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RIplus | Erzbischöfe von Mainz - Böhmer, Regesta archiepiscoporum Maguntinensium 1 (742?-1160)

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Lullus war von geburt ein Angelsachse, wie sich aufs unzweideutigste aus mehreren briefen von ihm und an ihn ergiebt. Ebenso gewiss ist sein eintritt in den mönchsstand und zwar scheint er dem kloster Meldun (Malmesbury) angehört zu haben. (Vergl. Vandermoere und Vanhecke in: AA. SS. Oct. 16, VII, 2, S. 1054.) Dagegen beruht die nachricht, dass er mit Bonifatius verwandt gewesen, nur auf der aus später zeit herrührenden Vita Lulli auctore anonymo. sowie auf einer nachschrift zu dem glaubensbekenntniss desselben aus dem 15. jahrhundert. (Vergl. unten z. j. 780.) Die ankunft Lull's in Deutschland lässt sich mit ziemlicher gewissheit ins jahr 725 setzen. (Vergl. Vandermoere und Vanhecke l. c. S. 1055 u. 1056.) In den briefen erscheint er zuerst als diacon (Jaffé, Jaffé, Mon. Mog. 214 u. 215), dann als archidiacon. (Jaffé, l. c. 217.) Zur Priesterwürde gelangte er wol kaum vor 735, da er jünger war als der im jahre 704 geborne Abt Gregor von Utrecht (Lull's brief an denselben bei Jaffé, Jaffé, Mon. Mog. 271 unten) und die Priesterweihe nach damaliger sitte nicht vor dem dreissigsten jahre ertheilt zu werden pflegte. Ausdrücklich als "presbyter" bezeichnet wird er i. j. 751 in einem briefe des Papstes Zacharias an Bonifatius (Vergl. Nr. 74) und in einem briefe des letzteren an den genannten Papst. (Vergl. Nr. 88.) Bonifatius hat Lullus wahrscheinlich als gefährten zu den concilien mitgenommen, die er hielt, da er ihm ein so wichtiges geschäft, wie das einer gesandtschaft an Papst Zacharias war (751), anvertraute. (Jaffé, Mon. Mog. 218.) Als daher Bonifatius auf wiederholtes bitten (Vergl. N. 38 u. 70) von Papst Zacharias die erlaubniss erhielt, sich einen nachfolger zu bestellen, bat er (753–754) den k. Pippin, dass er seinen Chorbischof Lullus zum lehrer für den clerus und zum hirten der völker ernennen möge. (Vergl. Nr. 99.) Und so geschah es. Lullus ward zum nachfolger des hl. Bonifatius auf dem erzbischöflichen stuhl von Mainz wol schon i. j. 754, (wenn sich bei Schöpflin, Alsat. dipl. I, 19 "Lullus peccator episcopus" als zeuge findet, so ist darauf kein werth zu legen. Rettberg I, 574 Note 31.) ernannt, sein eigentliches pontifikat aber begann wol erst nach dem martyrium seines vorgängers. Wenn uns weiter nichts von Lullus bekannt geworden wäre, als dass er das stete vertrauen des hl. Bonifatius genossen (sendungen nach Rom mit geheimen aufträgen.) und dass ihn dieser selbst zu seinem nachfolger auserkoren, so müssten wir ihn doch als einen mann von hervorragenden eigenschaften ansehen und ihn als eine leuchte der kirche verehren. Um dieses lob zu begründen, fehlt es uns aber nicht an reichem stoff. Wie sehr Lullus im geiste des grossen apostels der Deutschen fortgewirkt, das beweisen seine klostergründungen, sowie die weihe mehrerer klöster. Und dass es ihm ernst war mit der aufrechterhaltung kirchlicher zucht, das ersieht man z. b. aus seinem verfahren gegen ungehorsame Priester, die er aus der kirchengemeinschaft ausschloss, und gegen eine äbtissin, welche er wegen übertretung der klosterregel excommunicierte. Auch war er ein freund der wissenschaften und bemühte sich namentlich aus mehreren gebieten derselben eine sammlung von büchern anzulegen. (AA. SS. 16 Oct. VII, 2. s. 1075. u. daraus: Serapeum XVIII, 44–48.) Grossen einfluss in politischer beziehung hat Lullus trotz seiner hohen würde nicht ausgeübt, obgleich die reichen dotationen, welche seiner stiftung Hersfeld von seiten Karls d. Gr. zu theil wurden, keinen zweifel bestehen lassen, dass unser Erzbischof bei dem Könige in hoher gnade gestanden. Vielleicht war das offenbar geringe mass der gunst, welches ihm von dem päpstlichen stuhle zu theil ward – was sich aus der später und unter ungewöhnlichen umständen (Erkundigung des Papstes über ihn. Vergl. nr. 10; er musste zwischen 780 März und 782 Juli 4 ein glaubensbekenntniss ablegen. Vergl. nr. 48, 49 und 56) erfolgten verleihung des palliums kundgiebt – das hinderniss für den mainzer metropoliten, auch in den weltlichen dingen ein gewichtiges wort zu reden. Ja es scheint, dass selbst seine kirchliche autorität vielfache angriffe von seiten der fürsten erfuhr, wie aus seiner klage dem Bischof Coena von York gegenüber hervorgeht. Die ermahnung des Bischofs Cynaard von Winchester, dass er in seinem begonnenen werke ausharren möge, lässt vermuthen, dass er mit widerwärtigkeiten zu kämpfen hatte, die von hohen kreisen ausgiengen. Daraus erklärt sich dann auch der ausserordentlich lebhafte verkehr, den Lullus mit seinen landsleuten unterhielt, und in welchem er einen trost zu suchen schien, als ihm sein beruf und seine würde in Deutschland zu einer quelle des unmuths geworden war. So schrieb er, um seinem gedrückten herzen luft zu machen, an den Erzbischof Coena von York: "Pro nomine enim Christi in contumeliis et tribulationibus gloriari et exaltatione aecclesiae eius nos oportet, quae cotidie tunditur, premitur atque fatigatur. Quia moderni principes novos mores novasque leges secundum sua desideria condunt." – Nach alledem müssen wir es für ungerechtfertigt halten, wenn Lullus "des ehrgeizes, der simonie, heftiger gemüthsart, befangenheit, abhängigkeit" bezichtigt wird, wie es neuerdings durch Alberdingk Thym geschehen ist.   Ueber die beinamen Lull's "Irtel", "Lytel" und den vermeintlichen früheren namen "Rehdgerus" (Ratkar) vergl. Pauli, Karl d. Gr. in northumbrischen Annalen. in: Forschungen z. deutschen G. XII, 158. In ganz gleicher weise wie es bei Bonifatius der fall ist, hat auch die geschichte Lull's ihre vorzüglichste quelle in dem briefwechsel desselben. Da dieser seinem wesen nach die grösste ähnlichkeit mit dem briefwechsel des hl. Bonifatius hat und bezüglich der ausgaben gleiches geschick mit jenem theilte, so verweisen wir an dieser stelle auf unsere obigen, die briefe des deutschen apostels betreffenden bemerkungen. (Zu nr. 52 vergl. Hahn in Forschungen z. d. G. XV, 95.) Einen der zeit Lull's nahestehenden biographen hat derselbe nicht gefunden, doch besitzen wir von ihm eine spätere und auch materiell unbedeutende lebensbeschreibung eines ungenannten hersfelder mönchs, aus der wir einen auszug mittheilen. Dieselbe ist am besten ediert in: AA. SS. Boll. 16. Oct. VII, 2. S. 1083 bis 1091. Im übrigen vergleiche Potthast, Bibl. hist. m. a. 791. – Die literatur über Lullus fällt naturgemäss vielfach mit der über seinen grossen vorgänger zusammen. Indem wir auf unser verzeichniss bei Bonifatius hinweisen, fügen wir zur ergänzung desselben nur noch an:   Alberdingk Thym, Karl d. Grosse u. seine Zeit. Münster 1868. Theissing'sche Buchhandlung. (Recensiert von Ossenbeck in: Theol. Lit. Bl. von Reusch. 1869 Nr. 12) Mabillon. St. Lulli elogium hist. in: AA. SS. ord. S. Ben. III, 2. S. 392–401. Piderit F. C. Th. Denkwürdigkeiten von Hersfeld. Hersfeld 1829. Vander moere, und Vanhecke, Commentarius praevius zu Vita St. Lulli in: AA. SS. Boll. Oct. VII, 2. Wattenbach, im Archiv d. Gesellsch. u. s. w. X, 655. Auszug aus der lebensbeschreibung des hl. Lullus (von einem ungenannten hersfelder mönch) bis zur ernennung desselben zum nachfolger des hl. Bonifatius auf dem erzbischöflichen stuhl von Mainz:  I. Lullus soll aus einem vornehmen angelsächsischen geschlecht entsprossen sein und sich im siebenten jahre dem mönchsstande gewidmet haben. Er zeichnete sich früh durch gelehrsamkeit, wie auch durch gute werke aus. II. Durch tägliches fasten und durch abtödtungen beherrschte er stets seinen leib. Seine rede war gewürzt von wunderbarer anmuth, da sein herz voll war vom honig der liebe und vom öl geistiger fröhligkeit. Die ungewissheit und kürze des menschlichen lebens war sein lieblingsthema, wenn er zu den brüdern sprach. III. In dieser zeit sass Bonifatius, der auch aus Britannien gekommen und mit Lullus nahe verwandt war, auf dem erzbischöflichen stuhle von Mainz. Derselbe liess, um das grosse werk der verbreitung des evangeliums bewältigen zu können, viele helfer aus Britannien kommen, unter ihnen auch einige frauen. IV. Dem rufe des hl. Bonifatius folgte auch Lullus, der erst zum diacon geweiht war und obgleich ihn seine klosterbrüder abhalten wollten nach Deutschland zu gehen, zur zeit als Karl Martell im Frankenreiche majordomus war (c. 725). V. Bei Bonifatius ward Lullus der liebevollste empfang zu theil, aber nicht sowohl des verwandtschaftlichen verhältnisses wegen, als in anbetracht seiner persönlichen vorzüge. Nach einigen tagen erkannte Bonifatius in ihm eine kräftige stütze seines hirtenamtes und weihte ihn deshalb zum Priester. Während er andere eifrige verkünder des wortes gottes überall aussandte, behielt er Lullus stets bei sich, um ihn ganz vertraut mit sich zu machen. VI. Als sich Bonifatius von der last des alters gebeugt fühlte und den pflichten des hirtenamtes nicht mehr nachkommen konnte, beschloss er, noch einmal das schwert des geistes gegen das wilde volk der Friesen zu erheben. VII. Damals wurde der majordomus Pippin durch das wort des Papstes Zacharias zum König erhoben. IX. In gegenwart desselben ernannte Bonifatius den Lullus zu seinem nachfolger.

Anmerkungen

  1. 1Lulus, Lullus, Lullius, Lullo, Liulo, Lulloni, Lullono, Lulla, Lullan; Irtel? Lytel? Hredgar. (Raedgar, Ratkar)?

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Empfohlene Zitierweise

RIplus Regg. EB Mainz 1 [n. 139], in: Regesta Imperii Online,
URI: http://www.regesta-imperii.de/id/c16678d2-7f09-4bb6-89ae-83df227ff9b4
(Abgerufen am 28.03.2024).

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