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RI II Sächsisches Haus (919-1024) - RI II,3

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Weihe der Prinzessin Sophie zur Kanonissin in Gegenwart der Kaiserin Theophanu, König Ottos und zahlreicher Fürsten. Da sich die Prinzessin weigert, den Schleier aus den Händen des zuständigen Bischofs Osdag von Hildesheim zu empfangen und darauf besteht, daß Erzbischof Willigis von Mainz selbst die Weihe vornimmt, kommt es zu einem Streit zwischen den beiden Kirchenfürsten, der seinen Höhepunkt in einer heftigen Szene während der sakralen Handlung in der Kirche in Anwesenheit der Kaiserin Theophanu und König Ottos erreicht. Durch den Schiedsspruch der Kaiserin, die anordnet, daß beide Kirchenfürsten gemeinsam die Weihe vollziehen, sowie den Festgottesdienst abhalten sollen, wird der Friede vorläufig wieder hergestellt. Dem Volke und der Geistlichkeit wird verkündet, daß Erzbischof Willigis keine Rechte in der Hildesheimer Diöcese beanspruchen werde.

Überlieferung/Literatur

Thangmari vita Bernwardi c. 13, SS. 4, 764 (davon abgeleitet Wolfheri vita Godehardi c. 20, SS. 11, 181): Sed secundi imp. filia, fome ut pace omnium dicam huiusmodi dissensionis, dum a suo episcopo, domno videlicet Osdago, sacrum velamen accipere spernit, Willigisum appetit, indignum aestimans nisi a palligero consecrari. Quod ipse libens annuit, haud considerans, quantum antiqua canonum statuta temeravit. Nec fraterna caritate aditum quaesivit, sed fratri et coepiscopo diem imperavit, ut ad velationem ancillarum Dei in festivitate sancti Lucae euangelistae illi occurreret. Nactus itaque oportunum tempus domnus Osdagus, archiepiscopum secretius qua auctoritate id ageret requisivit; cum ille minaci vultu mordacius ad suam parrochiam pertinere respondit, et statuta die se ancillas Dei velaturum, omnemque episcopalem potestatem in illo loco se adempturum promisit. Cum itaque ad diem ventum est, restitit illi plena auctoritate domnus Osdagus, praesente rege domno tercio Ottone, cum matre imperatrice donna Theuphanu, assidentibus quoque episcopis, Rethario Patherbrunnensi episcopo, Milone Mindensi episcopo, Hildebaldo Wormaciensi episcopo, cum aliis principibus, qui ad sollempnitatem velandarum virginum convenerant. Cum ergo longa disceptato esset, domnus Osdagus ... episcopalem cathedram ad absidem altaris poni praecepit, hac tuitione locum ac regimen sibi defendens, faventibus illi fere omnibus, quia archiepiscopi animositas, etsi metu illius dissimularent, cunctis displicebat. Destitutus itaque archiepiscopus multitudinis favore, qui prius suo iuri omnia promisit, vix domna Theuphanu et episcopis obtinentibus, ipso quoque ultra quam credi potest supplicante, obtinuit, ut ad principale altare misteria ipsa die ageret, ita videlicet, ut domnae Sophiae velationem simul agerent, caeterarum quoque domnus Osdagus solus prospiceret; factum est insolitum nec ante a nobis visum, ut duo episcopi ex latere altaris pariter sederent, pontificalibus paramentis festive infulati.

Kommentar

Die Weihe kann in keinem anderen Jahre stattgefunden haben. Da das Tagesdatum, das Lukasfest am 18. Oktober, überliefert ist, kommen weder 988 noch 990 für die Weihe der allerdings noch sehr jungen, im Frühjahr 978 geborenen Prinzessin (M. Uhlirz, Interventionen Theophanus, DA. 9, 131f.) in Betracht; 988 befand sich Theophanu nachweisbar zu dieser Zeit in Konstanz am Bodensee (DD. 47, 48, Reg. 1005, 1007), 990 aber wird Sophie schon im Sommer als Nonne (sanctimonialis) bezeichnet und empfängt von ihrem Bruder ihre Ausstattung (DD. 66, 67, Reg. 1025, 1026) so daß ihre Weihe schon im Oktober des Vorjahres ‒ 989 ‒ stattgefunden haben muß. Sophie war seit ihrer frühesten Kindheit in Gandersheim von der Äbtissin Gerberga, der Schwester Heinrichs des Zänkers, erzogen worden. Sie ist zweifellos ein Werkzeug in den Händen ehrgeiziger Frauen gewesen, die sich ihrer bedient haben, um Gandersheim aus der Diöcesangewalt Hildesheims zu lösen (vgl. zur Frühgeschichte Gandersheims H. Goetting, Die Anfänge des Reichsstiftes Gandersheim, Braunschweig. Jb. 31. 5‒32. Zur Kritik d. älteren Gründungsurk. des Reichsstiftes G. Mitt. d. österr. Staatsarchivs 3, 362‒403 u. Klösterliche Exemtion. AUF. 14, 180). Wenn auch Thangmar offenkundig feindselig gegen Willigis eingestellt ist, so wird sein Bericht zweifellos in den Grundzügen den tatsächlichen Vorgängen entsprechen, so daß wir ihm folgen dürfen. Schon vor dem Erscheinen Theophanus und Ottos war es zu gereizten Auseinandersetzungen gekommen. In Begleitung der Kaiserin waren die Bischöfe Rethar von Paderborn, Milo von Minden und Hildibald von Worms mit zahlreichen Fürsten erschienen, die Zeugen des Gezänkes zwischen Osdag und Willigis vor dem Altare in der Kirche wurden. Der durch die Kaiserin angeordnete Ausgleich läßt erkennen, daß sie für das Recht Osdags eintrat, aber doch bemüht war, das Selbstgefühl des mächtigen Erzkanzlers zu schonen. Diese Ereignisse bei der Nonnenweihe sind du Vorspiel des großen Gandersheimer Streites gewesen, der im September 1000 zwischen Willigis und Bernward von Hildesheim ausbrach und ein für die deutsche Kirche sehr bedrohliches Ausmaß gewann. Vgl. dazu Reg. 1390/d. ‒ Hofmeister (Studien zu Theophano, Stengelfestschr. 228) ist geneigt, diese Weihe schon 987 oder 986 anzusetzen, und rückt auch das Geburtsjahr Sophies in 973‒976 hinauf. Dafür fehlt eine ausreichende Begründung. Sophie ist aller Wahrscheinlichkeit nach im Frühsommer 978 geboren worden (vgl. M. Uhlirz. Interventionen, DA. 9, 122ff., 135) und stand daher im 12. Lebensjahr, als ihre Weihe stattfand.

Nachträge

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Empfohlene Zitierweise

RI II,3 n. 1017e, in: Regesta Imperii Online,
URI: http://www.regesta-imperii.de/id/0989-10-18_1_0_2_3_0_303_1017e
(Abgerufen am 25.04.2024).