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RI II Sächsisches Haus (919-1024) - RI II,5

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Papst Johannes (XIII.) erteilt (dem Böhmenherzog) Boleslaw (II.) (Bolezlao catholicę fidei alumno) auf seine durch seine Schwester Mlada-Maria (filia nostra, tua relativa, nomine Mlada, quę et Maria) überbrachte Bitten die Zustimmung zur Errichtung eines Bistums (in Prag) mit dem Sitz in der Veitskirche und zur Gründung eines Benediktinerinnenklosters unter der Leitung der Maria bei der (Prager) Georgskirche (ad ecclesiam sancti Uiti et sancti Wencezlai martirum fiat sedes episcopalis, ad ecclesiam vero sancti Georgii martiris sub regula sancti Benedicti et obediencia filię nostrę abbatisse Marie constituatur congregacio sanctimonialium) und gibt den Auftrag, nicht einen Priester des slawischen Ritus (non secundum ritus aut sectam Bulgarie gentis vel Ruzie aut Sclauonicę lingue), sondern einen lateinkundigen Kleriker zum Bischof zu wählen. ‒ Justum est benivolas aures ...

Überlieferung/Literatur

Org.: Kop.: Insert: Cosmas v. Prag, Chr. 122 (MGSS. N. S. II 43); Ann. Saxo 967 (MGSS. VI 619); Pulkawa, Chr. (FRB. V 24). Erw.: Auct. Altahense 967 (Hofmeister, SS. rer. G. 45/1912, 482); Ann. Osterhovenses 967 (MGSS. XVII 539); Chr. Boemorum (MGSS. XXX 38); Johannes v. Marignola, Chr. (FRB. III 532 u. 595). Drucke: Mabillon, Acta V 833; B. A. Balbinus, Misc. hist. regni Bohemiae I/6 (Prag 1684) 8; Lünig, Cod. Germ. dipl. 953; Cocquelines, Bull. I 267; Boczek, Cod. dipl. Moraviae 186; Migne, PL. 135, 997; Tomassetti, Bull. I 425; H. Jireček, Codex iuris Bohemici, I (Prag 1867) 13; Friedrich, Cod. dipl. Bohemiae 1324; Teodorov-Balan, Kiril i Metodi II 233; Dvornik, Making 75 Anm. 92; Acta Rom. pont. 768 (fragm.); Kaiser, Gründung d. Bt. Prag 12; Zimmermann, PUU. 355 n. † 181. Reg.: J. CCCLXX; Erben, Reg. I 29 n. 67; JL. † 3720; Gombos, Cat. II 1334 n. 3199; Magnae Moraviae fontes III 272 n. 130; Swinarski, Herrschen mit Heiligen 417 n. 130. Lit.: J. Loserth, Studien zu Cosmas von Prag (AÖG. 61/1880, 20 ff.); M. Dvořak, O listině papeže Jana XIII. v kronice Kosmově (SB. Prag 1899 n. XII); H. Spangenberg, Die Gründung des Bistums Prag (HJb. 21/1900, 767 ff.); W. Schulte, Die Gründung des Bistums Prag (HJb. 22/1901, 285 ff.); K. Uhlirz. Die Errichtung des Prager Bistums (Mitt. d. Ver. f. Gesch. d. Deutschen in Böhmen 39/1901, 1 ff.); A. Naegle, Die Gründung des Bistums Prag (Deutsche Arbeit 9/1910, 399 ff.); Naegle, Kirchengesch. I/2, 367 ff. u. 385 ff.; Holtzmann, Urkunde Heinrichs IV. 184 ff.; Stasiewski, Untersuchungen 122 ff.; Dvornik, Making, 75 ff.; Baethgen, Mediaevalia 57; Hilsch, Bischof von Prag 6 ff.; Kaiser, Gründung d. Bt. Prag 13 ff.; Swinarski, Herrschen mit Heiligen 178 ff.

Kommentar

Die ältere Literatur über die Entstehung des Prager Bistums wird ausführlich bei Naegle, Kirchengesch. I/2, 390 ff. und Stasiewski 118 ff. besprochen. Vgl. auch die Liste älterer Abhandlungen bei Novotný, české dějiny I/1, 567 ff. u. 583 ff. Die jüngere Forschung referiert R. Nový in: Traditio et cultus. Misc. hist. Bohemica M.Vlk archiepiscopo ... dedicata (Prag 1993) 13 ff. Das zuerst bei Cosmas überlieferte Papstschreiben ist eine Fälschung aus dem 11. Jh. Holtzmann 185 f. datiert ihre Entstehung auf 1032‒1080 und laut Naegle, Kirchengesch. I/2, 398 ff. ist der Fälscher in jenen Kreisen zu suchen, die sich der Förderung der slawischen Liturgie in Böhmen durch Herzog Wratislaw II. (1061‒1092) widersetzten, möglicherweise im Georgskloster zu Prag; vgl. dazu auch Spangenberg 763 ff. und Brackmann, Aufsätze 150 f. Als Gegner dieser Bestrebungen hat sie auch Cosmas (gutgläubig?) in seine Chr. aufgenommen. Laut Cosmas wurde das Papstschreiben dem Herzog durch Mlada überbracht, die dessen Schwester war und vom Papste den Klosternamen Maria erhalten hatte; vgl. n. 426. Daß Mlada eigentlich kein Name ist, hat Loserth 22 nachgewiesen und daher vermutet, daß dem Fälscher der wirkliche Name der Prinzessin unbekannt war. Die Worte tua relativa emendiert bereits der Ann. Saxo in soror tua. Spangenberg 765 faßt sie dagegen als gleichbedeutend zu filia und erschloß älteren Ansichten folgend, daß das Papstschreiben an Herzog Boleslaw I. gerichtet war, den Vater Boleslaws II. und der Mlada, dessen Tod er erst ins Jahr 972 datiert; vgl. jedoch dazu Naegle, Kirchengesch. I/2, 366 Anm. 173. Laut Cosmas starb Boleslaw I. schon 967 (vgl. Chr. I 21, I. c. 41) am 15. Juli. Sein Nachfolger nahm, wie sich auch aus der Datierung im Ann. Saxo und im Auct. Altahense ergibt, sogleich Verbindung mit Rom auf. Auch aus den Worten des Auct. und den von ihm abhängigen Ann. Osterhovenses, die das Papstschreiben an Bolezlao duci Boemie fratrueli sancti Wencezlai martiris gerichtet sein lassen, wird klar, daß Boleslaw II. als Empfänger gemeint war. Gegen die Echtheit des Papstschreibens spricht die Ablehnung der slawischen Liturgie, die Erwähnung der Dedikation der Veitskirche an Wenzel, die erst 1067 beim Neubau der Prager Kathedrale erfolgte (vgl. Naegle, Kirchengesch. I/2, 295 u. 394) und die Nichtbeachtung des in der Papstkanzlei damals üblichen Urkundenformulars. Cosmas kommt als Fälscher nicht in Frage, wie Dvořak meinte, da sich das Papstschreiben von dessen Stil doch unterscheidet; vgl. Naegle, Kirchengesch. I/2, 399. Als echter Kern kann angenommen werden, daß Johannes XIII. in irgendeiner Form seine Zustimmung zur Errichtung des Prager Bistums erteilte. Auch die Pilgerfahrt der böhmischen Prinzessin nach Rom könnte auf guter Tradition beruhen. Uhlirz 5 vermutet, daß das Georgskloster in Prag von Johannes XIII. ein heute nicht mehr erhaltenes Privileg erhielt und daß dieses dem Fälscher als Vorlage diente. Die eigentliche Bistumsgründung konnte erst später nach Verhandlungen mit dem Erzbischof von Mainz und dem Bischof von Regensburg im Zusammenwirken mit dem Kaiser erfolgen; vgl. dazu n. 512. Um der tatsächlichen Gründung des Bistums im Jahre 973 näher zu kommen, zumal das Zögern befremdlich wirkt, datiert Kaiser 15 f. die von ihm in ihrer Echtheit verteidigte Papsturkunde auf 972 (vgl. n. 504 a).

Nachträge

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Empfohlene Zitierweise

RI II,5 n. †427, in: Regesta Imperii Online,
URI: http://www.regesta-imperii.de/id/0967-07-15_2_0_2_5_0_452_F427
(Abgerufen am 19.04.2024).