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RI IV Lothar III. und ältere Staufer (1125-1197) - RI IV,1,1

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Lothar - eingedenk, daß die Reichskirchen (ecclesias ..., quę ad imperium nostrum pertinent et, ut ita dictum sit, nostro imperio coherent) ihm bei der weltlichen Verwaltung des Reiches für seine Mühen und Kosten getreulich Unterstützung gewähren (in temporalibus imperii administrationibus nostros et labores et expensas fideliter supportant) - verleiht der Abtei Stablo auf Bitten ihres Abtes Wibald, der während dieses Italienzuges seine Ergebenheit gegenüber der Stärke und der Würde des Reiches (circa stabilitatem et honorem imperii nostri in hac Italica expeditione) klar bewiesen und der nach vielen Mühen und Gefahren, welche er für ihn und mit ihm bei der Verwaltung des Reiches in Apulien ertragen habe (post multos labores et pericula, quę pro nobis et nobiscum in administratione nostri imperii in Apulia fideliter pertulit) zum Abt von Montecassino gewählt worden sei und für die Ehre und das Recht des Reiches (ad honorem et firmitatem nostri imperii) dort zurückbleibe, gemäß den Privilegien seiner Vorgänger seinen Schutz mit der Maßgabe, daß die Abtei mit ihrer Vogtei niemals vom Reich (regnum) entfremdet werden soll, befreit die Mönche und ihre Leute von jedweder Zollzahlung in seinem Reich, bestätigt dem Kloster die Immunität und die dauernde Vereinigung mit Malmédy und gewährt die freie Abtswahl dergestalt, daß die Mönche beider Orte in Stablo zum Kapitel (capitolium) zusammentreten, die Erststimme (prima vox) aber bei den Stabloer Mönchen liegen und aus ihrem Konvent der neue Abt gewählt werden soll. Wenn sich in ihm keine geeignete Person findet, ist ein Kandidat zunächst in Malmédy und erst dann anderswo zu suchen. Der von Lothar oder seinen Nachfolgern nach Reichsrecht (regni more) Investierte erhält vom Bischof von Lüttich die Weihe frei von jeder Verpflichtung zu Dienst, Herberge und Verköstigung. Weiter legt Lothar die Pflichten und Rechte des Vogtes fest, der vom König eingesetzt wird. Der Vogt leistet auf Grund seines Lehens (pro summa et debito sui beneficii) Heeresfolge, während Abt und Kloster von allen militärischen Lasten befreit sind. Wenn auf Wunsch des Vogtes ein Untervogt eingesetzt wird, hat dieser den Bann vom König entgegenzunehmen. Die Einsetzung verschiedener Vögte für die Klosterhöfe (curtes) wird unter kaiserlichem Bann (imperiali banno) untersagt. Dem Vogt werden in den Höfen und Villikationen (curtibus et villis) Herberge, die Hege des Gerichts und die Erhebung jedweder Abgaben verboten. Dort soll die Gerichtsbarkeit (iusticia et utilitas) beim Abt, den Mönchen und deren Beauftragten liegen. Wenn diese und der Abt dafür den Vogt um Hilfe bitten, dann soll dieser kommen dürfen und ein Drittel der Gerichtsgefälle erhalten. Die Burg Logne mit Berg, Tal, Ortsgemeinde (comitatus), Lehen und den Vasallen, die zur Burghut gehören (casatis, qui ad custodiam ipsius castelli pertinent), untersteht der alleinigen Verfügungsgewalt des Abtes unter Ausschluß jeglicher Rechte des Vogtes. Schließlich bestätigt Lothar der Abtei alle Besitzungen und dabei namentlich jene in Aachen und bestimmt den Umfang des vom Kloster zu leistenden Servitiums: Die Nutzungen, Servitien und Zinse von den Aachener Besitzungen - einem Herrenhaus, der freien Eigenkapelle (id est domum indominicatam et capellam indominicatam et liberam) St. Aldegundis und 30 Häusern, von denen 25 auf einer Straßenseite in ununterbrochener Reihe vom ehemaligen Hause des Bischofs von Cambrai bis zum Graben an dem Wege zur Harduinbrücke und die restlichen 5 auf der anderen Straßenseite vor der Aldegundiskapelle liegen, ferner von den dabei befindlichen 6 Landstücken (Bunder) (bonuaria) und den 7 Bunder in der Villikation (villa) Vaals und einer Hufe in monte Hillini - sollen ganz und gar dem Kloster gehören; keiner der königlichen Marschälle und keiner der Fürsten soll ohne Erlaubnis des Abtes in den genannten Häusern Herberge oder ein Servitium beanspruchen. Den Streit über die Höhe des jährlichen Stabloer Servitiums zwischen den königlichen Ministerialen und den Klosterministerialen, bei dem die königlichen Dienstleute auf einem Servitium von den jeweiligen einzelnen Felderträgen (per singulas fruges) bestanden, während die Klosterleute ein volles königliches Servitium (plenum et regale servitium) jedes siebente Jahr zu leisten bereit waren, entscheidet Lothar wegen Wibalds Verdiensten und Bitten dahin, daß dieser und seine Nachfolger jährlich, aber nur bei königlichen Besuchen in Aachen, 20 Mark oder ein Servitium im Wert von 20 Mark zu leisten haben. Bei königlichen Besuchen in Stablo oder auf einer Stabloer Villikation soll das Servitium 30 Mark betragen. Die Pflicht, anderswo als auf Stabloer Besitz oder als in Aachen das Servitium oder dessen Ablösung (servitii redemptionem) zu entrichten, entfällt. Bei Leistung des Servitiums hat der Abt Anspruch auf je 5 Schillinge von jedem Kleriker an einer Stabloer Pfarrkirche (matrix ecciesia) und jedem Meier (villicus) und auf 12 Denare von jeder Stabloer Hufe ohne Ausnahme. Er befiehlt, die vorliegende Urkunde mit einer Goldbulle zu besiegeln. Z.: die Erzbischöfe Albero von Trier und Konrad von Magdeburg, die Bischöfe Meingot von Merseburg, Adalbero von Basel, Albero von Lüttich, Andreas von Utrecht, Anselm von Havelberg und Heinrich von Toul, Abt Konrad von Fulda, Heinrich, Herzog von Bayern und Markgraf von Tuszien (dux Baioarię et marchio Tuscię), Markgraf Konrad von Wettin, Markgraf Meinfredus, Markgraf Friedrich von Ancona und dessen Bruder Werner, Graf Landulf Buccavitelli und die Grafen Poppo und Adolf. - Ego Ekhardus vice Heinrici Ratisponensis episcopi et archicancellarii recognovi. Ego Engelbertus monachus vice Bertulfi notharii scripsi; VUU.: DLo.III. 93 (Reg. 498) (VU. I), DO.II. 219 oder DH.II. 238 (VU. II) und eine nicht näher bestimmte Papsturkunde mit dem Initium Cum omnium ecclesiarum (vgl. JL 7571; Kehr, It. Pont. VI, 1 S. 199 Nr. 19) (VU. III); verfaßt von Wibald und mundiert von dem Stabloer Mönch Engelbert. B. D. Cum omnium dei.

Originaldatierung:
(X. kal. octob., Aquíni in Campania)

Überlieferung/Literatur

Or.: Lüttich, Archives de I'État, Chartriers ecclésiastiques, Abbaye de Stavelot-Malmédy, Carton 1 (814-1137) Nr. 18 (A). Kop.: Ebenda, Abbaye de Stavelot-Malmédy, Ms 337, Transsumpt des Notars Laurentius Antonii de Lymborch clericus Leodiensis dyocesis, 1505 April 29, f. 3r-4r (D). Ebenda, Ms 319, Diversa privilegia ecclesiae Stabulensis, Ende 16./Anfang 17. Jh., f. 27r-29r (E). Drucke: A. Miraeus, Notitia ecclesiarum Belgii, Antverpiae 1630 S. 398 (verdruckt für 368) (unvollständig). A. Miraeus/J.F. Foppens, Opera diplomatica et historica tom. 1, Bruxellis 1723 S. 687 (unvollständig). J.Ch. Lünig, Spicilegium ecclesiasticum pars 3 (Das Teutsche Reichsarchiv tom. 18 a) Leipzig 1716 S. 791 Nr. 13. E. Martène/U. Durand, Veterum scriptorum et monumentorum historicorum amplissima collectio tom. 2, Parisiis 1724 S. 98. Jean Bertholet, Histoire ecclésiastique et civile du Duché de Luxembourg et Comté de Chiny tom. 4, Luxembourg 1742, preuves S. IV. Origines Guelficae tom. 2, Hanoverae 1751 S. 535 Nr. 79. Migne PL 189 S. 1467 Nr. 9. Ch. Quix, Codex diplomaticus Aquensis tom. 1, pars 1, Aquisgrani 1839 S. 74 Nr. 102. M.L. Polain, Recueil des ordonnances de la principauté de Stavelot 648-1794 (Recueil des anciennes ordonnances de la Belgique publié par ordre du roi) Bruxelles 1864 S. 119. Halkin/Roland, Chartes Stavelot Bd. 1 S. 329 Nr. 163. DLo.III. 119. Reg.: Goerz, Regesten Erzbischöfe Trier S. 17. Wauters, Table chronologique 2 S. 190. Mülverstedt, Regesta archiepiscopatus Magdeburgensis 1 S. 439 Nr. 1121. Goerz, Mittelrheinische Regesten 1 Nr. 1916. Posse/Ermisch, Cod. dipl. Saxoniae Regiae 1, 2 S. 86 Nr. 119. Dobenecker 1 Nr. 1345. Muller/Bouman, OB Sticht Utrecht 1 S. 332 Nr. 363. Wampach, Urkunden- und Quellenbuch zur Geschichte der altluxemburgischen Territorien 1 S. 559 Nr. 391. Kocher, Solothurner UB 1 S. 38 Nr. 50. Stumpf 3353.

Kommentar

Das Privileg ist die einzige Purpururkunde Lothars und - abgesehen von DO.II. 21 für Theophanu - das älteste Exemplar ihrer Gattung für einen deutschen Empfänger. Sie ist mit Goldtinktur auf purpurfarbenes Pergament geschrieben und war laut der Corroboratio und den Beschreibungen in den Textzeugen D f. 1r und E f. 29r mit einer Goldbulle besiegelt, von der heute nur noch die Siegelschnüre erhalten sind. Die Goldtinktur und die Purpurfarbe sind großenteils vergangen. Derzeit ist die Urkunde auf Leinwand aufgezogen und auf der Schriftseite mit Gaze überklebt. Nach der nicht überklebten Plica zu urteilen, wurde als Beschreibstoff wahrscheinlich nördliches Pergament verwendet. Die Auffassung von C. BRÜHL, Purpururkunden, in: Festschr. H. BEUMANN, 1977 S. 20, welche vorliegende Urkunde als Prunkausfertigung interpretiert und eine verlorengegangene, allein rechtsgültige Erstausfertigung postuliert, wird durch die NU. DKo.III. 5 in Frage gestellt, da diese zweifellos auf das vorliegende Diplom Bezug nimmt: quicquid predecessor noster imperator Lotharius ... per auream bullam concessit. Mundator ist der sich in der Rekognition nennende und mehr Buchschrift als diplomatische Minuskel schreibende Stabloer Mönch Engelbert, der noch 1140 für Stablo gearbeitet hat, vgl. H. HOFFMANN, Studien zur Chronik von Montecassino, in: DA 29 (1973) S. 153-155, PETKE, Lothar S. 71-73. Zur Verfasserschaft Wibalds, die wegen der Begriffe labor und administratione imperii anzunehmen ist, vgl. H. ZATSCHEK, Wibald von Stablo, in: MÖIG Erg.-Bd. 10 (1928) S. 442f., PETKE, Lothar S. 415f. Auch servitii redemptio ist nach freundlichem Hinweis von Matthias Thiel laut DDKo. III. 87, 117, Wibalds Diktat. - Der Abtswahlpassus weist gegenüber Reg. 273 die weitere Bestimmung auf, daß die prima vox beim Konvent von Stablo liegen soll. Die Abfolge von Investitur und Weihe der Stabloer Äbte entspricht der Bestimmung des Wormser Konkordats für die deutschen Reichskirchen. Zur Übertragung der Heeresfolgepflicht vom Kloster auf den mit Lehen ausgestatteten Klostervogt vgl. CLASSEN, Wormser Konkordat (Vorträge und Forschungen 17) 1973 S. 450. Die Beschneidung der Gerichtsbarkeit des Vogtes wird gegenüber Reg. 273 und Reg. 498 weiter präzisiert und auf den Besitz Logne ausgedehnt, wo Wibald durch vorliegendes Diplom die ausschließliche Gerichtsherrschaft erhält, vgl. E. LINCK, Sozialer Wandel in klösterlichen Grundherrschaften des 11. bis 13. Jahrhunderts, 1979 S. 75f., 96-98. Zur großen Bedeutung des von Wibald wieder gegründeten Logne (an der Ourthe, ca. 20 km westl. Stablo) und zur Organisation der dortigen Burghut vgl. E. LINCK, S. 67ff., 82. Zur Lage des Stabloer Besitzes in Aachen im Bereich des heutigen Elisengarten östl. des Pfalzstifts zwischen Hartmannstraße, Ursulinerstraße und Friedrich-Wilhelm-Platz vgl. B. POLL, Ein Plan von 1688 über das Gelände des heutigen Elisengartens, in; ZAachenGV 69 (1957) S. 71-77, D. FLACH, Untersuchungen zur Verfassung und Verwaltung des Aachener Reichsgutes von der Karlingerzeit bis zur Mitte des 14. Jh., 1976 S. 132 Anm. 247 und Karte 1, E. QUADFLIEG, Die Immunität der Abtei Stavelot in Aachen und ihre Aldegundiskirche, in: ZAachenGV 84/85 (1977/78) S. 783-810. Zum auch rheinländischen Ackermaß des Bunder von der Größe von 4 Morgen oder 400 Ruten vgl. JOSEF MÜLLER, Rheinisches Wörterbuch 1, 1923 S. 1127. Der mons Hillini ist nicht identifiziert. Zu Vaals vgl. FLACH, a.a.O. S. 171-173. - Zum von Stablo zu leistenden Servitium vgl. BRÜHL, Fodrum S. 202f., 205 f., FLACH, a.a.O. S. 87-90, W. METZ, Quellenstudien zum Servitium regis (900-1250) Erster Teil, in: AfD 22 (1976) S. 195-197. Die Möglichkeit der Ablösung des Servitiums durch Geldzahlung ist zeitgemäß. - Heinrich der Stolze, Herzog von Bayern, ist in diesem Diplom erstmals als Markgraf von Tuszien bezeugt, vgl. Reg. 584-1. Die Belehnung mit der Mark durch Lothar erwähnt die Kaiserchronik v. 17105ff., hg. E. SCHRÖDER, MGH Dt. Chron. 1, 1892 S. 389. Bei dem Zeugen Markgraf Meinfredus dürfte es sich um den in Reg. 635 erwähnten Markgrafen Manfredus de superiore Italia handeln. Zu Werner von Ancona vgl. R. FOGLIETTI, Dei marchesi di Ancona, Macerata 1906 S. 8f. Graf Landulf mit dem Cognomen Buccavitelli ist identisch mit Landulf von S. Giovanni Incarico († 1143), vgl. H. HOFFMANN, Petrus Diaconus, die Herren von Tusculum und der Sturz Oderisius' II. von Montecassino, in: DA 27 (1971) S. 64-68, H. HOFFMANN, Studien zur Chronik von Montecassino, in: DA 29 (1973) S. 155f. Die Zeugen Poppo und Adolf dürften identisch sein mit den in Reg. 510 erwähnten Grafen gleichen Namens. Poppo ist mit dem in Reg. 635 erscheinenden Poppo von Andechs, Adolf möglicherweise mit Adolf II. von Schaumburg gleichzusetzen. - NUU.: DDKo.III. 5, 40.

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Empfohlene Zitierweise

RI IV,1,1 n. 634, in: Regesta Imperii Online,
URI: http://www.regesta-imperii.de/id/1137-09-22_1_0_4_1_1_651_634
(Abgerufen am 25.04.2024).