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RI III Salisches Haus (1024-1125) - RI III,5,1

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Papst Johannes XIX. bestätigt (concedimus et ... confirmamus) dem Patriarchen Poppo von Aquileia (Poponi, s. Aquileiensis ecclesiae patriarchae) wunschgemäß das Patriarchat seiner Kirche samt allen Rechten und Zubehör nach dem Vorbild der Päpste Petrus, Eugen (II.) und Gregor (IV.), insbesondere deren Vorrang vor allen Kirchen Italiens sowie das Vikariat der römischen Kirche (patriarchatum s. Aquilegiensis ecclesiae fore caput et metropolim super omnes Italiae ecclesias ... vicariam et secundam ... post ... Romanam sedem), verleiht ihm Pallium und Rationale zum Gebrauch beim Hochamt an genannten Tagen und unterstellt ihm alle Bistümer, Klöster und Pfarrkirchen des Patriarchates mit Zubehör und Rechten, namentlich die Insel Grado (insulam quae Gradus vocatur), welche, im Lauf der Völkerwanderung (barbarico impetu) von Aquileia abgefallen, sich zu unrecht als eigenes Patriarchat konstituiert habe und bei mehreren Synoden umstritten gewesen sei; diese Synoden (vgl. n. 56, n. 95) habe der Gegenspieler Poppos, der Patriarch (Urso) von Grado, nicht besucht, nicht einmal die von ihm selbst auf Anregung Kaiser Konrads (II.) (Conradi imperatoris) berufene und in Anwesenheit vieler lombardischer und deutscher Bischöfe veranstaltete, bei welcher Grado dem Patriarchat Aquileia so restituiert worden sei (vgl. n. 95), wie es der Apostel Petrus dem Markus und Hermagoras gegeben habe (Petrus apostolus olim suo discipulo Marco Evangelistae ... Hermacorae contradidit); er verbietet Weihehandlungen im Bereich des Patriarchates gegen den Willen des Patriarchen. – Cum magna nobis sollicitudine insistit ...Scr. pm. Joannis card. et canc. vice Petri diac. mense Sept., ind. VIII.Dat. pm. Bossonis ep. et bibl. SRE in mense et ind. suprascripta, in sacratissima sede b. Petri apostoli a. IV. Deo propitio pont. d. Joannis, summi pont. et universalis XIX. papae.

Überlieferung/Literatur

Orig.: – .  Kop.: 1) 17. Jh., Rom, Bibl. Vat., Fondo Chigi Ms. CVI 189 fol. 65; 2) 18. Jh., Udine, Arch. cap., Bini, Doc. hist. III n. 50.   Erw.: Urkunde P. Benedikts IX. n. 255; Vitae patriarcharum Aquileiensium (Muratori, SS rer. Ital. XVI 12); Johannes Staindel, Chr. generale (Oefele, SS rer. Boic. I 471); Antonio Belloni, Vitae patriarcharum Aquilejensium (Muratori, SS rer. Ital. XVI 37).  Drucke: Ughelli, Italia sacra V 48, ²V 49; Cocquelines, Bull. Rom. I 337; Cappelletti, Chiese d'Italia VIII 155; Tomassetti, Bull. Rom. I 541; Migne, PL 141, 1137; Zimmermann, PUU II 1092 n. 578.  Reg.: Georgisch, Regesta I 339 n. 8; J 3103; Schumi, UB Krain I 29 n. 19; Hacke, Palliumverleihungen 46; IP VII/1 29 n. 53; IP VII/2 54 n. 84; Boye, Quellenkatalog 79; Kopczynski, Arengen 47; Santifaller, Elenco 342;Santifaller, Verzeichnis 61 n. 53; Honselmann, Rationale 107 n. 24; Santifaller, LD 119; JL 4085.  Lit.: Dondi, Dissertazione seconda 93; Cappelletti, Chiese d'Italia XVII 420, XVIII 222; Bresslau, Konrad I 158, 456ff.; Meyer, Spaltung des Patriarchats 18; Hacke, Palliumverleihungen 88f., 123; Braun, Liturgische Gewandung 678; Hefele/Leclercq, Hist. des Conc. IV/2, 944f.; Lenel, Venezianischistrische Studien 37, 91f.; Paschini, Vicende del Friuli (MSF 9/1913) 20f.; Marchetti Longhi, Patriarcato di Aquileia 16f.; Paulus, Ablass I 65; Kehr, Älteste PUU Spaniens 29; Kehr, Rom und Venedig 85, 90ff.; Michel, Friedensbotschaft Grados 174f.; Paschini, Storia del Friuli I 202; Fuhrmann, Patriarchate II 57; Bresslau, Urkundenlehre ³I 224; Plöchl, Kirchenrecht I 340; Violante, Venezia fra papato e impero 298f.; Herrmann, Tuskulanerpapsttum 99; Fuhrmann, Pseudoisidorische Fälschungen II 336f.; Martí Bonet, Roma y las iglesias 128; Härtel, Urkunden des Patriarchen Poppo von Aquileia 150ff.; Boshof, Reich und Ungarn in der Zeit der Salier 179; Rathsack, Fuldaer Fälschungen I 252; Hellmann, Geschichte Venedigs in Grundzügen 35; Trillmich, Konrad 227ff.; Wolfram, Konrad 127; Cowdrey, Structure of the Church 257; Johrendt, Papsttum und Landeskirchen 27.

Kommentar

Zur Überlieferung vgl. IP VII/1 29 n. 53, Santifaller, Verzeichnis und Zimmermann, PUU. Die späten Kopien lassen keine Rückschlüsse auf das Aussehen des Originals zu. Die Urkunde ist nach den Formeln 86, 89, A96 und 45 des Liber diurnus gestaltet. Die genannten Vorurkunden sind jene der Päpste Petrus (IP VII/1 18 n. †*1), Eugen (II.) (IP VII/1 25 n. 34; Cappelletti, Chiese d'Italia VIII 119) und Gregor (IV.) (IP VII/1 25 n. *35). Die Pallientage sind Weihnachten, Dreikönig, die vier Marienfeste, Kirchweih, der Festtag des Kirchenpatrons, Gründonnerstag, Ostern, Christi Himmelfahrt, Pfingsten, Johannes der Täufer, Apostelfeste, Allerheiligen und die Tage von Bischofsweihen. Der Patriarch wird mit sehr weitgehenden Rechten bis hin zur Vertretung des Papstes ausgestattet, die in völligem Gegensatz zu n. 57, n. 58 stehen, aber dennoch durch die kaiserliche Intervention, die schon bei der Synode n. 95 zum Erfolg für Aquileia geführt hatte, begründet sein könnten. Bei der in die Sanctio positiva integrierten Formulierung absolutionem omnium peccatorum suorum handelt es sich laut Paulus nicht um einen Ablass, sondern lediglich um einen Schlusssegen. –  Auffällig und ungewöhnlich ist die Vertretung des Diakons und päpstlichen Kanzlers Petrus als Schreiber der Urkunde durch einen Kardinal Johannes, der zugleich Kanzler sein soll (identisch in n. †51); weder dieser Kanzler noch die Vertretung des Ingrossators sind anderweitig bekannt, doch sind die genannten Personen ansonsten zeitgenössisch. Interessant ist Härtels Annahme, dass der Name des Kardinals in der Datierung der (seiner Ansicht nach gefälschten) Urkunde evtl. von der Weiheinschrift im Dom von Aquileia stammte (n. 141), der Name des Diakons Petrus aber ebenso aus der Urkunde n. 45 wie auch die weiteren korrekten Formalien. Diese Vermutung trifft sicherlich für n. †51 zu, doch lässt der korrekte Name Boso/Bosso des datierenden Bibliothekars, der auch andere Urkunden unterfertigte (n. 71, n. 72), diese Ableitung zweifelhaft erscheinen. Vermutlich handelt es sich bei den Anomalien von Scriptums- und Datumszeile trotz Kehrs Annahme, die Passage müsse so bereits im Original gestanden haben, um einen im Zusammenhang mit der Fälschung n. †51 entstandenen Fehler des Kopisten. Rathsack verdächtigt insbesondere die Primatsbestimmungen betr. Passagen. Die prinzipielle Echtheit des Privilegs wird jedoch durch andere Quellen über den Verlauf der Synode n. 95 mit ihrer einseitig zugunsten Aquileias ausgefallenen Entscheidung, welche zudem dem früheren Entscheid Johannes' XIX. (n. 56, n. 57) völlig widersprach, sowie die Urkunde Benedikts IX. gesichert. Letzterer führt in seiner Darstellung des Konfliktes (n. 255) aus, dass Poppo von Aquileia nach der Entscheidung der Synode 1024 zugunsten Grados quibusdam inhoneste sibi suffragantibus privilegium fraudulenter impetravit de stabilitate sue ecclesie et Gradensis patriarchatus subiectione. Diese Passage wird sich auf die Intervention Konrads II. zugunsten Aquileias im Zusammenhang mit der Synode von 1027 (n. 95) und dieses Privileg beziehen. Deshalb ist die Ausstellung einer für Grado höchst schädlichen Urkunde 1027 durch Johannes XIX. gesichert, weshalb auch die Echtheit dieses Privilegs im Kern anzunehmen ist, trotz möglicher Bedenken gegen einzelne Bestandteile wie die Primatsbestimmungen und insbesondere das Eschatokoll. Allerdings ist auch ein weiteres Entgegenkommen des Papstes bzgl. der Primatsklausel denkbar, nachdem er schon gezwungen war, seine frühere grundlegende Haltung in dem Streit zwischen den beiden Patriarchen zu revidieren. Das angebliche Privileg des Apostels Petrus für Hermagoras ist erstmals in einer interpolierten Passage der Urkunde Leos VIII. (Zimmermann, PUU I 298; Böhmer/Zimmermann, Papstregesten n. 338) erwähnt. Ob die Scriptumzeile auf späterer Interpolation, dem Versehen eines Kopisten oder einem Fehler der päpstlichen Kanzlei bei der Ausstellung beruht, lässt sich nicht entscheiden. Vermutlich diente das Eschatokoll zusammen mit Bestandteilen der Weiheinschrift (n. 141) als Vorlage für die Fälschung der entsprechenden Partien von n. †51.

Nachträge

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Empfohlene Zitierweise

RI III,5,1 n. 101, in: Regesta Imperii Online,
URI: http://www.regesta-imperii.de/id/1027-09-00_1_0_3_5_1_101_101
(Abgerufen am 20.04.2024).