Ruhm mehren möchten, den Rittern, den Gefangenen, denen, die als Kreuzfahrer ins Heilige Land ziehen wollen, und den männlichen und weiblichen Spielleuten (Gislebert: joculatoribus et joculatricibus) Pferde, kostbare Kleider, Gold und Silber. Am Pfingstmontag (= 21. Mai) und am darauf folgenden Dienstag (= 22. Mai) schließen sich an das Mahl jeweils große Turniere ohne den Einsatz von Waffen (Gislebert: Gyrum autem sine armis fuit; in scutis etenim gerendis et hastis et baneriis et cursu equorum absque ictibus delectabantur milites.), an denen die Söhne des Kaisers und mehr als 20.000 Ritter teilnehmen. Auch der Kaiser selbst nimmt daran teil, wobei ihm Graf Balduin (V.) von Hennegau die Lanze tragen darf. An diesem Dienstag (= 22. Mai) erhebt sich dann gegen Abend (Gislebert: ad vesperam; Otto von St. Blasien: in der Abenddämmerung) ein heftiger Westwind, der die Kapelle des Kaisers und einige der auf der Rheinebene für diesen Hoftag neu errichteten Gebäude, darunter die aus Holz errichtete Pfalz und auch viele Zelte, zerstört. Einige Menschen kommen dabei um (Arnold von Lübeck: 15 Männer kommen zu Schaden). Das (für die Woche darauf) nach Ingelheim ausgeschriebene Turnier (siehe dazu oben Reg. 2752) wird auf Rat der Fürsten vertagt. Der (abgesetzte und im englischen Exil lebende) Herzog Heinrich (der Löwe), der unter dem Schutz Erzbischof Konrads von Mainz auf dem Hoftag erscheint, kann beim Herrscher keine Gnade finden (Cron. s. Petri Erford. mod.).

Überlieferung/Literatur

Arnoldi Chron. Slavorum l. III cap. 9 und 10, MG. SS XXI, 151–153 und 154; Gislebert von Mons, ed. Vanderkindere, 155 ff.; Ann. Marbacenses, ed. Bloch, MG. SS rer. Germ. in us. schol., 54 = ed. Schmale, Freiherr vom Stein-Gedächtnisausgabe XVIIIa, 168; Otto von St. Blasien, Chronica, ed. Hofmeister, MG. SS rer. Germ. in us. schol., 37 f. = ed. Schmale, Freiherr vom Stein-Gedächtnisausgabe XVIIIa, 76 ff. (Abreise von Mainz am Mittwoch nach Pfingsten = 23. Mai, siehe aber Reg. 2766); Cron. s. Petri Erford. mod., ed. Holder-Egger, MG. SS rer. Germ. in us. schol., 192 (irrig: Herzog Konrad, statt: Friedrich von Schwaben; zu Heinrich dem Löwen); Ann. Aquenses, MG. SS XXIV, 39 (zur Krönung des Petrus von Arborea); Ann. Augustani min., MG. SS X, 9; Ann. s. Disibodi, MG. SS XVII, 30; Ann. s. Georgii, MG. SS XVII, 297 = Hofmeister, Annalen von St. Georgen, ZGORh N.F. 33 (1918) 47 (ohne Datum: Schwertleite der Söhne des Kaisers, Krönung Heinrichs VI. mit Zustimmung der geistlichen und weltlichen Fürsten); Ann. s. Pauli Virdunensis, MG. SS XVI, 501; Ann. Pegav., MG. SS XVI, 265; Ann. Ratisponenses, MG. SS XVII, 589; Ann. s. Rudberti Salisburg., MG. SS IX, 777; Ann. Spirenses, MG. SS XVII, 83; Ann. Stadenses, MG. SS XVI, 350; Ann. Welfici Weingart., ed. König (Schwäb. Chroniken d. Stauferzeit 1,21978) 92; Burchard von Ursberg, ed. Holder-Egger – Simson, MG. SS rer. Germ. in us. schol., 57 (zu 1181); Chounradi Schirensis Annales, MG. SS XVII, 630; Chron. Montis Sereni, MG. SS XXIII, 159 (nennt nur König Heinrich als Empfänger der Schwertleite); Chron. reg. Col., ed. Waitz, MG. SS rer. Germ. in us. schol., 133; Cont. Admunt., MG. SS IX, 555; Cont. Claustroneoburg. III., MG. SS IX, 633; Cont. Cremifanensis, MG. SS IX, 546; Cont. Garstensis, MG. SS IX, 594 (Schwertleite und Krönung Heinrichs VI.); Cont. Zwetlensis altera, MG. SS IX, 542 (Schwertleite am Pfingstsonntag; Sturmunglück am Pfingstmontag); Cron. Reinhardsbrunn., MG. SS XXX/1, 541; Ex gestis sanctorum Villariensium, MG. SS XXV, 220 f. (Erzbischof Philipp von Köln fürchtet während des Mainzer Hoftags um sein Leben und erwählt deshalb den Ritter Karl, den späteren Abt von Villers-en-Brabant, als seinen specialis custos); Hermanni Altah. Ann., MG. SS XVII, 384 (irrig: Herzog Konrad, statt: Friedrich von Schwaben); Ex Radulfi de Diceto Ymaginibus historiarum, MG. SS XXVII, 261 (zu 1183) und 274 (zu 1184); Wattenbach, Aus dem zwölften Jahrhundert, NA 1 (1876) 186 ff.; vgl. Böhmer-Will, Regg. Mainz II/2, no 102, Knipping, Reg. Köln 2, no 1224, no 1226 und 1227, sowie B.-Baaken Reg.2c, 2d und 2e.

Kommentar

Zum Mainzer Pfingstfest, wohl dem herausragendsten „Ritterfest“ der Epoche, vgl. Giesebrecht – Simson, Kaiserzeit VI, 63 ff., Fleckenstein, Barbarossa und das Rittertum, in: FS. Hermann Heimpel 2 (Veröff. des Max-Planck-Instituts für Geschichte 36/2, 1972) 1023 ff., Wolter, Mainzer Hoftag, in: Feste und Feiern im Mittelalter, hg. von Altenburg – Jarnut – Steinhoff (1991) 193 ff., sowie zuletzt Keupp, Ökonomie und Logistik der Hoffeste, in: Die Staufer und Italien, Bd. 1 (2010), 277, und Lubich, Mainzer Hoffest, in: Staufisches Kaisertum im 12. Jahrhundert, hg. von Burkhardt, Metz, Schneidmüller und Weinfurter (2010) 277–293, insbesondere 286 (mit Hinweisen auf die maßgebliche Literatur), mit dem freilich wenig passenden Referenzpunkt im Woodstock-Festival von 1969. – Das Pfingstfest wurde von den Dichtern der Zeit, darunter vor allem durch Heinrich von Veldeke in seiner „Eneid“ und durch den großen Troubadour Guiot de Provins, die beide an diesem Hoftag teilnahmen, gerühmt, vgl. dazu Wentzlaff-Eggebert, Hoftag Jesu Christi (Inst. f. europäische Gesch. Mainz, Vorträge 32, 1962) 6 f., Störmer, Königtum und Kaisertum in der mittelhochdeutschen Literatur, in: Friedrich Barbarossa (VuF 40, 1992) 581 ff., sowie Ganz, Hof und Kultur, in: Friedrich Barbarossa (VuF 40, 1992) 641 f. – Während dieses Hoftages stellten Erzbischof Konrad von Mainz und auch Äbtissin Sophia von Altmünster Urkunden aus (Acht, Mainzer UB. II/2, 749 no 460, 751 no 461 und 752 no 462), deren Zeugenlisten im Hinblick auf den Kreis der damals in Mainz versammelten Persönlichkeiten von Interesse sind; vgl. des Weiteren auch die im Mai 1184 in Mainz ausgestellte Urkunde des Pfalzgrafen Konrad bei Rhein für Schönau, ed. Gudenus, Sylloge, 32 no 13 (Christ, Schönauer und Lobenfelder Urkunden, Mannheimer Geschichtsblätter 5, 1904, 132 no 20) sowie die Datierung einer Urkunde Bischof Martins von Meißen von 1185 (vor September 6), ed. Posse. CD. Sax. reg. I/2, 353 ff. no 512 (Regest bei Dobenecker, Reg. Thur. II, no 717). – Zur Finanzierung des glänzenden Festes siehe oben Regg. 2732 und 2736. Zu den Rangstreitigkeiten zwischen dem Kölner Erzbischof und dem Abt von Fulda, die am Pfingstsonntag nur mit Mühe beigelegt werden konnten, vgl. Spiess, Rangdenken und Rangstreit im Mittelalter, in: Zeremoniell und Raum (Residenzenforschung 6, 1997) 53 f. mit Anm. 70; zu dem durch den Kölner Erzbischof als specialis custos erwählten Ritter Karl „von der Salzgasse“, dem späteren Prior der Zisterze Heisterbach und Abt von Villers-en-Brabant, vgl. die weiterführenden Hinweise bei Zotz, Rittertum und Bürgertum, in: Institutionen, Kultur und Gesellschaft im Mittelalter. FS. für Josef Fleckenstein (1984) 610 ff., und Oberweis, Himmerod, in: Grundherrschaft – Kirche – Stadt zwischen Maas und Rhein während des hohen Mittelalters, hg. von A. Haverkamp und F. G. Hirschmann (Trierer Historische Forschungen 37, 1997) 339 ff. Zur Anwesenheit Heinrichs des Löwen vgl. Engels, Entmachtung, in: Ders., Stauferstudien (1988) 121 f. Zu Sardinien siehe schon oben Reg. 1338 (Krönung von Petrus’ Bruder Bareso im Jahre 1164). Mit einiger Gewissheit wird man auch die im Lippflorium des Justinus von Lippstadt überlieferten Ereignisse, die hoch interessante kulturgeschichtliche Einblicke zulassen, auf das Mainzer Pfingstfest von 1184 beziehen dürfen, siehe dazu unten Reg. 3308.

Nachträge

Nachträge (1)

Nachtrag von Enrico Mölders, eingereicht am 21.10.2018.

Markgraf Otto I. war zum Mainzer Hoftag bereits verstorben. Der von O. v. Heinemann angegebene Todestag vom 8. Juli 1184, welcher in der Allgemeinen Deutschen Biographie Band 25 Einzug gefunden hat, wurde von G. Sello (Forschungen zur br. & pr. Geschichte) widerlegt und auf den 7. März 1184 korrigiert. Zwischenzeitlich hat das korrigierte Datum n der Neuen Deutschen Biographie, Band 19 Einzug gefunden. Der Sachverhalt ist deswegen von Relevanz, da es bedeutet, dass seit Albrecht dem Bären, dreimal in Folge ein Askanier das Hofamt des Kämmers ausübte, woraus sich wohl spätestens seit Markgraf Otto II. ein dauerhafter Amtsanspruch ableiten lässt und demzufolge das spätere Kurrecht.

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Empfohlene Zitierweise

RI IV,2,4 n. 2762, in: Regesta Imperii Online,
URI: http://www.regesta-imperii.de/id/1184-05-20_2_0_4_2_4_183_2762
(Abgerufen am 20.04.2024).