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RIplus | Erzbischöfe von Mainz - Abt. 1, Bd. 2 (1328-1353)

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Über das Geschlecht der Grafen von Virneburg, in dessen Geschichte das 14. Jahrhundert „die Glanzzeit darstellt“, handelt ausführlich Kisky (Regesten der Erzbischöfe von Köln 4 [1915]) in der Einleitung zu Erzbischof Heinrich II. von Köln (1306--1332)1. Dessen Neffe, ein Sohn seines Bruders Ruprecht, ist unser Heinrich (1328--1353). H.s Vater Ruprecht zählte bereits im Jahre 1308 zu den Toten2; die Mutter Kunigunde -- ihren Familiennamen erfahren wir nicht -- wird noch 1319 als lebend erwähnt8.

Überlieferung/Literatur

Die zahlreichen geistlichen Verwandten, insbesondere Erzbischof Heinrich von Köln [seit 22. Januar 1306], wiesen Heinrich v. V. in die geistliche Laufbahn, in der er mit dessen Hilfe rasch vorankam. Noch in jungen Jahren (in minori constitutus etate), geraume Zeit vor 1312 (olim), war er bereits im Besitze der Pfarreien Asbach in der Kölner- und Welling4 in der Trierer Diözese, und er hat diese, jedenfalls über das Jahr 1312 hinaus, behalten, ohne sich zum Priester weihen zu lassen5; ja er hat sogar (vor dem 18. April 1313) noch eine dritte Pfarrei, zu Lohne, hinzugenommen6. Heinrich von Virneburg ist außerdem, mindestens seit 1308, im Besitze der Propstei zu Soest, mit der seelsorgerliche Verpflichtungen verbunden sind, und er hat im Laufe der Jahre (diversis temporibus) bepfründete Kanonikate in Köln, Trier7 und Bonn erworben; auch erscheint er im Jahre 1312 als providiert mit der Scholasterie zu St. Gereon in Köln, die ihm damals allerdings von einem Mitbewerber streitig gemacht wurde8. Trotz alledem reservierte ihm Papst Clemens V. am 21. Juni 1312 im Kölner Dom oder an irgend einer anderen Kirche der Stadt oder Diözese Köln eine gehobene Stelle (dignitatem seu personatum vel officium cum cura vel sine cura)9; und da nun der Papst gleichzeitig den Erzbischof von Köln ermächtigte, bestimmte Benefizien, auch Dignitäten und Personate, in Stadt und Diözese Köln im Namen des Papstes zu vergeben10, so wäre es immerhin denkbar, daß in der Urkunde des Erzbischofs Heinrich vom 30. Juni 131311 nicht, wie Kisky annimmt, der Name „Heinrich von Virneburg“ für „Gerhard“ verschrieben ist, sondern der Erzbischof tatsächlich in der Zeit vom 21. Juni 1312 bis zum 30. Juni 1313 seinen Neffen Heinrich, wenn auch nur vorübergehend, zum Domscholaster ernannt hat12. Seit 1313 erscheint dieser sodann als Propst von St. Cassius in Bonn13. Als solcher hat er in den Jahren 1315 und 1316 den abwesenden erzbischöflichen Onkel vertreten, indem er sich bald als dessen „Stellvertreter in geistlichen und weltlichen Dingen“, bald nur „in geistlichen Dingen“, bald als dessen Generalvikar bezeichnet14. Im September 1328 hat er die Vermittlung übernommen in dem Streite des Erzbischofs mit der Stadt Köln15.

Zweimal hat unser Heinrich von Virneburg sich Irregularität zugezogen; das erste Mal dadurch, daß er „pro defensione iurium Coloniensis ecclesie“ -- geraume Zeit vor 1312 (olim) -- bewaffnet an zwei Kämpfen (conflictibus) teilgenommen hatte, ohne jedoch jemanden zu töten oder zu verwunden16, das zweite Mal dadurch, daß er die Pfarreien Asbach und Welling, ohne sich zum Priester weihen zu lassen, über die zulässige Frist hinaus in der Hand behielt17. Papst Clemens V. hat am 21. Juni 1312 diesen doppelten Makel von ihm genommen (omnem ambitionis, infamie seu irregularitatis notam forsan.. obortam). Johannes XXII. hat am 18. September 1328 auf Heinrichs Bitte den Freispruch seines Vorgängers inbezug auf die Teilnahme an einigen Kämpfen (aliquibus), wie es diesmal bemerkenswerterweise heißt, (in quibus vulnera atque cedes hominum perpetrata fuerunt, licet in eisdem conflictibus seu cedibus nullum interfecisse te asseras seu etiam mutilasse), erneuert (cum .. ob hoc dubites irregularitatis et inhabilitatis maculas incurrisse, nos .. omnem irregularitatem, si quam ob premissa vel aliquod premissorum quomodolibet contraxisti, .. penitus abolemus)18.

Wegen des unkanonischen Genusses seiner Benefizien hatte ihn Johannes XXII. schon am 30. Juni 1328 rehabilitiert (omnis irregularitatis, inhabilitatis et infamie maculas sive notas .. abolemus teque plene habilitamus et in integrum restituimus)19. Aus den hierher gehörigen Urkunden erfahren wir, daß zu den früheren Pfründen inzwischen noch ein Kanonikat und sogar die Propstei von St. Aposteln in Köln hinzugekommen waren20. Da H. gegen die Constitution „Execrabilis“ verstoßen und infolgedessen seines Anspruchs auf die Propsteien verlustig gegangen war, so bestimmte Johannes, daß ihm die 3 Propsteien von Bonn, Soest und St. Aposteln in Köln von neuem übertragen würden (commendare curetis); die Pfarrei Asbach solle er aufgeben (dimittere teneatur)21. Über die Bonner Propstei und die zugehörigen Obedienzen hat Papst Johannes schon im Oktober 1328 zu Gunsten des Propstes von St. Severin, Heidenreich von Essen, verfügt, (quas Henricus electus Maguntinus nunc obtinet queque in proximo vacare sperantur per Henrici consecrationem); doch hat Heidenreich sie niemals erlangt22. Papst Johannes hat sie dann später seinem Notar mag. Bernardus Stephani übertragen23; aber er mußte zu seinem Leidwesen, wie er am 3. Februar 1332 klagt, erfahren, daß Heinrich von Virneburg sich weigerte, sie herauszugeben24. Über die Propsteien von Soest und St. Aposteln hat der Papst erst im Jahre 1338 verfügt25. Der Erhebung H.s zum Erzbischof von Mainz hat der Onkel in Köln sicherlich vorgearbeitet. In seinem Sinne wird Graf Ruprecht II., der Neffe des Kölners, Bruder des Mainzers, tätig gewesen sein, der am 24. August 1326 als Gesandter seines Onkels (zusammen mit Herzog Albrecht, dem Bruder Friedrichs des Schönen, und Graf Hugo von Buchegg, dem Abgesandten des Mainzer Erzbischofs,) in Avignon erwartet wurde26, den wir auch im Januar 1327 dort antreffen27 und der vor dem 11. November 1328 von dort nach Deutschland zurückgekehrt ist28. Der Brief, den der Erzbischof von Köln nach dem Tode des Erzbischofs Mathias von Mainz († 9. Sept. 1328) an den Papst gerichtet hat29, jedenfalls um für seinen Neffen zu werben30, traf in Avignon erst ein, nachdem die Provision H.s schon erfolgt war. Der Papst hatte diese beschleunigt, da er in Deutschland eine Neuwahl betrieb und dafür auf die Mitwirkung eines ihm ergebenen Mainzer Erzbischofs angewiesen war31. Durchaus unerwünscht war die Erhebung Heinrichs von Virneburg den beiden Luxemburgern, Baldewin von Trier und König Johann von Böhmen. Sie sahen in den beiden Virneburgern von Köln und Mainz, den Parteigängern Friedrichs des Schönen, ihre geschworenen Feinde. Daher ihre Bemühungen, „ne persona tam execrabilis, nulli sciens servare fidem nec de ea servanda sufficienter cavere, ipsorum capitalis et notorius inimicus, .. tam potentis ecclesie ipsis vicine solium .. possideret; .. nam provisus“, so äußert sich Baldewins Notar Rudolf Losse in seiner Denkschrift vom Jahre 1336 [s. Reg. 3683], et d. quondam H. archiepiscopus Coloniensis astricti et colligati fuerunt cum d. quondam Friderico duce Austrie et eius fratribus .., regis et archiepiscopi capitalibus et notoriis eciam hodie (1336) inimicis“32. Anscheinend hatten sich deswegen die beiden Luxemburger an den König von Frankreich gewandt und hatte dieser, allerdings ohne Erfolg, den Papst gebeten, auf die Wünsche und Befürchtungen insbesondere des Böhmenkönigs Rücksicht zu nehmen33. Heinrich von Virneburg hatte außer dem wiederholt genannten Graf Ruprecht II. noch zwei Brüder: Johann, zunächst (mindestens seit 1314) Propst von Kerpen, sodann (spätestens seit 1328) von Xanten; und Gerhard, Archidiakon von Trier (schon 1308), und (etwa seit 1313) Domscholaster von Köln34. Erwähnt werden ferner zwei Schwestern: Mechtild, vermählt am 1. August 1308 dem Grafen Otto von Kleve, schon 1311 verwitwet; und Elisabeth, seit 1314 vermählt mit Herzog Heinrich von Österreich35. Sie war es vermutlich, die in dem Vertrage des Grafen Heinrich von Luxemburg (Heinrichs VII.) mit dem Erzbischof Heinrich von Köln vom 20. September 130836 als Braut für Heinrichs (des Luxemburgers) Bruder Walram in Aussicht genommen war. Eine merkwürdige Fügung, daß an die Stelle der damals beabsichtigten verwandschaftlichen Beziehungen später bittere Feindschaft trat37. Zu beachten ist, daß Heinrich v. V. später als Erzbischof einmal, am 3. März 1321, den Eberhard von Tomberg seinen consobrinus [s. auch Reg. 3758], am 26. März 1332 den Grafen Hermann von Orlamünde seinen consanguineus38, am 23. Mai 1340 den Grafen Otto von Eberstein seinen patruus, am 21. Mai 1329 den Grafen Friedrich von Leiningen und ebenso den Raugrafen Ruprecht im Jahre 1344 seinen Neffen und den Grafen Wilhelm zu Wied in diesem Jahre seinen Schwager nennt [s. spätere Regesten]. Die ersten 9 Jahre der Regierung Heinrichs von Virneburg behandelte H. Schrohe in der Beilage zum Jahresbericht des Großh. Gymnasiums zu Bensheim, Ostern 1902 (Beiträge zur Geschichte des Erzbischofs Heinrichs III. von Mainz): Der providierte Erzbischof und der postulierte Administrator im Streite um das Stift [1328--1337]). Die ganze Regierungszeit ergreift der entsprechende Abschnitt in der größeren Abhandlung desselben Verfassers: Mainz in seinen Beziehungen zu den deutschen Königen und den Erzbischöfen der Stadt bis zum Untergang der Stadtfreiheit (1462), in Beiträge zur Gesch. der Stadt Mainz 4 (Mainz 1915). „Untersuchungen über die Politik Erzbischof Heinrichs III. von Mainz und seines Kapitels in den Jahren 1337--1346“ hat neuerdings G. Uhl veröffentlicht im Archiv für hess. Gesch. und Altertumskunde (N. F. 15, 1. Darmstadt 1926).

Anmerkungen

  1. 1S. auch Iwansky, Gesch. der Grafen v. V. (Berliner Diss. 1912) und Möller, Stammtafeln westdeutscher Adelsgeschlechter (1922) S. 28 f.
  2. 2s. Reg. 3717.
  3. 3s. Reg. 3753.
  4. 4Über Welling hatten die Grafen v. V. das Patronat; s. Sauerland In Annalen des hist. Ver. für den Niederrhein 68, 12. Im Jahre 1297 hatte es Heinrichs Onkel, der spätere Erzbischof von Köln, clericus et consanguineus (Adolfi regis Romanorum), der sich übrigens damals bei Papst Bonifaz VIII. für den Virneburger verwandt hatte, inne (s. Sauerland, Urk. u. Reg. 1, 18 nr. 39; 19 nr. 40).
  5. 5s. Reg. 3729.
  6. 6s. Reg. 3731.
  7. 7Ob er freilich identisch ist mit dem Archidiakon von St. Mauritius zu Trier, der in einer vom Rhein. Antiq. III, 3 S. 1 angezogenen Urkunde (s. Schrohe S. 4) erwähnt sein soll, möchte auch ich dahingestellt sein lassen. Die von Kisky, Die Domkapitel der geistlichen Kurfürsten 85 nr. 316 angezogene Urkunde vom 11. Januar 1324, in der H. als Domherr von Trier begegnen soll, konnte ich nicht finden. Daß er indessen in Trier Präbendat-Kanoniker war, ergibt sich aus Regg. 3729, 3791 und Sauerland, Urk. u. Reg. 2, 229 nr. 1674.
  8. 8s. Reg. 3729. Am 10. Februar 1323 (nicht wie Jörres, Urkb. des Stiftes St. Gereon 306 nr. 298 behauptet, am 3. Febr.) erscheint Rutger von Altendorf als Scholaster; s. Kisky 331 nr. 1373.
  9. 9Dies ist aus dem Reg. nr. 704 von Kisky (Regesten der Erzbischöfe von Köln S. 150) nicht deutlich zu erkennen.
  10. 10Kisky 150 nr. 707.
  11. 11Kisky 162 nr. 768.
  12. 12Heinrichs Bruder Gerhard erscheint jedenfalls nicht vor dem 28. September 1313 (s. Kisky 166 nr. 785) als Domscholaster; vor allem nicht in der Urkunde vom 21. Juni 1312 (Kisky 149 nr. 703), wo man es erwarten könnte. Vgl. Kisky, Die Domkapitel S. 85.
  13. 13nach Kisky 196 nr. 893 der zweiten Kirche in der Erzdiözese Köln.
  14. 14s. Regg. 3739; 3740; 3742; 3746.
  15. 15s. Regg. 3758 und 3759. Vgl. dazu insbesondere Schrohe S. 4 f.
  16. 16s. Reg. 3729.
  17. 17l. c.
  18. 18s. Reg. 3796.
  19. 19s. Reg. 3791, 3792.
  20. 20Am 16. Nov. 1332 läßt der Erzbischof Heinrich v. V. vor Dekan und Kapitel von St. Aposteln erklären, daß er innerhalb der Immunität pluribus annis eine Kurie bewohne [s. spät. Reg.].
  21. 21s. Reg. 3792; vgl. damit 3729.
  22. 22s. Sauerland, Urk. u. Reg. 2, 187 nr. 1563; 189 nr. 1568; dazu vgl. man 2, 250 nr. 1724.
  23. 23s. Sauerland 2, 424 nr. 2076.
  24. 24l. c. 432 nr. 2094; doch s. Sauerland 2, 460 nr. 2160 vom 13. April 1333. Vgl. dazu Uhl in Arch. f. hess. Gesch. N. F. 15 (1926) S. 100.
  25. 25Sauerland 2, 540 nr. 2318 u. 2319. Über H.'s Trierer Kanonikat hat Papst Johannes am 3. März 1329 verfügt (Sauerland 2, 229 nr. 1674), über dasjenige zu St. Aposteln in Köln am 22. Juli 1338 (l. c. 2, 554 nr. 2342). Die Pfarrei zu Asbach hat H. allem Anscheine nach vor dem 19. Juni 1329 freiwillig aufgegeben (omnino dimisit; s. Sauerland 2, 253 nr. 1730), Welling vor dem 7. März 1329 (s. Sauerland 2, 232 nr. 1683).
  26. 26s. Reg. 2738 und Vogt, Erzbischof Matthias von Mainz S. 54.
  27. 27s. Schrohe, Erzbischof Heinrich III. S. 3.
  28. 28s. Kisky, Regesten 430 nr. 1780.
  29. 29s. Kisky 429 nr. 1772.
  30. 30l. c. 430 nr. 1780.
  31. 31Man vgl. besonders Schrohe S. 2.
  32. 32S. die Denkschrift Losses von 1336 (Stengel, Nova Alamanniae 1, 262 nr. 422) § 7, § 8.
  33. 33S. den Brief Papst Johanns an König Philipp von Frankreich vom 6. Okt. 1328 (Sauerland 2, 183 nr. 1553). Der Brief scheint mir bisher nicht ganz richtig interpretiert worden zu sein.
  34. 34S. darüber Kisky, Regesten (nach dem Index).
  35. 35Kisky 66 nr. 337; 173 nr. 816 Anm. 3. -- Kisky 183 nr. 849; 185 nr. 861.
  36. 36Kisky 75 nr. 380 § 10.
  37. 37Möller, Stammtafeln westdeutscher Adelsgeschlechter S. 28 und zugehörige Stammtafel, nennt, zum Teil nach dem Vorgang von Töpfer, Urkb. der Vögte von Hunolstein, noch zwei weitere Schwestern: Ponzetta, gest. vor 1308 als Gemahlin des Johann, Vogt von Hunolstein, und Kunigunde, Gemahlin des im Jahre 1324 verst. Johann von Arkel, diese jedenfalls zu Unrecht.
  38. 38S. auch Reg. zum 20. März 1331.

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RIplus Regg. EB Mainz 1,2 n. a, in: Regesta Imperii Online,
URI: http://www.regesta-imperii.de/id/af434433-a59f-470c-9688-604b6e8bf829
(Abgerufen am 23.04.2024).

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