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RIplus | SFG: Bischöfe und Domkapitel von Augsburg - Bd. 1: Wikterp - Walther I. von Dillingen (769-1152)

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Folgt auf Bischof Lanto.

Kommentar

Namensformen: Witgarius, Uuitgarius, Uuittecherius, Wicgarius, Uuicharius, Wiggarius, Vuitgarius, Wicgerus, Wiccherus, Wigger, Wicker, Luitgarius.

 

Die Bischofslisten (11. Jh.) MG SS 13, 279, 334; 14, 558; 15 II, 1308 vertauschen die Reihenfolge der Bischöfe Lanto und Witgar, nach den urkundlichen Quellen sind sie richtigzustellen (vgl. auch Nr. 1, 33). - Nach dem Chronicon Ottenburanum (13. Jh.) MG SS 23, 616 wäre Witgar Abt dieses Klosters gewesen, doch fehlen Nachrichten darüber außer der Bezeichnung „Witgarius abbas“ auf der Synode von Koblenz 860 (vgl. auch Steichele, ABtAug 2, 22; Lindner, Monast. 89, dessen Jahresangabe 856 ist urkundlich nicht belegt). Es ist unwahrscheinlich, daß er als Bischof von Augsburg die Abtwürde noch bekleidete, trat er doch später als Schiedsrichter in Streitigkeiten zwischen den Klöstern Kempten und Ottobeuren auf (Nr. 47).

 

Von 858 Februar 2 - 860 Sommer ist Witgar als Oberkanzler (Kanzleileiter) Ludwigs d. D. bekannt (vgl. Kehr, Kanzlei Ludwig d. D. bes. 11 f; MG DKar. Germ. 1, XXIII). Die Herkunft Witgars sei unbekannt, meint H. Zatschek, Ludwig d. D. 61. Seine Stellung in der schwäbischen Abtei dürfte jedoch nicht zu bezweifeln sein. Zum Problem der Kanzleiorganisation vgl. auch Klewitz, DA 1, 55 f).

Folgende Urkunden Ludwigs d. D. werden „advicem Witgarii (cancellarii)“ rekognosziert:

a) 858 Februar 2, Regensburg, Ludwig d. D. bestätigt Tausch zwischen Abt Wippo von Metten und Mundschenk Wippo. MG DKar. Germ. 1, 126 f Nr. 88; RI 21 Nr. 1430.

b) 858 März 18, Frankfurt, Ludwig d. D. für Kloster Lorsch. MG DKar. Germ. 1, 127 f Nr. 89; RI 21 Nr. 1431. Hier wird zwar Grimald in der Rekognition genannt, doch handelt es sich sehr wahrscheinlich bei diesem Namen um einen Nachtrag bei späterer Aushändigung der Urk., die sicher unter der Kanzleileitung Witgars entstand (MG DKar. Germ. 1, XXIII).

c) 858 April 12, Frankfurt, Ludwig d. D. für den Vasallen Wolvene. MG DKar. Germ. 1, 128 ff Nr. 90; RI 21 Nr. 1432.

d) 858 April 16, Frankfurt, Ludwig d. D. für St. Felix und Regula in Zürich. MG DKar. Germ. 1, 131 f Nr. 91 ;RI 21 Nr. 1433.

e) 858 April 29, Frankfurt, Ludwig d. D. bestätigt Abkommen zwischen B. Gebahard von Speyer und dessen Vasallen. MG DKar. Germ. 1, 132 ff Nr. 92; RI 21 Nr. 1434.

f) 858 Juni 13, Frankfurt, Ludwig d. D. für Kl. Herford. MG DKar. Germ. 1, 134 f Nr. 93; RI 21 Nr. 1435.

g) 858 Dezember 7, Attigny, Ludwig d. D. für Tuto. MG DKar. Germ. 1, 135 f Nr. 94; RI 21 Nr. 1436.

h) 859 April 25, Frankfurt, Ludwig d. D. für Kl. Herford. MG DKar. Germ. 1, 137 f Nr. 95; RI 21 Nr. 1437.

i) 859 Mai 1, Frankfurt, Ludwig d. D. für Kloster St. Emmeram in Regensburg. MG DKar. Germ. 1, 138 ff Nr. 96; RI 21 Nr. 1438.

k) 859 Mai 22, Frankfurt, Ludwig d. D. für die Kirche zu Paderborn. MG DKar. Germ. 1, 140 f Nr. 97; RI 21 Nr. 1439.

l) 859 September 24, Ostermieting (Ld. Salzburg), Ludwig d. D. für Chorbischof Alberich von Passau. MG DKar. Germ. 1, 142 Nr. 98; RI 21 Nr. 1440.

m) 859 Oktober 1, Ranshofen (Oberösterreich), Ludwig d. D. für den Grafen Wittagowe. MG DKar. Germ. 1, 143 f Nr. 99; RI 21 Nr. 1441.

n) 860 Februar 20, Regensburg, Ludwig d. D. für Kloster Altaich. MG DKar. Germ. 1, 144 f Nr. 100; RI 21 Nr. 1442.

o) 860 Mai 8, Regensburg, Ludwig d. D. für Kloster Mattsee. MG DKar. Germ. 1, 145 f Nr. 101; RI 21 Nr. 1443.

p) 861 Juli 8, Bürstadt (Kr. Bergstraße/Hessen), Ludwig d. D. für den Grafen Christian. MG DKar. Germ. 1,150 f Nr.104; RI 21 Nr. 1446. Die wohl schon 859 oder 860 fertiggestellte Urkunde wurde erst 861 mit der entsprechenden Datierung versehen ausgehändigt; man darf aus der Rekognition nicht schließen, daß Witgar noch Kanzleileiter war. Er hatte das Amt schon zwischen Juni und September 860 an den Archicapellanus Grimald abgegeben (vgl. die im Auftrag Grimalds rekognoszierte Urkunde von 860 September 20, MG DKar. Germ. 1, 147 f Nr. 102, XXIII; Kehr, Kanzlei Ludwigs d. D. 12, 29. Die dagegen vorgebrachte Bemerkung von H. Sohns, Die Bischofseinsetzung im ostfränkischen Reich unter König Ludwig d. D. 9 ff [Diss. Berlin 1938] ist nicht zutreffend).

Witgars Stellung als Kanzleivorstand Ludwigs d. D. war auch der Anlaß zu seiner Anwesenheit bei der Synode von Koblenz 860:

860 Juni 5-7 Koblenz, Kirche St. Kastor.

Abt Witgar [von Ottobeuren] nimmt neben 11 Bischöfen, 1 Abt und 33 weltlichen Großen aus den drei karolingischen Teilreichen Ludwigs d. D., Karls d. K. und Lothars II. an der Versammlung teil, deren Ergebnis der Friedensschluß der königlichen Brüder ist. Nonis iunii - VII. idus iunias.

MG Cap. 2, 152-158 Nr. 242; Annales Fuldenses (9. Jh.) MG SS Schulausg. 54. - RI 21 Nr. 1443 b.

Im Anschluß an die Bischofsreihe ist Witgar ausdrücklich als „abbas“ bezeichnet (zur Identifizierung der anwesenden Weltlichen vgl. Eckhart, Francia orient. 2, 476 ff. Dümmler, Ostfr. Reich 21, 456 ff).

 

Der Beginn von Witgars Augsburger Episkopat kann nicht genau festgestellt werden. Am wahrscheinlichsten ist die Annahme, daß er nach seinem Ausscheiden aus dem Hofdienst Ludwigs d. D. den Bischofssitz erhielt, etwa Ende 860 oder Anfang 861 (so auch Kehr, MG DKar. Germ. 1, XXIII). Sicher nicht richtig ist der Ansatz von Braun, Gesch. 1, 145 f zum Jahr 857, da Witgar noch 860 als Abt erscheint. Das Schreiben Papst Nikolaus I. (Nr. 39) kann nicht zur Datierung von Witgars Regierungsantritt herangezogen werden; denn die Liste der dort genannten Geistlichen dürfte nach der der Synode von 868 gebildet sein (Nr. 45).

Eine Formel der „Collectio Sangallensis“ wurde fälschlich auf den Bischof von Augsburg der Zeit Witgars bezogen (wegen der Formel MG Form. 399 Nr. 5 vgl. Nr. 48):

Bischof N. beauftragt seinen Viztum Nr., für den nach Rom reisenden Bischof Gebehard von Speyer in Pollingen am 13. Mai [877] Quartier vorzubereiten, der Viztum gibt den Auftrag an den Procurator in Pollingen weiter.

MG Form. 418 f Nr. 34 und 35 ( = Dümmler, Formelsammlung Salomons III. 42 f Nr. 35 und 36); Wopfner, Urkunden zur deutschen Agrargeschichte 1, 56 f Nr. 49. - Ladewig-Müller 1, 22 f Nr. 163.

Die ältere Forschung suchte den hier genannten Ort in Polling (Lkr. Weilheim), der auftragende Diözesan müßte also Witgar sein, die Lage an der Italienstraße könnte dafür sprechen (Eccard, Leges Francorum 244). Da jedoch sicher ein konstanzischer Viztum angesprochen wird, dürfte es sich um Bohlingen bei Radolfzell am Bodensee handeln (Dümmler, Formelsammlung Salomons III. 131; Zeumer, NA 8, 525). Über den 3. Teil des Formelbuches, die Konstanzer Sammlung, der diese Formel überliefert, vgl. bes. v. d. Steinen, ZSchwG 25, 463-470.

 

Die Nachricht der älteren ottobeurischen Geschichtsschreibung, Witgar habe vier Jahre vor seinem Tod in der Schweiz als Missionar gewirkt, ist ohne älteren Quellenbeleg und daher unglaubwürdig (Das von der gottseligen Milde Sylachi gestiftete .... 1000-jährige Ottobeyren 13; schon M. Feyerabend, Jahrbücher des Reichsstifts Ottenbeuren 1, 252 zweifelt daran, Braun, Gesch. 1, 150 lehnt die Nachricht mit Recht völlig ab. Vgl. auch Formulae instr. 1541/45 im Ord.A Augsburg; Zoepfl, Bischöfe 54).

Die enge Verbindung Witgars zur königlichen Familie zeigt ein Geschenk der Königin Hemma, der Gemahlin Ludwigs d. D.: Der Witgariusgürtel (1,347: 0,038 m; Augsburg, Diözesanmuseum, Inv. III 1). Es ist die leere Hülle eines verschollenen, legendären Mariengürtels mit der eingewebten Inschrift „Witgario tribuit sacro spiramine plenum (!)/hanc zonam regina nitens sanctissima Hemma“. Diese Inschrift, sowie das ganze Erscheinungsbild des in sog. Brettchenweberei hergestellten Stückes ergeben einwandfrei die Entstehung im 9. Jh. (vgl. dazu bes. O. Schmitt, Reallexikon zur deutschen Kunstgeschichte 2 [1948] 1143 f mit Teilabbildung, hier ist allerdings die Spenderin irrtümlich als Gemahlin Ludwigs d.Fr. angegeben, ebenso die Regierungszeit Witgars unzutreffend). Wann Witgar den Gürtel von der Königin erhielt, ist nicht genau festzustellen. Er wird das Geschenk zwischen 858 (Beginn der Tätigkeit in der Reichskanzlei) und 876 (Todesjahr der Königin Hemma; RI 21 Nr. 1517 h) empfangen haben (weitere Lit.: Braun, Gesch. 1, 148 f; ders., Domkirche in Augsburg 69-72; Kraft, Bonner Zs. für Theologie und Seelsorge 8, 237; ders., OA 74, 486. Über Königin Hemma: Dümmler,

Ostfr. Reich 22, 424 f, mit falscher Angabe „regina pulcherrima“ nach MG SS 4, 422 Anm. 93). Nach Braun,

Domkirche 71 war zu Anfang des 19. Jh. der Gürtel noch vorhanden, der wohl aus der gleichen Zeit wie die Hülle stammte.- Eine erschöpfende Beschreibung des Zingulums mit Literaturhinweisen und guter Abbildung s. in: Sakrale Gewänder des Mittelalters, Ausstellung im Bayer. Nationalmuseum München 1955 [Katalog] 14 Nr. 4, Abb. auf Tafel 1.

 

Eine Hs. des 12. Jh. aus Kloster Göttweig (jetzt Wien, Nationalbibl. 691; 215 fol. 20) dürfte die Abschrift eines Bischof Witgar gehörigen Codex’ sein. Diese enthält nach Schriften des Pseudo-Eucherius (Commentarii in Genesin und in Regum) die Nachschrift: Scribenti salus, legenti vita, possidenti victoria, Witigario Christique pontifici gloria sempiterna (Beschreibung der Hs. bei M. Denis, Codices manuscripti theologici bibliothecae palatinae Vindobonensis lat. 1 I [1793] 1061-64 Nr. CCLXXXV. Den Hinweis auf diese Hs. verdanke ich Herrn Univ.-Prof. Dr. Bernhard Bischoff, München). Die Behauptung von Denis, der Codex sei in Ottobeuren entstanden, ist unbewiesen; unrichtig ist seine Mitteilung, daß Witgar 902 gestorben sei.

 

Nachtrag:

 

Über Witgars Stellung als Abt von Ottobeuren vgl. Schwarzmaier, Königtum 16, 18, 33 ff. Ders., Ottobeuren 50 ff setzt die Abtzeit Witgars in Ottobeuren in die Jahre 860-867. Über seine Herkunft aus der Hofkapelle vgl. Fleckenstein, Hofkapelle 1, 174 f. - Beschreibung und Abbildung des sogenannten Witgar-Zingulums s. Suevia Sacra 195 f Nr. 203 und Abb. 192 (mit weiteren Literaturnachweisen); Augsburg (1984) Abb. 30; das Kleinodien-Inventar des Domes von 1582 erwähnt den Gürtel (Cgm 2913, fol. 3 f). - Zur Synode von Koblenz (860 Juni 5-7) vgl. Oediger

57 f Nr. 175.

 

Regest übernommen aus: Die Regesten der Bischöfe und des Domkapitels von Augsburg, bearbeitet von Wilhelm Volkert (Veröffentlichungen der Schwäbischen Forschungsgemeinschaft, Reihe 2b), Augsburg 1985, S. 37ff.

Nachträge

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Empfohlene Zitierweise

RIplus Regg. B Augsburg 1 n. 38, in: Regesta Imperii Online,
URI: http://www.regesta-imperii.de/id/ae499aab-4e64-4f80-8514-dbf887539d7f
(Abgerufen am 28.03.2024).

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