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RI IV Lothar III. und ältere Staufer (1125-1197) - RI IV,1,1

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Lothar unterwirft mit Hilfe Heinrichs von Stade, des Markgrafen der Nordmark, der dreihundert Reiter der Circipanen ins Feld führt, den Slavenfürsten Dumar und dessen Sohn. Den diesen zu Hilfe kommenden Fürsten der Ranen schließt er ein und zwingt ihn zum Frieden. Der Fürst stellt seinen Bruder als Geisel, verspricht eine hohe Geldsumme, leistet einen Treueid und darf mit den Seinen unbehelligt abziehen. An Lothars Zug nehmen die Corveyer Ministerialen Konrad von Freckleben und Konrad von Gröningen teil. Als Lothar nach Beendigung des Feldzuges durch einen Dolmetscher die Circipanen befragt, wessen Markgrafentum sie unterworfen seien, antworten sie ohne Zögern, sie schuldeten demjenigen Markgrafen Heerfolge, dem sie für jetzt Kriegsdienste leisteten. Darüber ist der Herzog sehr erbittert und wird nur mit Mühe von seinen Gefolgsleuten davon abgehalten, die Circipanen hängen zu lassen. Erneut befragt, wem sie Zins zu zahlen schuldig seien, erklären sie sich gegenüber der Burg Corvey und St. Vitus (gemeint: Sventovit) für zinspflichtig. Lothar kehrt als Sieger heim. - Nach Corveyer Überlieferung soll Lothar die um ihr Leben bangenden Slaven verschont haben, als diese sich als einstmals dem hl. Vitus tributpflichtig bekannt hätten.

Überlieferung/Literatur

Ann. S. Blasii Brunsvic. maiorum fragm. zu 1114, MGH SS 30, 1 S. 18. Ann. Patherb. fragm. zu 1114, MGH SS 30, 2 S. 1331: Liudgerus dux Saxonum expeditionem movet super Dumarum Sclavum eiusque filium et eos ad deditionem coegit. Principem quoque Ruianorum ad se in bellum venientem sagaci agilitate circumvenit. Is, ut circumventum se vidit, pacem colloquiumque ducis deposcit, germanum fratrem obsidem dat, pecuniam copiosam spondet, fidem sacramento confirmat. Sicque demum cum suis omnibus illesus abire permittitur, Liudigerus vero magnifica misericordia Dei comitatus victor repatriat. Ann. Saxo zu 1114, MGH SS 6 S. 750. Die Corveyer Annalen, Textbearbeitung und Kommentar von J. Prinz, 1982 S. 137f. (und Tafel 16 a): (zu 1114, Langfassung) Dux autem Livtgerus in ipsa sua expeditione ad interiores Slauos habens in auxilio marchionem Heinricum Stadensem. Qui contraxerat Scyrcipensium Sclauorum CCC equites, id est centum de unaquaque urbe sua. Nam tres urbes cum suis territoriis tantum possident, quę disterminantes per singula provinciolas esse referunt. Qui peracta expedicione conventi per interpretem a duce, cui marchionio subacti fuissent, omni hesitatione semota marchioni, cui tunc ad praesens militarent, armis obsecundare se debere legaliter, libere ac secure referebant. Hinc dux oppido indignatus, nisi sagacitate nobilivm uirorum animum ad instans composiciorem resumsisset, suspendio vt fatebatur omnes peremisset. Sedatus autem tandem cum de qualitate census terre sue aut cui recompensarent edicere annuisset, denuo intulerunt: civitati Corbeię Sancto Vito quodam inibi patrocinante ac dominante, annuatim se debere aut vvlpinam pellem aut bis terno ter dena nomismata Bardenwicensis monete simillima, vel propria de unius cuiusque soli sui unci cultura, quem nostrates aratrum uocitant. Hec autem provinciola est trium tantum, ut infra dictum est, urbivm siue in tres divisas, Rugiacensibus et Havelbergensi episcopio interiacet. Hęc Conrado urbico Frakenleuensi ministeriali nostro et alio C(onrado) de Gronige referentibus ipsi expedicioni consertis ad nos sic delatum hic inseruimus. - Ebenda, zu 1114 (Kurzfassung), S. 137 (und Tafel 15 b): Dux Liutgerus armata manu Slauos agressus et ad interiora progressus quandam regionem subegit. Qui cum saluti diffiderent, sancti Viti se quondam tributarios confessi pro eius honore a duce uitę sunt relicti. Reg.: Vogt, Herzogtum S. 154 Nr. 25.

Kommentar

Zur Corveyer Überlieferung, die um 1147 auf der Grundlage der Aussagen der beiden Corveyer Feldzugsteilnehmer fixiert und zur Grundlage der Corveyer Ansprüche auf Rügen wurde, vgl. K.H. KRÜGER, Corveys Anspruch auf Rügen im 12. Jahrhundert, in: Fälschungen im Mittelalter III (SchrrMGH 33, III) 1988 S. 373ff., besonders S. 379-385. Die vermeintlichen Tributrechte Corveys beruhten darauf, daß offenbar die Abgabenpflicht der Circipanen an den in der Tempelburg von Kap Arkona verehrten Sventovit vom Dolmetscher und seinen Zuhörern als Tribut an St. Vitus mißverstanden wurde, vgl. KAHL, Slawen und Deutsche 2 S. 600 Anm. 36, TH. SCHIEFFER, DLo.I. 143 S. 321. Über den Sventovit-Kult vgl. JOACHIM HERRMANN, Die Slawen in Deutschland. Ein Handbuch, 1985 S. 317f., A. GIEYSZTOR, Opfer und Kult in der slawischen Überlieferung, in: Frühmittelalterliche Studien 18 (1984) S. 261ff. - Wegen des Eingreifens eines offenbar benachbarten und erstmals hier erwähnten ranischen Fürsten dürfte der Fürst Dumar ein Kessiner oder ein Festlandrane, etwa in der späteren terra Tribsees, gewesen sein, vgl. W. BRÜSKE, Untersuchungen zur Geschichte des Lutizenbundes, 1955 S. 64, 91f., und Reg. 68. Diesem feindlich gesonnen waren offensichtlich die lutizischen Circipanen, wahrscheinlich dieselben Lutizen, welche Markgraf Rudolf von der Nordmark 1113 gegen den Grafen Milo von Ammensleben ins Land gerufen hatte, Ann. Saxo zu 1113, MGH SS 6 S. 750: Barbari, qui dicuntur Liutici, consilio Rodolfi marchionis propter odium, quod habebat adversus Milonem, multas strages patrie intulerunt, vgl. W.H. FRITZE, Beobachtungen zu Entstehung und Wesen des Lutizenbundes, in: JbGMittelOstdtld 7 (1958) S. 25f.; Wiederabdruck in: W.H. FRITZE, Frühzeit zwischen Ostsee und Donau. Ausgewählte Beiträge (Germania Slavica III) 1982 S. 154. Lothars Feldzug wäre dann nicht eine Vergeltung für den lutizischen (circipanischen) Einfall von 1113 gewesen (so vermutungsweise BRÜSKE, a.a.O.), sondern hätte der Unterwerfung der nördlich der Peene siedelnden lutizischen Kessiner oder der Festlandranen gegolten, vgl. STOOB, Gedanken zur Ostseepolitik S. 533. - Heinrich von Stade war 1114 Markgraf der Nordmark geworden, Ann. Saxo zu 1106, MGH SS 6 S. 744: Rodolfo fratri illius conmissa est marchia per octo annos ab Heinrico rege, ut nutriret filium eius Heinricum. Ebenda zu 1114, S. 751: Rodolfo marchione de marchia eiecto Heinricus, filius fratris eius Udonis marchionis, eam recepit. Ann. Magd. zu 1114, MGH SS 16 S. 182: Rodolfus comes remisit Heinrico filio fratris sui marchiam expletis VIII annis. Vgl. HUCKE, Stade S. 35, 40; nicht belegbar ist die Behauptung von STOOB, a.a.O. S. 533, Lothar hätte die Verbindung des Staders Rudolf mit den Lutizen zum Anlaß genommen, diesen "auszuschalten". - Nach Lothars Frage an die Circipanen, cui marchionio subacti essent, und wegen seiner heftigen Reaktion hätte die richtige Antwort der Slaven lauten müssen, daß sie Lothar als Markgrafen dienten. Gegen WADLE, Reichsgut S. 142 Anm. 5, und STOOB, a.a.O. S. 534 Anm. 11, hat Lothar also nicht als Herzog, sondem als Markgraf das Aufgebotsrecht über die Circipanen beansprucht, und zwar wahrscheinlich auf Grund seiner Stellung in der ehemaligen Billungermark (vgl. Reg. 6), vgl. VOGT, a.a.O. S. 127, 164, KAHL, a.a.O. S. 600 Anm. 36. Im Jahre 1136 galten östlich der Circipanen sowohl links als auch rechts der Peene gelegene Länder als der Herrschaft des Markgrafen der Nordmark zugehörig, vgl. Reg. 496. - Die Vermutung von W.H. FRITZE, Probleme der abodritischen Stammes- und Reichsverfassung und ihrer Entwicklung vom Stammesstaat zum Herrschaftsstaat, in: H. LUDAT (Hg.), Siedlung und Verfassung der Slawen zwischen Elbe, Saale und Oder, 1960 S. 171 Anm. 241, Lothar habe 1114 Circipanen und Kessiner der Herrschaft des Abodritenherrschers Heinrich unterstellt, ist ungesichert.

Nachträge

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Empfohlene Zitierweise

RI IV,1,1 n. 26, in: Regesta Imperii Online,
URI: http://www.regesta-imperii.de/id/1114-06-16_1_0_4_1_1_26_26
(Abgerufen am 28.03.2024).