RIplus | SFG: Bischöfe und Domkapitel von Augsburg - Bd. 1: Wikterp - Walther I. von Dillingen (769-1152)

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König Heinrich IV. setzt seinen Kapellan Siegfried, der schismatisch gewählt worden war (scismate electus), als Bischof von Augsburg (Augusta) ein. - In nativitate sanctae Mariae, Augustae.

Überlieferung/Literatur

Annales Augustani (11. Jh.) MG SS 3, 129; Bertholdi annales (11. Jh.) MG SS 5, 301, vgl. auch die Erwähnung zu 1078, MG SS 5, 309 f; Bischofslisten (12. Jh.): MG SS 13, 334; 14, 559; 15 II, 1308.

Kommentar

Namensformen: Sigifridus, Sigefridus, Sigefredus, Sigifredus. Die nahezu gleichzeitigen Annales Augustani, die Urkunde Bischof Nortperts von Chur von 1085 (s. Nr. 352) und das Augsburger Domnekrolog (15./16. Jh.; s. Nr. 365) versehen Siegfried mit der Ordnungszahl (Ann. Aug. zu 1096; Sigefridus secundus Augustensis episcopus; MG SS 3, 135). Der Gebrauch der Ordnungszahl in der Datierung der Habacher Urkunde von 1085 (s. Nr. 352) ist offensichtlich in Anlehnung an die Diplome Heinrichs III. und Heinrichs IV. zu erklären; dort ist in der Datierung die Verwendung der Ordnungszahl beim Königsnamen üblich. Auch in Aufzeichnungen des Domkapitels kommt die Ordnungszahl zur Kennzeichnung Bischof Siegfrieds vor (s. Nr. 344).

Die Vorgänge nach dem Tod Embrikos (s. Nr. 340) sind nicht völlig eindeutig zu klären; nach den Annalen Bertholds ersetzte Heinrich IV. den rechtmäßig gewählten Kandidaten Wigolt (s. Nr. 341) kurzerhand durch seinen Kapellan Siegfried; die Formulierung der Annales Augustani (vgl. dazu auch Loewe 65 f) läßt vermuten, daß in Augsburg nach Embrikos Tod eine zwiespältige Wahl stattgefunden hatte, die dann der König durch die Ernennung des ihm genehmen Kandidaten entschied. Auf die Ernennung Siegfrieds nimmt auch der wohl zu 1099 gehörige, an Bischof Hermann gerichtete Brief (s. Nr. 374) Bezug sowie das Schreiben Bischof Herrands von Halberstadt von 1094 (Walrami et Herrandi epistolae De causa Heinrici regis conscriptae, 1094/95, MG Lib. de lite 2, 289; MG SS 17, 11 f; vgl. zu dieser Quelle Manitius 3, 44; Wattenbach-Holtzmann 409). Als Motiv für das Eingreifen Heinrichs IV. bei der Besetzung des Bistums Augsburg wird die von dem neuen Bischof erwartete Waffenhilfe (pro gladio) genannt; als weitere, simonistisch eingesetzt werden genannt die Bischöfe [Karl oder Otto I.] von Konstanz (Ladewig-Müller 1, 62 Nr. 486, 64 Nr. 498 zu 1069 oder 1071), [Herimann] von Bamberg (v. Guttenberg 196 Nr. 381 zu 1065), [Werinher] von Mainz (Böhmer-Will 1, 217 Nr. 1 zu 1084), [Gebhard IV.] von Regensburg (Janner 1, 572 zu 1089), [Theobald oder Otto] von Straßburg (Wentzcke 1, 289, Nr. 332, 290 Nr. 335 zu 1079 oder 1082/84) und [Erpho] von Münster (MG Lib. de lite. 2, 289 Anm. 4 zu 1084), ferner Abt Ruozelinus von Fulda (ebd. Anm. 3 zu 1075); zu diesem Brief vgl. auch Meyer v. Knonau, Jb. Heinrichs IV. u. Heinrichs V. 4, 438 ff; Bonin 35.

Vgl. auch insgesamt Meyer v. Knonau, Jb. Heinrichs IV. u. Heinrichs V. 2, 63 ff; Zoepfl, Bischöfe 103 f; HB d. bayer. Geschichte 3, 847; Bonin 12 f; J. Fleckenstein, Hofkapelle und Reichsepiskopat unter Heinrich IV., in: Vorträge und Forschungen 17 (1973) 129.

Herkunft: Nach der im frühen 16. Jahrhundert überlieferten Schenkung Siegfrieds (s. Nr. 344) verfügte er über Güter in Mertingen und Zusamzell; der Schluß daraus, daß er deshalb aus der in dieser Gegend begüterten Familie der Marschälle von Donnersberg stamme, wurde schon von den augsburgischen Historiographen des 16. Jahrhunderts gezogen (vgl. die Zusammenstellung bei Zoepfl, Bischöfe 103 Anm. 5), weil man annahm, daß es sich bei den Stiftungsgütern um Eigengut gehandelt habe. Der Beleg dafür steht aus; es kann sich genausogut um Besitz der mensa episcopalis gehandelt haben (so vermutet Dertsch, in: AHAug 6, 405 für den Ort Zusamzell). Das nach der Burg Donnersberg (Donnsberg, Gem. Nordendorf, Lkr. Donau-Ries; vgl. Dertsch, in: AHAug 6, 355) genannte Geschlecht, erstmals nachweisbar mit Siegfried von Donnersberg als Zeuge in einer Traditionsnotiz für St. Ulrich und Afra in Augsburg neben anderen, wohl wittelsbachischen Ministerialen im Jahr 1135 (MB 22, 35), stellte die bischöflich augsburgischen Marschälle (Kdm. Donauwörth 35 f; HAB Wertingen 26, 34; Histor. Stätten Bayern 2524 f); es war verwandt mit den Ministerialen von Oberndorf und Kühlental. Daß Bischof Siegfried aus dieser Familie stammt, ist äußerst unwahrscheinlich. Bisher gilt als erster Bischof, der aus einer ministerialischen Familie stammt, Siegfried III. von Rechberg (1208-1227; Zoepfl, Bischöfe 159 f). Verwandtschaftliche Beziehungen zu den Donnersberg hatte sicher Bischof Siegfried IV. von Algishausen (1286-1288; Zoepfl, Bischöfe 223). - Auf Siegfried III. von Rechberg bezieht sich wohl die in einer pappenheimischen Quelle (um 1800) überlieferte Nachricht, daß Siegfried II. 1085 Ulrich I. von Rechberg getauft haben soll (Haupt Graf zu Pappenheim, Die frühen Pappenheimer Marschälle vom 12. bis zum 16. Jahrhundert, 2 [1927] 98). Die zur Reichsministerialität gehörenden Marschälle von Biberbach-Rechberg-Pappenheim haben mit den Marschällen von Donnersberg genealogisch wohl nichts zu tun (Dertsch, in: AHAug 6, 509, 512).

Die Stellung Siegfrieds als Mitglied der königlichen Kapelle Heinrichs IV. (capellanus) wird bei seiner Einsetzung durch den König erwähnt (Bertholdi annales zu 1077; MG SS 5, 301). Er dürfte identisch sein mit dem 1073, August, genannten regis capellanus Siegfried, der zusammen mit Herzog Bertold [von Kärnten] und Bischof Friedrich [von Münster] die Gesandtschaft Heinrichs IV. zu den Sachsen unter Führung Ottos von Northeim bildete (Brunos Buch vom Sachsenkrieg cap. 27; MG Deutsches Mittelalter 2, 31; Schmale, Quellen zur Geschichte Kaiser Heinrichs IV. 228 f); zu diesen Vorgängen vgl. Meyer v. Knonau, Jb. Heinrichs IV. u. Heinrichs V. 2, 250; Lange, in: Niedersächsisches Jb. f. Landesgeschichte 33, 47 f. - Die Nennung Siegfrieds im Nekrolog von St. Emmeram in Regensburg (s. Nr. 365) ist möglicherweise auch ein Hinweis auf seine Stellung in der königlichen Kapelle, da dort verschiedene, sonst in keiner Beziehung zu Regensburg stehende hohe Geistliche aufgeführt sind, deren Beziehungen nur über das königliche Stift der Alten Kapelle in Regensburg erklärt werden können (Klewitz, in: AUF 16, 126).-Auch mit dem Domstift St. Simon und Juda in Goslar, aus dem viele Mitglieder der königlichen Kapelle hervorgegangen sind (vgl. Nr. 276), wurde Siegfried in Zusammenhang gebracht, ohne daß dafür Quellenbelege beizubringen sind (Meier, Domkapitel 63, 168, 194, 207). Als Angehöriger dieses Stiftes oberdeutscher Abkunft und weltgeistlichen Standes gilt der Verfasser des Carmen de bello Saxonico (Ausgabe mit deutscher Übersetzung von Schmale, Quellen zur Geschichte Kaiser Heinrichs IV., 142 ff; ältere Ausgaben s. Wattenbach-Holtzmann 372 Anm. 47), den man darum mit dem Kapellan Siegfried, dem späteren Augsburger Bischof, identifizieren wollte; so schon H. Floto, Kaiser Heinrich IV. und sein Zeitalter, 2 (1856) 427; dessen Vermutung halten O. Holder-Egger, Studien zu Lambert von Hersfeld II, in: NA 19 (1894) 402 Anm. 4; Meyer v. Knonau, Jb. Heinrichs IV. u. Heinrichs V. 2, 853 Anm. 206; Zoepfl, Bischöfe 103 für nicht unmöglich. Zu dem Werk und seinem Verfasser vgl. vor allem Wattenbach-Holtzmann 372-377, 120+ und Manitius 3, 656 ff; die umfangreiche kontroverse Literatur samt den Ausgaben s. im Repertorium Fontium 3, 137 f. - Zusammenfassende Literatur über Siegfried: Braun, Bischöfe 2, 1-17; Zoepfl, Investiturstreit 309-316; Zoepfl, Bischöfe 102-109.

Aus der Zeit Bischof Siegfrieds II. sind auch die unter seinen Vorgängern Heinrich II. und Embriko geprägten Münzen der bischöflichen Münzstätte bekannt; Gepräge mit seinem Namen fehlen (vgl. Steinhilber 38; s. oben Nr. 276, 304). Aus der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts stammen auch die unter dem Namen König Heinrichs IV. geprägten Münzen der Augsburger Münzstätte (Steinhilber 106 Nr. 32).

Bei dem Aufenthalt in Augsburg anläßlich der Einsetzung Siegfrieds bestellte Heinrich IV. den Augsburger Kanoniker Heinrich zum Patriarchen von Aquileja (s. Nr. 305), da der bisherige Patriarch Sigehard am 12. August in Regensburg gestorben war (s. Nr. 338); Annales Augustani (11. Jh.) MG SS 3, 129, vgl. Loewe, Ann. Aug. 65 f. In Aquileja hatten Klerus und Volk den dortigen Archidiakon zum Nachfolger Sigehards gewählt und die Wahl Papst Gregor Vll. angezeigt, der sie überprüfen wollte (MG EE sel. 2 II, 352 ff Nr. V, 5 und 6; IP 7 I, 32 Nr. 66 und 67; 55 Nr. 1; JL 1, 623 Nr. 5049 und 5050; Bonin 14 f). In den Annalen Bertholds (zur Verfasserfrage s. Nr. 335) wird die Einsetzung Heinrichs ebenfalls erwähnt (MG SS 5, 301) mit der Bemerkung, daß der rechtmäßig gewählte Kandidat vom König und dem Augsburger Domkanoniker, der königlicher Kapellan war, verdrängt worden sei (vgl. Meyer v. Knonau, Jb. Heinrichs IV. u. Heinrichs V. 3, 65 ff). - 1079 erhielt Patriarch Heinrich durch Gregor VII. die Erlaubnis, das Pallium außer an den der Kirche von Aquileja zugestandenen Festtagen auch an den Tagen des hl. Udalrich (4. Juli) und der hl. Afra (7. August) zu tragen (MG EE sel. 2 II, 454 Nr. 38; IP 7 I, 33 Nr. 70; JL 1, 632 Nr. 5131; vgl. Meyer v. Knonau, a.a.O. 3, 182 Anm. 15). Der Herkunft entsprechend war dem Patriarchen Heinrich offensichtlich an der Verbreitung des augsburgischen Udalrich- und Afra-Kultes gelegen.

 

Nachtratg:

 

Zur Herkunft Bischof Siegfrieds vgl. Klebel, in: Vorträge und Forschungen 1, 228. - Zu den Beziehungen Bischof Siegfrieds zu König Heinrich IV. vgl. Kottje, in: HJb 97/98, 149 f; Schieffer, Investiturverbot 157; Vogel, Gregor VII. und Heinrich IV. 88 f, 133 f.

Ein angeblich Bischof Siegfried II. gehöriges Siegel aus dem Jahr 1077 erwähnt E. Frhr. von Berchem, Siegel (1923) 90 (mit Abbildung); Groten, in: HJb 100, 163 erklärt das Stück für gefälscht. Es handelt sich bei dem von Berchem wiedergegebenen Siegel um den Abdruck von einem Typar Bischof Siegfrieds III. von Augsburg (1208-1227); dieses Siegel ist einwandfrei echt; s. Feist-Helleiner, in: AZ 37, 84 (mit Abbildung Nr. 5 auf Tafel 2/3).

Über den aus Augsburg stammenden Patriarchen Heinrich von Aquileja und seine Beziehung zu Papst Gregor VII. s. Vogel, Gregor VII. und Heinrich IV. 147.

 

Regest übernommen aus: Die Regesten der Bischöfe und des Domkapitels von Augsburg, bearbeitet von Wilhelm Volkert (Veröffentlichungen der Schwäbischen Forschungsgemeinschaft, Reihe 2b), Augsburg 1985, S. 204ff.

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Empfohlene Zitierweise

RIplus Regg. B Augsburg 1 n. 342, in: Regesta Imperii Online,
URI: http://www.regesta-imperii.de/id/c5f0eafa-2119-4215-8cca-b150b41c1203
(Abgerufen am 29.03.2024).

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