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RI III Salisches Haus (1024-1125) - RI III,2,3

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Heinrichs Bannung wird durch Gregor VII. gegen vorgebrachte Zweifel, ob ein König exkommuniziert werden dürfe, mittels Zeugnissen der Heiligen Schrift, der Kanones und historischer Argumente gerechtfertigt; er führt aus, daß all diejenigen Bischöfe, Priester und Laien als exkommuniziert zu gelten hätten, welche mit dem gebannten König (regi Heinrico, si fas est dici rex) Gemeinschaft pflegen, erklärt, daß die königliche Macht der bischöflichen nicht überlegen, sondern von dieser scharf zu unterscheiden sei (Ex eorum principiis colligere possunt, quantum a se utraque differunt. Illam quidem superbia humana repperit, hanc divina pietas instituit), und verweist auf sein Verbot, den König loszusprechen (contradiximus, ut nullus eum presumat absolvere), bis er, der Papst, selbst über die Weise der Absolution entschieden habe (ut … inveniamus, qualiter … illum absolvamus), nachdem Heinrichs eindeutige Reue und ernsthafte Wiedergutmachung (certa pęnitentia et sincera satisfactio) durch geeignete Zeugen bestätigt worden seien.

Überlieferung/Literatur

Brief Gregors VII. an den Bischof Hermann von Metz vom 25. August 1076 (Reg. IV, 2 [MGH Epp. sel. 2, 293 ff. mit irriger Ortsangabe "Rom"]).

Kommentar

Der Brief wurde als Reaktion auf Fragen, die Bischof Hermann von Metz dem Papst hatte übermitteln lassen, abgefaßt. Zu dessen Haltung gegenüber dem exkommunizierten König vgl. Reg. 810. 811. ‒ Nach Schneider, Prophetisches Sacerdotium (1972) 190 mit Anm. 619 ist das Schreiben in Kenntnis zumindest des Briefes Heinrichs IV. no 12 (Reg. 803), möglicherweise auch des Briefes no 13 (Reg. 805) abgefaßt worden. ‒ Besonders eingehend zum Inhalt des Papstbriefes ebd. 190 ff.; dieser dringe "mit der Aussage über Rang und Wesen der regia dignitas zum Kern der Auseinandersetzung zwischen Papst und deutschen König vor"; es gehe hier "um die Legitimation der Herrschaft, die nach Meinung Gregors VII. nur dann dei gratia sein könne, wenn sie mit der voluntas Dei, die der Papst verkündet, übereinstimmt." ‒ Zur verwendeten Königstitulatur (regi Heinrico, si fas est dici rex) vgl. den Kommentar zu Reg. 794. ‒ Gregor VII. verweist auf Briefe, die er von einigen Bischöfen und Herzögen erhalten habe. Jenen Bischöfen gegenüber habe er die Vollmacht gegeben, die Exkommunizierten loszusprechen, soweit sich diese der Gemeinschaft mit dem König enthalten (vgl. Kommentar zu Reg. 822). ‒ Ferner führt der Papst aus, daß der Verkehr mit dem König den Verlust des bischöflichen Ordo zur Folge habe. Dies galt jedoch, obwohl in dem Brief nicht explizit erläutert, keineswegs für Kontakte mit dem Ziel, den König zur Umkehr zu bewegen (vgl. Reg. 822). ‒ Neben einer theologischen Rechtfertigung der Exkommunikation Heinrichs IV., fußend u.a. auf der umfassenden Binde- und Lösegewalt des hl. Petrus und dessen Nachfolger (ubi Deus beato Petro principaliter dedit potestatem ligandi et solvendi in cęlo et in terra [vgl. Mt 16,19], nullum excepit), nennt Gregor VII. als eines der Argumente die vermeintliche Absetzung des Frankenkönigs (Childerich III.) durch Papst Zacharias, wodurch "erstmals das Bemühen auch um eine historische Legitimation der Sanktionen gegen den Salier faßbar [wird]" (R. Schieffer, Papst Gregor VII. [2010] 58). Hierzu bereits Affeldt, Königserhebung Pippins und Unlösbarkeit des Eides, DA 25 (1969) 328 ff. Vgl. auch R. Schieffer, Von Mailand nach Canossa, DA 28 (1972) 360 f. zum Verweis auf Kaiser Theodosius I. Zu diesen und weiteren historischen Argumenten in den Streitschriften des Investiturstreits vgl. eingehend H. W. Goetz, Geschichte als Argument, HZ 245 (1987) 31 ff. ‒ Zu den Antichristvorstellungen, die in dem Brief deutlich werden, ohne daß Heinrich selbst mit diesem identifiziert wird, vgl. eingehend Benz, Eschatologisches Gedankengut bei Gregor VII., ZKG 97 (1986) 26 ff. (vgl. auch das Schreiben vom 25. Juli [Reg. 822]). ‒ Vgl. Mirbt, Publizistik im Zeitalter Gregors VII. (1894) 136 f., 164 und 166; Meyer von Knonau, Jbb. 2, 657 und 719 f.; Hauck, Kirchengeschichte Deutschlands3-43, 804; Hefele-Leclercq, Histoire des conciles25, 176 f.; Brackmann, Heinrich IV. und der Fürstentag zu Tribur, HV 15 (1912) 167; Bernheim, Mittelalterliche Zeitanschauungen (1918) 205 f. und 216; Fliche, La réforme grégorienne 2 (1925) 309-316; Ruperti-Hocquard, Hériman évêque de Metz, Annuaire de la Société d’Histoire et d’Archéologie de la Lorraine 39 (1930) 520 ff.; Salloch, Hermann von Metz (1931) 32 f.; Arquillière, Saint Grégoire VII (1934) 155 f., 160 mit Anm. 2, 201 f. und 218; Tellenbach, Libertas (1936) 180 und 187; Haller, Der Weg nach Canossa, HZ 160 (1939) 242, 250, 253 Anm. 2 und 282 f. mit Anm. 1; Baethgen, Zur Tribur-Frage, DA 4 (1941) 396 und 398 Anm. 1; Berges, Designationsrecht (Studi Gregoriani 2, 1947) 199; Ullmann, Die Machtstellung des Papsttums (1960) 438; Haller, Papsttum22, 394; Koch, Auf dem Wege zum Sacrum Imperium (1972) 19 und 77; Beumann, Tribur, Rom und Canossa (VuF 17, 1973) 53; Robinson, Authority and Resistance (1978) 39-42 und 125; Tellenbach, Westliche Kirche (1988) 191; Laudage, Gregorianische Reform und Investiturstreit (1993) 100; Schieffer, Gregor VII. und die Könige Europas (Studi Gregoriani 13, 1989) 207 f.; Benz, Eschatologie und Politik bei Gregor VII. (Studi Gregoriani 14, 1991) 15 f.; Leonardi, Agostino e il Medioevo. Una lettera di Gregorio VII a Ermanno di Metz, in: Il "De Civitate Dei" (1996) 359 ff.; Cowdrey, Pope Gregory VII (1998) 147 ff.; Robinson, Henry IV (1999) 154 f.; Blumenthal, Gregor VII. (2001) 227; Schubert, Königsabsetzung im deutschen Mittelalter (Abh. Göttingen 3. Folge 267, 2005) 145; Erkens, Der pia Dei ordinatione rex, in: Vom Umbruch zur Erneuerung (2006) 81; Gresser, Synoden und Konzilien in der Zeit des Reformpapsttums (2006) 162; Hehl, König – Kaiser – Papst, in: Salisches Kaisertum (2007) 15; Melve, Inventing the Public Sphere (2007) 220 ff.; R. Schieffer, Papst Gregor VII. (2010) 58; Weinfurter, Canossa als Chiffre, in: Canossa. Aspekte einer Wende (2012) 133; Althoff, "Selig sind, die Verfolgung ausüben" (2013) 48; Patzold, Frieds Canossa, Geschichte heute 6/2 (2013) 38 Anm. 71.

Nachträge

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Empfohlene Zitierweise

RI III,2,3 n. 827, in: Regesta Imperii Online,
URI: http://www.regesta-imperii.de/id/c236cae5-71f0-4b80-a9ba-89a7f52625ae
(Abgerufen am 28.03.2024).