Regestendatenbank - 201.916 Regesten im Volltext

RIplus | Urkundenregesten Hofgericht 6 - Die Königszeit Karls IV. (1348-1355 März)

Sie sehen den Datensatz 36 von insgesamt 644.

Kg. Karl an Walram von Luxemburg, Herrn zu Ligny, und dessen Sohn Johann, Bgf. zu Lille: Unter eingehender Beschreibung der Pflichten eines römischen Kg.1 teilt er mit, daß das Domkapitel zu Cambrai ihm vorgebracht hat (nostre celsitudinis [...] audienciam est adductum), die gesamte Verwaltung und Regierung der weltlichen Güter im Bistum liege wegen der Vakanz des Bischofsstuhls darnieder, nachdem der damalige Bf. [Guido de Ventadour] die Regalien und Reichslehen nicht empfangen, auch Mannschaft und Treueid gegenüber dem Kg. nicht geleistet hatte, woraus an den Rechten des Domstifts großer Schaden entstanden sei.

Er stellt fest, daß der bisherige Bf. von Cambrai die Regalien und Reichslehen nicht empfangen, Mannschaft und Treueid nicht geleistet und auch über all dies keine eidliche Versicherung gegenüber dem Domkapitel abgegeben hat, sich dennoch aber entgegen den Statuten, Privilegien und Gewohnheiten des Stifts in die Verwaltung eingemischt hat, woraus dem Domstift großer Schaden entstanden ist; weil er [der Kg.], über diesen Sachverhalt zu wenig informiert (minime informata), durch ein anderweitiges Schreiben Kommission erteilt hat (pridem vobis per alias eiusdem serenitatis certi tenoris litteras iure suo commiserit)2, die Verwaltung des Stifts in kgl. Namen zu übernehmen3, wodurch aber das Domstift in seinen Rechten nicht wenig beschwert worden ist und um anderweitige Verfügung gebeten hat (per quam quidem commissionem regiam ispum capitulum in iure suo reputabat non modicum se gravari, supplicans nostre clemencie humiliter et devote, ut indempnitati eiusdem capituli in hac parte pie prospicere ipsique super hiis iusticiam fieri mandaremus), erteilt er ihnen nunmehr den Auftrag (fidelitati vestre per hec scripta regia ducimus committendum), das gen. Domkapitel im Falle der Richtigkeit des Vortrags wieder in seine Rechte bei der Bistumsverwaltung einzusetzen und keine Einnahmen daraus einzuziehen, soweit diese noch nicht zum Nutzen der kgl. Kammer überführt worden sind (sibi plene et libere restituentes), unbeschadet anderer kgl. Briefe und der gen. Kommission, welche er [der Kg.], soweit sie dem Recht des Domkapitels entgegenstehen, mit dieser Urk. aufhebt (non obstantibus aliis litteris regiis et commissione predictis, quas, in quantum iuri memorati capituli obviant, tollimus in hiis scriptis).

Außerdem hat ihm das Domkapitel klagweise vorgebracht (ceterum nostro culmini pro parte eiusdem capituli est conquerendo monstratum): Auch wenn der Bf. von Cambrai seine Regalien empfangen und die Versicherung abgegeben hätte, hätte er nur zusammen mit dem Domkapitel die Befugnis zur Auferlegung von Abgaben und Zöllen in der Stadt Cambrai gehabt (fuerit in possessione vel quasi indicendi et imponendi malatotam seu vectigal in civitate Cameracensi), derart, daß dies nicht ohne Zustimmung des Kapitels geschehen könne. Dennoch hat er nun, ohne sich der Zustimmung zu versichern und unter öffentlichem Widerspruch und Protest des Kapitels eine Steuer in der Stadt erhoben, zu großem Schaden desselben.

Da er den unrechtmäßigerweise von ihren Rechten Gedrängten wieder zu ihrem Recht verhelfen will (cum autem destitutis iniuste sit restitucionis beneficio per serenitatis regie providenciam succurrendum), beauftragt er die Adressaten (nobilitati vestre committimus et mandamus), die Erhebung der Steuer kraft kgl. Gewalt zu unterbinden (suspendatis), sofern der Bf. nicht sein Recht dazu vor ihnen sogleich nachweist (nisi dictus episcopus se iure dictam malatotam imposuisse statim docuerit coram vobis). Sofern ihm [dem Kg.] die Wahrheit des klägerischen Vorbringens hinterbracht wird, sollen sie durch Urteil das Domkapitel wieder in seine Rechte einsetzen (si premissa pro parte dicti capituli nobis suggesta veritate nitantur, tunc memorato capitulo ad ius suum per diffinicionem vestram eadem auctoritate suffulti plenarie restituto ipsum faciatis pacifice iure suo gaudere), den Bf. zur Rückerstattung seiner Einnahmen zwingen, den geschuldeten Anteil entgegennehmen und dafür sorgen, daß die Summe an die kgl. Kammer und den Ebf. Balduin von Trier, dem er dazu Vollmacht erteilt hat, ausgeliefert werde. Die Steuereinnehmer dagegen sollen sie gebührend bestrafen (ipsos insuper receptores dicto maletote et presumptores huiusmodi nichilominus penis et mulctis, prout eorum meruerit protervia, legitime puniendo).

Darüber hinaus hat ihm das Domkapitel klagweise vorgebracht (item pro parte eiusdem capituli est conquerendo subiunctum), daß die Familiaren und Bediensteten des Stifts durch ein von Kg. Karl bestätigtes Privileg4 von der Gerichtsbarkeit und dem Bann der Schöffen zu Cambrai gänzlich ausgenommen worden sind. Dennoch haben die Schöffen entgegen den Freiheiten und Immunitäten des Domstifts ihren Diener Nikasius Proudom, der zur Gewährleistung des Gottesdienstes die Kirche in Cambrai Tag und Nacht zu bewachen hat, in die Acht gesprochen (banniverint), was sie rechtmäßigerweise nicht hätten tun können. Er [der Kg.] beauftragt sie daher (fidelitati vestre committimus et mandamus), diesen Achtspruch, sofern sie ihn als solchen festgestellt haben, zu widerrufen und dem Domstift von den Schöffen und anderen Schuldigen Wiedergutmachung zuzugestehen (quatenus, si inveritis ita esse, pretactum bannum nostra freti auctoritate in irritum penitus revocetis et annulletis seu cassum et irritum decernatis et memorato capitulo iniuriam passo per scabinos et alios, quos in hac parte culpabiles repereritis, competentem faciatis prestari emendam).

Da das Domkapitel von Cambrai durch einige Widersacher an seinen Rechten, an Leib und Gut häufiger erschüttert worden ist, beauftragt er die Adressaten weiterhin, alle irgendwie die Temporalien belangenden Klagen des Domkapitels, auch andere, soweit sie der kgl. Gerichtsbarkeit unterliegen, anstatt des Kg. zu verhören, zu entscheiden und zu vollstrecken und auch gegen die Gegner durch Zwangsmaßnahmen auf Leib und Gut vorzugehen (nobilitati vestre omnes et singulas dicti capituli causas et querimonias temporalitatem quovismodo tangentes aut alias de foro regio quomodolibet existentes, quas dictum capitulum movet aut movere intendit contra personas ecclesiasticas et seculares quascumque, eciam si pontificali aut ducali dignitate fulgerent, vice regia per vos alium vel alios, de quibus expedire videbitur, audiendi et in eis prout iustum fuerit procedendi, diffiniendi et legitime decidendi, exequendi et causas et querimonias huiusmodi necnon examinacionem et decisionem ipsarum alii vel aliis in toto vel in parte committendi necnon contradictores et rebelles quoscumque cohercendi et per apprehensionem, capcionem et detencionem corporum et bonorum suorum racione previa compellendi plenam usque ad nostre voluntatis beneplacitum concedimus facultatem).

Und schließlich hat er [der Kg.] auf Klage des Domkapitels erfahren (denique nostra celsitudo eiusdem capituli conquestione percepit), daß einige, die sich an die Verbote nicht halten, dieses und auch dessen Mitglieder, Kapläne und Vikare, Geistliche, Familiaren und Diener gegen alle Privilegien und Freiheiten belästigen (inquietare, molestare et turbare), sie ihrer Güter und Rechte berauben und ihnen durch Rat und Tat vielfältiges Unrecht zufügen. Er hat daher zur Verhütung weiteren Schadens und zur Verteidigung der Freiheiten der Reichsgetreuen5 den Gf. von Namur für einen Zeitraum von 10 Jahren kraft kgl. Gewalt zu einem Protektor und Konservator der stiftischen Freiheiten eingesetzt, indem er ihm gleichzeitig gebietet6, in angegebener Weise die Freiheiten des Domstifts zu verteidigen und alle Widersacher durch das Kriegsschwert zurückzudrängen7.

Originaldatierung:
Datum Prage XIIII0 kal. maii 1348, r. 2.

Überlieferung/Literatur

Ü: A StadtA (AV) Lille, Cambrai, Cathédrale U 43 – an Perg.-str. anh. MS.

B 1 – 3 ebd., S 1 – 3 – Notariatsinstrument von 1348 Sept. 9, Perg. (Auszüge).

D: MGH Const. 8, S. 697 – 701 Nr. 691.

R: Fehlt in RI 8.

Kommentar

Erhalten haben sich außerdem 2 Schreiben des Domstifts Cambrai von 1348 Juni 1 an Ebf. Balduin von Trier und an Kg. Karl sowie ein Bericht des Ebf. an den Kg., der etwas später verfaßt worden sein dürfte (MGH Const. 8, S. 702 – 705 Nr. 692 – 694); außerdem 4 Schreiben Papst Klemenz'VI. von 1348 Juli 17 an Kg. Karl (s. Nr. 42), das Domstift Cambrai, an Ebf. Balduin von Trier und die beiden kgl. Kommissare (MGH Const. 8, S. 705 – 708 Nr. 695 – 698). Da hier die geistlichen Angelegenheiten des Bistums angesprochen sind, auf die sich der Prozeß nicht unmittelbar bezog, wurde (abgesehen von der erstgen. Urk) von einer Aufnahme in die vorliegende Regestensammlung abgesehen.

Anmerkungen

  1. 1Arenga; auf eine Wiedergabe wurde verzichtet.
  2. 2Urk. von 1348 Januar 16, Nr. 27.
  3. 3Wird in Anlehnung an die Formulierung der in Anm. 2 gen. Urk. weiter ausgeführt.
  4. 4Urk. von 1348 April 17, Druck: MGH Const. 8, S. 700 Fußn. 1.
  5. 5Wird arenga-artig weiter ausgeführt.
  6. 6S. das Mandat an den Gf. von Namur von 1348 Dezember 1 zum Schutz des Domstifts, Druck: MGH Const. 8, S. 722 Nr. 708. Dieses Mandat übernimmt die Formulierungen des letzten Absatzes der obigen Urk.
  7. 7Wird weiter ausgeführt; für den konkreten Rechtsstreit ohne Interesse.

Nachträge

Nachtrag einreichen
Einreichen
Empfohlene Zitierweise

RIplus URH 6 n. 36, in: Regesta Imperii Online,
URI: http://www.regesta-imperii.de/id/be4e92d0-8527-46f5-9a70-504e99dae157
(Abgerufen am 20.04.2024).

Bestandsinformationen