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RI IV Lothar III. und ältere Staufer (1125-1197) - RI IV,1,1

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Lothar macht bekannt, daß er im Kloster Montecassino - der Begräbnisstätte des hl. Benedikt und der besonderen Kammer (specialis camera) der römischen Kaiser - an die Stelle des Eindringlings Rainald den an seinem Hof genehmen (curię nostrę acceptum) Wibald von Stablo als Abt eingesetzt hat, nachdem Papst Innozenz (II.) erst nach langem Streit und Vorlage von Urkunden zugegeben habe, daß das Recht der Verleihung dieses Klosters (huius ecclesię dispensatio et ordinatio) den Kaisern gebühre, dem Papst hingegen die Weihe des Abtes sowie der Empfang einer Mahlzeit auf dem Wege nach und von Benevent. Er nimmt Montecassino nebst Zubehör in genannten Grenzen in seinen Schutz, bestätigt, was ihm seit Kaiser Justinian im römischen Reich an genannten Klöstern, Zellen, Kirchen, Ländereien, Kastellen und Grafschaften übertragen worden ist - die hier nicht wiedergegebene Besitzliste umfaßt 651 Namen -, gewährt die Immunität und die Befreiung vom Fodrum (ut nullus iudex aut publicus exactor aut imperialis aliquo tempore expeditio [!]fotrum aut tributa aut fideiussores tollendas ... existimet), überweist die vom kaiserlichen Fiskus beanspruchten oder erwarteten Abgaben aus dem Klosterbesitz zu seinem und seiner Nachfolger Seelenheil dem Lichtergut (luminaria) des Klosters, verbietet, die Mönche zum Eide zu zwingen und die aus kaiserlicher Stiftung stammenden Immobilien zu verkaufen oder zu entfremden, gewährt dem Konvent den ausschließlichen Gerichtsstand vor dem Kaiser und Abt Wibald und seinen Nachfolgern gemäß Dekreten der Päpste und Privilegien der Kaiser in allen Versammlungen den ersten Platz und die erste Stimme vor allen Äbten, setzt die freie und kanonische Abtswahl und die kaiserliche Investitur des Elekten mit dem Szepter beziehungsweise die Anzeige der Wahl an den kaiserlichen Hof fest (electum nobis per sceptrum investiendum representent aut per nuncios puritatem electionis suę curię nostrę declarent), wobei die Herberge der Boten auf einem Italienzug bei den Hofkapellänen sein (si nos in expeditione nuncii invenerint, capellanis curię nostrę pro hospitio iuxta morem antiquum iungantur) und nach der Rückkehr vom Hof der Investierte (investitus) dem päpstlichen Stuhl zur Weihe präsentiert werden soll, und behält sich bei strittiger Wahl die Einsetzung des Abtes vor. Er bestimmt ferner, daß jeder - gleich welcher Herkunft und welchen Standes -, der auf Land des hl. Benedikt umsiedelt (omnis homo cuiuslibet nationis aut conditionis demigrans ad terram beati Benedicti) vor fremden Ansprüchen sicher sein, die Freiheit der Terra genießen und nur, wenn er Land auch noch von einem anderen besitzt, diesem dafür pflichtig sein soll (si terram alteram quisquam beati Benedicti possidet, de possessione tantum alterius ei á quo possidet respondeat). Z.: Patriarch Peregrin von Aquileia, die Erzbischöfe Albero von Trier und Konrad von Magdeburg, die Bischöfe Heinrich von Regensburg, Albero von Lüttich, Andreas von Utrecht, Heinrich von Toul, Meingot von Merseburg, Anselm von Havelberg, Adalbero von Basel, Ulrich von Konstanz, die Äbte Konrad von Fulda, Otto von Reichenau, Rainald von Murbach, Anno von Lüneburg, die Herzöge Heinrich von Bayern - Schwiegersohn des Kaisers -, Konrad von Schwaben (de Sueuia), Ulrich von Kärnten, die Pfalzgrafen Otto bei Rhein (de Reno) und Otto von Bayern; die Markgrafen Konrad von Meißen, Manfred de superiore Italia und Friedrich von Ancona, die Grafen Poppo von Andechs, sein Bruder Bertolf, Gebhard von Burghausen, Verwandter des Kaisers (Burghysin, consobrinus imperatoris), Werner und Ulrich von Lenzburg, Guido von Biandrate und Malaspina. - Ego Ekkardus vice Henrici archicancellarii et Ratisponensis episcopi recognovi; geschrieben von Engelbert; verfaßt von Petrus Diaconus und Ekkehard A = Bertolf unter Verwendung folgender Vorlagen: DH.II. †531 (VU. I), DH.III. 184 (VU. II), die Privilegien Urbans II. (JL †5447; Kehr, It. Pont. 8 S. 152 Nr. †136) (VU. III), Calixts II. von 1122 (JL 6984; Kehr, a.a.O. S. 168 Nr. 201) (VU. IV), Zacharias' I. (JL †2281; Kehr, a.a.O. S. 121 Nr. †22) (VU. V), DKdGr †255 (VU. VI), die angebliche Urkunde des Patricius Tertullus, hg. L. Tosti, Storia della badia di Monte-Cassino tom. 1, Napoli 1842 S. 77f., vgl. das Privileg Zacharias' I. (JL 2283; Kehr, a.a.O. S. 122 Nr. †24) (VU. VII), möglicherweise DKdGr †158 (VU. VIII, wenn statt ihrer Besitzliste nicht jene der VU. II benutzt wurde), DH.II. †530 (VU. IX), DH.II. 466 (VU. X), DLu.II. BM2 †l237, Böhmer/Zielinski Nr. †269 (VU. XI), DO.II. 254 a (VU. XII), Einzel- und zumeist Privaturkunden (VU. XIII), die Urkunde des Bischofs Vitus von Alife von 1020 (Erasmus Gattula, Historia abbatiae Cassinensis 1, Venetiis 1733 S. 32) (VU. XIV), die Urkunde der Äbtissin Raimburga in Leveriano von 1032 (Erasmus Gattola, Ad historiam abbatiae Cassinensis accessiones, Venetiis 1734 S. 129) (VU. XV) und das Memoratorium Bertharii, hg. H. Bloch, Monte Cassino in the Middle Ages 2, Roma 1986 S. 901ff. B. Ad Romani imperii.

Originaldatierung:
(Xo kal. octobres, Aquinum)

Überlieferung/Literatur

Or.: Montecassino, Archiv, Aula III, Capsula X, Cassetto I Nr. 4 (A). Kop.: Ebenda, Aula III, Capsula X, Cassetto II Nr. 49, Abschrift von Ende 12. Jh. in Diplomform (B). Drucke : Margarini, Bullarium Casinense vol. 2 S. 153 Nr. 162. Erasmus Gattola, Ad historiam abbatiae Cassinensis accessiones, Venetiis 1734 S. 250. E. Caspar, Petrus Diaconus und die Monte Cassineser Fälschungen, 1909 S. 239 Nr. 6. DLo.III. 120. Reg.: Goerz, Regesten Erzbischöfe Trier S. 17. Ladewig/Müller, Regesten Konstanz 1 Nr. 793. Posse, Cod. dipl. Saxoniae Regiae 1, 2 S. 87 Nr. 120. Muller/Bouman, OB Sticht Utrecht 1 S. 332 Nr. 364. Kocher, Solothurner UB 1 S. 38 Nr. 51. T. Leccisotti, Abbazia di Montecassino. I Regesti dell'Archivio vol. 2 (Pubblicazioni degli Archivi di Stato 56) Roma 1965 S. 33f. Nr. 4. Stumpf 3354.

Kommentar

Außer der Edition in den DDLo.III. haben alle Drucke statt des Or. (A) die etwa fünfzig Jahre später, vielleicht zur Erlangung der NU. Heinrichs VI. von 1191 (BÖHMER/ BAAKEN Nr. 152) angefertigte urkundenförmige Abschrift B zur Vorlage genommen. Auf die ehemalige Bullierung von A weisen die vier bei aufgefalteter Plica rautenförmig angeordneten Löcher mit einem Durchmesser von je etwa 3 mm hin. Schnüre fehlen. Fragmente der Bulle werden in der Abtei gesondert verwahrt. Abbildungen s. bei POSSE, Die Siegel der deutschen Könige und Kaiser 1 Tf. 20 Nr. 5, 6, und M. INGUANEZ, Diplomi Cassinesi con sigillo d'oro (Miscellanea Cassinese 7) Montecassino 1930 Tf. 1. In der Bulle ist durch ein Goldröhrchen eine Hanfschnur geführt, s. F. v. REINÖHL, Die Siegel Lothars III., in: NA 45 (1924) S. 279. An B befinden sich ein Faden aus gelber Seide von 80 mm Länge und ein wohl neuzeitliches gelbes Band. Zu dieser Anbringungsart passen nicht die in der Bulle erhaltenen Hanfreste, so daß die Bulle ursprünglich nicht zu B gehören kann. Die Abb. bei GATTOLA, Ad historiam abbatiae Cassinensis abbatiae accessiones Tf. VIII, zeigt, daß von ihr im 18. Jh. noch mehr erhalten war. - Die Urkundenfaksimilia bei LECCISOTTI, a.a.O. nach S. 224 Tf. IX, L. FABIANI, La terra di S. Benedetto vol. 2 (Miscellanea Cassinese 34) Montecassino 1968, nach S. 432, und BLOCH, Monte Cassino in the Middle Ages 3, Roma 1986 S. 1319-1321 (fig. 283-285), bilden nicht das Or., sondern B ab. - Eine zusammenfassende Erläuterung des Diploms bietet CASPAR, Petrus Diaconus S. 187-195. Zum Diktat und den zumeist von Petrus Diaconus gefälschten und zusammengestellten Vorlagen s. CASPAR, S. 188-193, HIRSCH/ OTTENTHAL, DLo.III. 120, Vorbemerkung, und grundlegend BLOCH, a.a.O., vol. 2 S. 772f., 806-809, 893ff., 900. BLOCH, führt aus, daß die Chronik von Montecassino, welche HIRSCH/ OTTENTHAL als VU. XIII angeführt haben, von Petrus Diaconus nicht ausgeschrieben wurde. HIRSCH/ OTTENTHAL, vol. 2 S. 900, schlägt dagegen vor, für eine zukünftige Neuedition die Sigle XIII für "Individual documentary sources, mainly private" vorzusehen, welche von HIRSCH/ OTTENTHAL längst nicht alle angeführt werden. Vgl. zu diesen Quellen BLOCHS Kommentar zur Besitzliste S. 776ff. Hauptquellen des Petrus Diaconus für unser Diplom waren VUU. II, IV, VI und das Memoratorium Bertharii, vgl. BLOCH, a.a.O. S. 772f. Die Namen verschiedener Besitzungen sind durch Petrus entstellt, vgl. BLOCH, a.a.O. S. 808 Nr. 192, S. 854 Nr. 439. - Der Mundator Engelbert schrieb mehr Buch- als Diplomschrift, vgl. PETKE, Lothar S. 72. - Zur nachdrücklichen Behauptung, daß Montecassino die Gebeine Benedikts berge, vgl. CASPAR, a.a.O. S. 181. Zur Bezeichnung Montecassinos als specialis camera der Kaiser vgl. M. INGUANEZ, Montecassino camera imperiale, in: Atti del V. congresso nazionale di studi romani 3 (1942) S. 34-37; ein ähnlicher, die Unterstellung unter den Kaiser bezeichnende Ausdruck (imperialis camera) ist auch auf die Abtei Casauria angewandt worden, s. oben Reg. 570, vgl. CASPAR, a.a.O. S. 188 Anm. 6. - Zur Absetzung Abt Rainalds I. und Wahl Wibalds s. Reg. 630, 631. Zu dem Ehrenvorrecht der dem Papst auf der Reise nach und von Benevent zu gewährenden Mahlzeit und der darin ausgedrückten Reduktion der päpstlichen Ansprüche auf Montecassino vgl. CASPAR, a.a.O. S. 187f. - Zu der im Regest nicht wiedergegebenen Besitzliste - mit ihren 651 Namen von Kirchen, Siedlungen und Kastellen eine der umfangreichsten, die je in ein Diplom aufgenommen worden ist -, zu ihrem Aufbau und zur Geschichte der einzelnen Besitztitel s. BLOCH, a.a.O., vol. 2 S. 771 ff., 776ff. - Zur Befreiung vom königlichen Fodrum, das vielleicht schon in Geld abgelöst war (vgl. aut tributa), s. BRÜHL, Fodrum S. 558 Anm. 570, S. 566 mit Anm. 603. Ein Eid war den Benediktinern nach ihrer Regel untersagt, s. Benedicti Regula, rec. RUDOLPHUS HANSLIK, c. 4, 27 (Corpus scriptorum ecclesiasticorum 75) 2. Aufl. 1977 S. 33. Zum von Innozenz II. geforderten Gehorsamseid vgl. Reg. 599. - Mit der Bestimmung, daß die Investitur des Elekten beziehungsweise die Anzeige seiner Wahl der Weihe vorauszugehen habe, unterwarf das Diplom die Abtei den nach dem Wormser Konkordat für die deutschen Kirchen geltenden Bedingungen, vgl. CLASSEN, Wormser Konkordat (Vorträge und Forschungen 17) 1973 S. 450. - Das Vorrecht am Schluß der Dispositio begünstigt die Besiedlung der Cassineser Besitzungen; zur Mobilität der ländlichen Bevölkerung im italienischen Süden vgl. P. TOUBERT, Les structures du Latium médiéval. Le Latium méridional et la Sabine du IXe siède à la fin du XIIe siède, Bd. 1-2 (Bibliothè que des Écoles Françaises d'Athènes et de Rome 221,1-2) Rome 1973, Bd. 1 S. 653-657. -Der Markgraf Manfred ist wahrscheinlich der gleichnamige Markgraf von Vasto-Saluzzo († 1175) aus dem Hause der Aledramiden, vgl. H. BRESSLAU, Jahrbücher des Deutschen Reichs unter Konrad II. 1, 1879 S. 402, 405, L. USSEGLIO, I marchesi di Monferrato 1 (Biblioteca della Società storica subalpina NS 6) 1926 S. 98f., R. BORDONE, II "famosissimo marchese Bonefacio". Spunti per una storia delle origini degli Aleramici detti del Vasto, in: Bollettino storico-bibliografico subalpino 81 (1983) S. 601. Bei dem Malaspina handelt es sich entweder um Albert II. Malaspina, Markgraf von Ligurien, oder um einen seiner Söhne Wilhelm oder Obizzo, vgl. PETKE, Lothar S. 356 Anm. 57, F. GABOTTO, Per la storia di Tortona nella età del comune (Biblioteca della Società storica subalpina 96, NS 2) 1922 S. 189f. - Gebhard von Burghausen († 1163) entstammt der Ehe der Ida mit Sieghard von Burghausen († 1104); Ida war eine Tochter von Lothars Mutter Hedwig von Formbach aus deren zweiter Ehe mit Herzog Dietrich II. von Lothringen und daher eine Halbschwester des Kaisers, Sächs. Weltchronik Rez. C c. 237, hg. L. Weiland, MGH Dt. Chron. 2, 1877 S. 199 (vgl. Reg. 1), Genealogia Wettinensis, MGH SS 23 S. 228: ... Sophia (Tochter Konrads von Wettin) nupsit Gebehardo comiti de Bavaria,filio sororis Luderi imperatoris, vgl. F. TYROLLER, Genealogie des altbayerischen Adels im Hochmittelalter, in: WILHELM WEGENER (Hg.), Genealogische Tafeln zur mitteleuropäischen Geschichte, 1962-1969 S. 95f. Nr. 29 (mit irrtümlicher Nennung von Gebhard von Süpplingenburg anstelle von Dietrich von Oberlothringen als Idas Vater), S. 97 Nr. 35.

Nachträge

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Empfohlene Zitierweise

RI IV,1,1 n. 635, in: Regesta Imperii Online,
URI: http://www.regesta-imperii.de/id/1137-09-22_2_0_4_1_1_652_635
(Abgerufen am 29.03.2024).