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RI III Salisches Haus (1024-1125) - RI III,5,1

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Papst Benedikt (IX.) teilt dem Bischof Aaron von Krakau (venerabili fratri Aaron, ep. Cracoviensi) die auf Bitte des polnischen Königs Kasimir-Karl (I.), dessen Gattin Maria und ihres Sohnes Boleslaw (regis Poloniae Kazimiri qui et Karoli ... eiusque coniugis Marie eorumque filii Boleslai) erfolgte Erhebung des Bistums Krakau zum Erzbistum mit, dem alle Kirchen Polens unterstellt werden (in eccl. ... Cracoviensi esse archiepiscopatum et metropolim ... in toto regno ... Polonico), promoviert den Bischof Aaron zum Erzbischof und verleiht ihm das Pallium. – Pro reverencia b. Petri, principis apostolorum ...

Überlieferung/Literatur

Insert: Vinzenz von Kielce, Vita maior Stanislai ep. Cracoviensis II 14 (Kętrzyński, MPH IV 383); Catal. ep. Cracoviensium III 8 (Szymański,MPH NS X/2, 43); Johannes Długosz, Catal. ep. Cracoviensium 8 (Szymański,MPH NS X/2, 142); Johannes Długosz, Ann. seu Chr. Poloniae III zu 1046 (Turkowska II 55).  Erw.: Ann. capituli Cracoviensis dicti breves (Kozlowska-Budkowa,MPH NS V 234); Catal. ep. Cracoviensium (Szymański, MPH NS X/2, 42, 54, 84, 110, 286); Ann. Poloniae Minoris (in unterschiedlichen Redaktionen) (MG SS XIX 620f.; MPH II 830; MPH III 146f.); Ann. Silesiaci compilati 1046 (Blazowski, MPH III 672); vgl. auch n. †306.  Drucke: J. S.Herbultus Dobromilski, Historia polonica Joannis Dlugossi seu Longini, canonici Cracoviensis, in tres tomos digesta (Dobromil 1615) 213 (fragm.); Roepell, Geschichte Polens I 642; August Bielowski, MPH I XXV Anm. 1 und 358; Zimmermann, PUU II 1169 n. †623 (zu 1045).  Reg.: Zofia Kozłowska-Budkowa, Repertorium polskich documentów doby piastowskiej (Krakau 1937) 7 n. 6; Santifaller, LD 120; Sułkowska-Kuraś/Kuraś, Bull. Poloniae 4 n. 5; JL †4119a.  Lit.: Roepell, Geschichte Polens I 641ff.; Abraham, Organizacya Kościoła 128ff., 169f.; Kętrzyński, Palliuszu biskupów 206ff., 212ff., 225ff., 230ff.; Schulte, Dlugossiana 139; David, Casimir le Moine 7, 11ff., 16f.; David, Bénédictins dans la Pologne 21ff., 30ff.; Kętrzyński, Polska 322, 532ff., 538ff.; Korta, Kraków 323ff., 328ff., 335ff., 338ff.

Kommentar

Zur Überlieferung vgl. Zimmermann, PUU. Die nur als Insert in genannten Schriften überlieferte Urkunde weist Anklänge an die Liber diurnus-Formeln 45 und 48 auf. Es existieren zwei Varianten des mit Sicherheit gefälschten Privilegs: der älteren, in der Vita Stanislai überlieferten, fehlt die Adresse, und als Amtsbereich des neuen Erzbistums werden die Kirchen, que in toto regno sunt Polonico angeführt, während die Variante des Catal. ep. Cracoviensium um die Adresse ergänzt ist und der Amtssprengel durch die Kirchen, qui in toto regno sunt Slavonico, definiert ist. Die beiden übereinstimmenden Versionen des Johannes Długosz folgen dabei der älteren Variante, ergänzen diese jedoch noch um die Anordnung, dass auch alle Amtsnachfolger des "Erzbischofs" Aaron das Pallium führen sollen. –  Die Urkunde steht im Zusammenhang mit der angeblichen Weihe Aarons zum Bischof von Krakau durch Benedikt IX. 1046 in Köln (vgl. n. †306); durch diese Jahresangabe erklärt sich auch die Datierung des Privilegs, obwohl Benedikt IX. in diesem Jahr überhaupt nicht amtierte. Die Zuordnung zu diesem Papst ergibt sich – außer durch die Lebensdaten des Krakauer Bischofs – aus den oben und in n. †306 angeführten quellenmäßigen Erwähnungen. Die Urkunde galt der bisherigen Forschung fast durchweg als Fälschung, wobei die Interpretation der Zusammenhänge allerdings äußerst unterschiedlich ausfiel. So vertritt Abraham trotz seiner Ablehung der Urkunde die Ansicht, Aaron sei dennoch Erzbischof und Metropolit von Polen gewesen, eventuell in Nachfolge der Gnesener Erzbischöfe, deren Kirche durch die böhmische Invasion von 1038/1039 (vgl. n. 215) zerstört gewesen sei. Kętrzyński dagegen nimmt eine päpstliche Verleihung des Palliums an Aaron in Köln an, geht jedoch davon aus, dass diese von Leo IX. 1049 (um Juni 29) oder Viktor II. 1056 (Dezember) durchgeführt worden sei. Der Name Benedikts IX. sei nur deshalb in die Erzählung und die auf ihn gefälschte Bulle eingeflossen, weil sich aus der historiographischen Überlieferung der Amtsantritt Bischof Aarons im Jahr 1046 ergeben habe und laut der schlechten polnischen Überlieferung in diesem Jahr eben dieser Papst regiert habe. Die Erhebung Krakaus zur Metropole und Aarons zum Erzbischof lehnt Kętrzyński völlig ab; seiner Ansicht nach war das von Leo IX. oder Viktor II. verliehene Pallium eine persönliche Auszeichnung für den Bischof (vgl. n. 129). Als Beweis führt er an, dass Aaron sich selbst nicht als Erzbischof bezeichnet (allerdings gibt es auch keine eigene Überlieferung von ihm !), und in einem Kodex des Krakauer Kapitels als Aaron eps. eingetragen sei (Palliuszu biskupów 203). Entsprechendes vermutet auch David, Bénédictins 22, der die Verwendung eines Palliums durch den Bischof mit seiner Funktion als Missionsbischof für Polen zusammenbringt. Gegen diese Theorien, welche insgesamt die Urkunde als eine um 1230 entstandene Fälschung betrachten, nimmt Korta an, die Textversionen seien getreue Abschriften einer älteren Urkunde, welche die Dispositio und historischen Zusammenhänge korrekt wiedergäben. Allerdings gesteht dieser Autor ein, dass wegen des Fehlens von Protokoll und Eschatokoll des Privilegs der Echtheitsbeweis nicht zu erbringen sei. Korta sieht im erhaltenen Urkundentext ein Relikt eines mehrstufigen Geschehens: 1046 sei Aaron in Köln zum Bischof geweiht worden (vgl. n. †306), daraufhin wären Bemühungen Herzog Kasimirs um das Pallium für den neuen Krakauer Bischof und einen Ersatz für die zugrundegegangene polnische Metropole in Gnesen eingeleitet worden, deren Resultat in dem zusammenfassenden erhaltenen Urkundentext vorliege. Angesichts dieser Umstände entfalle das Argument der früheren Forschung gegen die Echtheit, welches darin bestand, dass Benedikt IX. 1046 gar nicht legitimer Papst gewesen sei, somit auch nicht als solcher geurkundet habe. Da die Weihe 1046 stattfand und sich an diese Verhandlungen mit dem apostolischen Stuhl angeschlossen hätten, sei eine Palliumsverleihung frühestens im Herbst 1047/Frühjahr 1048 möglich gewesen, in einer Zeit, als Benedikt IX. nach dem Tod Clemens II. wieder legitimer Papst gewesen sei. So stützt nach Kortas Ansicht gerade der chronologische Ablauf die Echtheit des Fragmentes. Allerdings bleibt auch dies spekulativ; die Vorstellung, ein polnischer Bischof habe sich an den ein Jahr zuvor abgesetzten Papst, der in der Folge in Deutschland – und damit auch in Polen – sicher nie mehr als legitimer Nachfolger Petri galt, wegen des Palliums gewendet, ist abzulehnen. Die Behandlung des Komplexes in der polnischen Geschichtswissenschaft war weitgehend von dem Bemühen geprägt, die Existenz des Palliums von Bischof Aaron – und darin die Unabhängigkeit der polnischen Kirche von der deutschen – zu beweisen, obwohl es in den Quellen erst seit dem 13. Jahrhundert erwähnt wird.

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Empfohlene Zitierweise

RI III,5,1 n. †307, in: Regesta Imperii Online,
URI: http://www.regesta-imperii.de/id/1046-00-00_2_0_3_5_1_307_D307
(Abgerufen am 29.03.2024).