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[RI XIII] Friedrich III. (1440-1493) - [RI XIII] H. 4

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Kg. F. gebietet in Ansehung der ihm seit Beginn seiner Regierung und jetzt nach seiner Krönung vorgebrachten Klagen über die Friedlosigkeit und die Irrungen im Reich und besonders in deutschen lannden in Anwesenheit und mit Rat der von ihm zu sich entbotenen Kff. Fürsten etc. und Städte(boten) allen Reichsuntertanen bei ihrer Gott, dem Reich, ihm als römischem König - ihrem obersten Herrn -, dem gemeinen Nutzen und sich selbst schuldigen Treue und Pflicht, die folgende Ordnung (zur Regelung des Verfahrens bei Streitigkeiten und Schuldforderungen, des Landfriedens, der heimlichen Gerichte und des Münzwesens) - die bald darauf sogenannte "Königliche Reformation" oder "Reformatio Friderici" - in allen ihren Bestimmungen bei Strafe einzuhalten.(1)1 Niemand soll einem anderen Schaden zufügen, ohne ihn zuvor rechtlich belangt zu haben; auch wenn er das Recht nicht so rasch wie gewünscht zu erlangen vermag, so hat er vor einer tätlichen Schädigung der Gegenpartei doch die in der Goldenen Bulle K. Karls IV. im Kapitel von dem widersagen2enthaltenen Bestimmungen einzuhalten.(2) Ein Gläubiger, der Bürgen oder Briefe besitzt, darf die offenkundigen Schulden in der nachgewiesenen Höhe eintreiben. (2a) Ausgenommen Kaufleute, die ihre bisherigen Gewohnheiten beibehalten sollen, soll sich jeder, der einen anderen pfänden darf, weil er nicht vereinbarungsgemäß bezahlt worden ist, an die folgenden Bestimmungen halten. (2b) Der Schuldner muß vor der Pfändung schriftlich, mündlich oder under augen aufgefordert werden, den Gläubiger innerhalb der der Mahnung folgenden zwei Monate gütlich oder rechtlich unklaghaft zu machen. (2c) Die Pfänder, die ein Gläubiger nach Ablauf dieser Frist zu nehmen berechtigt ist, hat er als solche zu behandeln. Er darf sie ausschließlich in eine Stadt oder ein Schloß treiben, wo sich ein weder ihm noch dem Gepfändeten gehöriges Gericht befindet. Dort ist man verpflichtet, die Pfänder anzunehmen und dem Pfandbesitzer Geleit zu gewähren. Dieser hat dort verderbliche Pfänder drei Tage und Nächte, andere Pfänder die vier folgenden Wochen lang ungeschmälert aufzubewahren. (2d) Jemandem, der die Pfänder ausnemen will, sind diese mit Kenntnis des dortigen Richters, Amtmanns oder anderer ehrbarer Leute auf recht und gewissheit auszufolgen. (2e) Im anderen Falle darf der Pfandbesitzer sie nach Ablauf der vorgesehenen Frist mit Kenntnis derselben Personen so teuer er vermag verkaufen; der Erlös mindert seine Schuldforderung entsprechend, doch darf er auch die ihm durch die Pfändung entstandenen und dem Herrn oder Amtmann des Gerichts nachgewiesenen wirklichen Unkosten in Anschlag bringen. (2f) Im Zuge einer Pfändung Gefangene sollen ebenfalls auf recht und gewissheit freigelassen werden, wobei Streitfälle über zu leistende Bürgschaften von dem betreffenden Gericht entschieden werden sollen. (2g) Wenn gepfändete Güter nicht an den dafür festgesetzten Stätten deponiert werden, ist der Tatbestand des Raubes erfüllt, den der Herr oder der Amtmann eines jeden vorstehend festgesetzten Schlosses sowie die in ihrer Umgebung ansässigen Leute auf Erfordern vereiteln und die Täter und die Güter in ihr oder ein anderes Schloß bringen sollen, wo mit ihnen nach des reichs rechte verfahren werden soll. (2h) Wird in einem dafür vorgesehenen Schloß die Annahme von Pfandgütern abgelehnt, so soll der Pfandbesitzer dies feststellen lassen; er darf die Pfänder dann vor dem Schloß stehen lassen oder auch in das nächste Gericht bringen; diejenigen, die sich ihm versagt haben, sind ihm schadenersatzpflichtig. (2i) Alle diejenigen, die sich der Pfänder wie vorgesehen annehmen, dürfen deshalb nicht angegriffen oder geschädigt werden. (2k) Jedermann soll gegen solche einschreiten, die unrechtmäßig pfänden, und die Güter und die Täter zu recht helffen behalten.(3) Alle Bauern und Weinbauern sollen außerhalb ihres Hauses samt ihrer zur Bestellung ihrer Länder erforderlichen Habe, während der Ernte auf ihren Ländern und auf dem Weg zwischen diesen und ihrem Haus völlige Sicherheit genießen; weder mit noch ohne (angesagte) Feindschaft dürfen sie angegriffen, weder bei Tag noch bei Nacht darf gegen sie mit Abbrennen, Brandschatzen, fewrschiessen oder Feuerlegen vorgegangen werden. (4) Völlige Sicherheit sollen auch alle Geistlichen, Wöchnerinnen (kindelbeterin), Schwerkranke, Pilger (pilgreim), Landfahrende, Kaufleute und Fuhrleute samt ihrer Habe sowie (5) alle Kirchen, Kirchhöfe und widemhove der Kirchen genießen, doch dürfen sich die dort Befindlichen nur dann zur Wehr setzen, wenn sie bestürmt und bedrängt werden. (6) Künftig soll es keine mit eigenen Pferden versehenen reisigen Knechte mehr geben, die nicht in Diensten eines Herren, Jungherren oder einer Stadt stehen und für welche ihre Dienstherren im Falle ihres Zuwiderhandelns gegen die Bestimmungen des vorliegenden Gesetzes die Verantwortung tragen. Sämtliche mit oder ohne eigene Pferde ausgestatteten herrenlosen oder in Diensten eines solchen Herrn stehenden Knechte, der ihrer nicht mächtig ist, sollen nirgendwo Friede und Geleit besitzen. (7) Alle Kff. Fürsten, Gff. Freiherren, Ritterschaft, Städte und alle Reichsuntertanen sollen dafür sorgen, daß ohne ihre Genehmigung keine ihnen angehörigen oder ihrem Gebot unterstehenden edlen oder unedlen Leute und Knechte aller Art jemandem als Reisige bei einem Angriff zu Wasser oder zu Lande zu Hilfe ziehen. Dies gebietet der Kg. auch allen anderen Leuten, die keinen für sie verantwortlichen Herren besitzen.(8) Alle Kff. Fürsten etc. sollen ihre Amtleute anweisen und dafür sorgen, daß sich in ihren Ländern und Gebieten künftig kein gewachsner knecht, der nicht schwerkrank, sondern ein müssiggenger ist und auch kein ehrbares Auskommen hat, aufhalten darf, vielmehr sollen alle diese vertrieben werden. (9) Geleit soll niemand besitzen und solches soll niemandem gewährt werden dan zu rechte, ausgenommen zu offen tegen, hoven und versprochen kemphen.(10) Um den gemeinen Nutzen und Frieden im Reich nicht länger durch die Mißstände bei den heimlichen Gerichten und die daraus entstandenen Irrungen beeinträchtigen zu lassen, gebietet der Kg. insbesondere, daß diese Gerichte künftig ausschließlich mit frommen, verständigen und erfahrenen Leuten statt mit Gebannten (bännisch), Geächteten (verachtt), unehelich Geborenen, Meineidigen oder Eigenleuten besetzt werden sollen. Es soll künftig wieder so gehalten werden, wie es von anbegynne an durch den heiligen K. Karl den Großen3befohlen worden war und es durch die auf Befehl K. Sigmunds von Eb. Dietrich von Köln in Anwesenheit zahlreicher Gff. Freiherren, Ritter, Stuhlherren, Freigrafen und Freischöffen zu Arnsberg erlassene reformacion4 bestimmt. Insbesondere darf niemand wegen Sachen, die nicht dahin gehören oder der man zu den eern nicht mechtig sein mochte, vorgeladen werden. Fordert ein Herr oder Richter eines dennoch Vorgeladenen diesen unter der von zwei oder drei unversprochen mannen mit der besiegelten Beglaubigung, er sei dessen zu den eern vor sich oder anndern lanndleuffigen gerichten mächtig, schriftlich vom Freigrafen ab, so soll die Ladung vor das heimliche Gericht erledigt sein und die Sache ausschließlich an der dafür vorgesehenen Stelle verhandelt werden. Alle dennoch von den heimlichen Gerichten vorgenommenen Verhandlungen, Urteilssprüche etc. sollen keinerlei Gültigkeit besitzen. (10a) Nur solche Leute sollen von den Freigrafen zu Freischöffen gemacht werden, die dies von Rechts wegen werden können und ihre Tauglichkeit ausreichend nachzuweisen vermögen. Untauglich sind unehelich geborene und solche Leute, die jemandes Eigen, jemandem verbunden oder zugehörig, in des heiligen Reichs Acht und Aberacht oder in geistlichem oder weltlichem Bann sind. (10b) Kg. F. gebietet allen Stuhlherren, Freigrafen und allen anderen, für die Einhaltung dieser Bestimmungen zu sorgen, andernfalls der Stuhlherr einer an die königliche Kammer zu zahlenden Strafe von 10 Mark Gold verfallen ist und der Freigraf sein Amt verwirkt hat; jeder, der eine unrechtmäßige Vorladung erwirbt, verurteilt damit sich selbst, hat seinen Leib verwirkt und geht seiner Ehre verlustig, über ihn wird gerichtet als sich geburet.(11) Weil dem Reich und deutschen lannden an einer ordentlichen Ausprägung der Gold- und Silbermünzen beträchtlich gelegen ist, setzt Kg. F. fest, daß die Goldmünzen weder geringer noch höher, sondern wie seit etlicher Zeit üblich genau zu 19 Karat (grad) feinem Gold zu gemainer lanndesweerung ausgemünzt werden sollen. Jeder Zuwiderhandelnde hat schwerste Strafen verwirkt. (12) Weil dagegen die Silbermünzen nicht uff aín gemaín korn durch alle lannd festgelegt werden können, gebietet er allen Münzherren dafür zu sorgen, daß ihre Silbermünzen beständig und ordentlich geschlagen werden, andernfalls auch hier Bestrafung erfolgt. (13) Alle diejenigen, die gegen die Bestimmungen dieser Ordnung verstoßen, die dabei helfen sie zu übertreten oder Zuwiderhandelnde aufnehmen, haben sich an Ehre und Recht vergangen und sind der schweren Ungnade von König und Reich sowie einer halb an die königliche Kammer, halb an den Kläger oder Geschädigten zu zahlenden Pön in Höhe von 100 Mark Gold verfallen. Wer diesen Betrag in Gold oder Geld nicht aufzubringen vermag, soll seine Missetat an seinem Leib büßen, gegen ihn wird nach des reichs rechte verfahren. Mit Lehen versehene Zuwiderhandelnde gehen außer der festgesetzten Geldstrafe auch aller ihrer von wem immer rührenden Lehen verlustig als ob solhs mit recht ervolget were. Jedermann ist es bei völliger Straflosigkeit erlaubt, Zuwiderhandelnde, die nirgendwo Frieden oder Geleit genießen sollen, an Leib und Gut gleich so anzugreifen, als wären sie von des reichs hofgericht oder andern zimlichen gerichten .. mit rechtem urteil in die Acht und Aberacht erklärt worden. Statt Schutz zu erlangen, sollen sie in den Gerichten, in denen sie aufgegriffen werden, an allen intrag festgehalten und abgeurteilt werden. (13a) Der Kg. behält sich eine künftige Veränderung sowie die völlige oder teilweise Abstellung dieser Ordnung vor, erklärt jedoch, dies, als doch fur sich selbs billich ist, nur mit dem Rat seiner und des Reichs Getreuen tun zu wollen.

Originaldatierung:
An unser lieben Frawn abent assumtionis.
Kanzleivermerke:
KVr:. A.m.d.r.i.c. (A), A.m.d.r. Vdalricus Waeltzli (B). - KVv: Rta Jacobus Widerl (nur bei A, bei B fehlend).

Überlieferung/Literatur

Zwei Orgg. (A, B)5 im StadtA Frankfurt/M. (Sign. Privilegien n. 338 bzw. Reichssachen-Urkunden n. 238b), beide: Perg., wachsfarbenes S 8 mit vorn eingedrücktem roten S 13 an purpur-grüner Ss. - Kop.: Vidimus der Edelknechte Wenzel von Cleen und Gerlach von Londorf von feria quarta proxima post festum nativitatis beate Marie virgine gloriose 1455 (September 10) ebd. (Sign. Privilegien n. 338a), Perg., anh. SS d. Ausst. an Ps. - Vidimus der Edelknechte Ruß von Thüngen zum Rußenberg und Gernand von Schwalbach von feria sexta post Mathei apostoli et ewangeliste 1479 (September 24) ebd. (Sign. Privilegien n. 338b), Perg., anh. SS d. Ausst. an Ps.

Druck: RTA 16 n. 209 (mit dem Nachweis der bis dahin bekannten originalen und kopialen Überlieferung sowie der früheren Editionen und Regesten); Chmel, Anhang n. 23; Quellen zur Verfassungsgeschichte des römisch-deutschen Reiches im Spätmittelalter (1250-1500) n. 126 S. 491-497.

Reg.: Chmel n. 982; vgl. Regg.F.III. H.2 n. 7 und dass. H.3 n. 23. Lit.: Vgl. die Nachweise in RTA 16 S. 401; H. Koller, Die Aufgaben der Städte in der Reformatio Friderici (1442), in: HJb 100 (1980) S. 198-216.

Anmerkungen

  1. 1Die Einteilung in Kapitel ist nicht dem Stück selbst entnommen, sondern vom Bearbeiter vorgenommene Darstellungshilfe. Sie folgt der besseren Vergleichbarkeit halber der Unterteilung in den RTA.
  2. 2Es handelt sich um Kapitel 17 der Goldenen Bulle, s. Die Goldene Bulle Kaiser Karls IV. vom Jahre 1356, hg. von der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin, bearb. von W. D. Fritz, Weimar 1972 (= Fontes iuris Germanici antiqui in usum scholarum separatim editi, Tom. XI).
  3. 3Vgl. Lindner, Veme S. 466-472.
  4. 4Zur sog. "Arnsberger Reformation" aus dem Jahr 1437 vgl. ebd. S. 230ff. pass. sowie RTA 12, Vorwort S. XLVII-XLIX samt der in RTA 15 S. 361 Anm. 1 getroffenen Korrektur; Druck bei Usener, Anhang n. 7 und n. 9. Vgl. Krieger, Lehnshoheit S. 287-295. Kg. F. hatte den Kölner Kurfürsten schon am 16. Mai 1440 von Wien aus von seiner Zustimmung zu einer Reform der heimlichen Gerichte informiert und ihn um genauere Unterrichtung über die von ihm erlassene Ordnung ersucht, RTA 15 n. 168f.
  5. 5Die Orthographie der Zitate folgt dem Org. A.

Nachträge

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Empfohlene Zitierweise

[RI XIII] H. 4 n. 41, in: Regesta Imperii Online,
URI: http://www.regesta-imperii.de/id/1442-08-14_1_0_13_4_0_9611_41
(Abgerufen am 28.03.2024).