[RI XIII] Friedrich III. (1440-1493) - [RI XIII] H. 27

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K.F. verkündet das Urteil seines Kammergerichts gegen Pfgf. Friedrich (den Siegreichen) bei Rhein und erklärt diesen für unwürdig, die bisher gebrauchten Titel und Regalien des Kurfürstentums Pfalz zu führen1. Aufgrund der Mißachtung der guldein bulle2, unnser kunigclichen reformation und der fünf- bzw. vierjährigen Frieden von Nürnberg und Regensburg3 sowie aufgrund des begangenen crimen lese maiestatis belegt er ihn mit Acht und Aberacht. Über den Prozeßverlauf wird berichtet, daß nach Vorladung des Pfgf. Friedrich4, die öffentlich verlesen worden war, am newnden tag des moneds may nechstvergangen (1474 Mai 9) Eb. Adolf von Mainz, Bf. Wilhelm von Eichstätt, Bf. Johann von Augsburg, Bf. Sixtus von Freising, Hz. Albrecht (IV.) von Bayern(-München), Abt Johann von Kempten und Gf. Otto von Henneberg unter dem Vorsitz Kf. Albrechts, Mgf. von Brandenburg, dem der gerichts stabe übergeben worden war, zusammentraten, um aus ksl. Machtvollkommenheit Recht zu sprechen. K.F. erschien persönlich vor Gericht und ließ seinen Fiskal Johann Keller5 für sich sprechen. Dieser verlas die Anklagepunkte gegen Pfgf. Friedrich und betonte, daß der Kaiser befolgen werde, was sich in recht geburt. Im Falle des Nichterscheinens der Gegenpartei wolle er die ksl. Klage Punkt für Punkt darlegen. Danach legten der Domdekan (Johannes Enolf) von Worms und der Ritter Götz von Adelsheim6 besiegelte gewaltsbrieve des Angeklagten vor, die sogleich verlesen wurden. Sie erklärten, daß der ebenfalls von Pfgf. Friedrich bevollmächtigte Rheingraf (Johann) zum Stein wegen einer Erkrankung nicht erscheinen könne, wodurch die pfgfl. Vollmacht aber nicht verletzt werde. Danach bemängelten sie, daß in der ksl. Ladung weder die Namen von Richter und Beisitzer noch der Gerichtsort (malstat) genannt würde, weshalb sie von ihrem Herrn nur ungenügend instruiert werden konnten7. Da sie erst jetzt die Zusammensetzung des Gerichts vor augen hatten, forderten sie einen Aufschub des Verfahrens, um Pfgf. Friedrich darüber zu unterrichten und von diesem weitere Instruktionen einzuholen. Johann Keller ging auf die Argumente der Pfälzer ein, betonte die unrechtmäßige Aneignung des Kurfürstentitels durch Pfgf. Friedrich und zeigte sich über deren Forderung nach Aufschub äußerst befremdet, denn die Ladung sei nach ordnung des Reichs ausganngen. Die Angabe von Gerichtsort und Zusammensetzung des Gerichts sei nicht üblich, und Pfgf. Friedrich habe genügend Zeit gehabt, sich auf den Prozeß vorzubereiten, so daß ein Aufschub nicht notwendig sei. Das Gericht gewährte daraufhin den Pfälzern eine Bedenkzeit bis zum kommenden Tag. Am zehennden tag des obgeschriben moneds may (1474 Mai 10) trat das Gericht erneut zusammen. Götz von Adelsheim sprach erneut die Formfehler der Ladung an und erklärte, daß Pfgf. Friedrich nur aus Gehorsam machtboten entsandt hätte, da er K.F. alltzeit gern (zu) vlisse sei, und damit er in Erfahrung bringen könne, wo dieser Rechtstag stattfinden werde. Nachdem die Pfälzer erfahren hatten, daß der Rechtstag in Augsburg stattfinden wird, seien sie hierher gereist und müßten nun ihren Herrn über Zusammensetzung und Ort des Gerichts informieren. Pfgf. Friedrich hätte nie die Absicht gehabt, sich der ksl. Ladung zu entziehen. Johann Keller bezeichnete diese Ausführungen als unbegrunten ausfluchten. Wenn jeder Angeklagte so verfahren würde, käme kein Prozeß zu seinem Ende. Er erklärte desweiteren, daß Pfgf. Friedrich schon mehrfach vil hoher swerer schrift gegen K.F. im Reich veröffentlicht hätte, in denen er sich beklagte, daß der Kaiser ihm gegenüber weder gnade noch recht gedeihen wolle8. Auch habe er mehrfach widerwertig und ungemesz gehandelt und damit Kaiser und Reich gegenüber Ungehorsam und Verachtung gezeigt. Dies würde ausreichen, um ihn ausserhalb sonnderlicher erclerung des rechtens bestrafen zu können, wovon K.F. aber aus angeborner tugent und gutigkeit Abstand genommen habe. Wenn der Kaiser auch selbs richter sein mochte, habe er trotzdem ein Gericht aus Kurfürsten und Fürsten des Reichs zusammengestellt, das seine Klage mit recht ausfueren sollte. Pfgf. Friedrich hätte seine Gesandten mit ausreichenden Vollmachten versehen, deren Ausflüchte seien unbegründet und widerwertig. Die keiserlich maiestat were auch nit verbunden, der geschriben recht nach der ordnung zu leben in massen an dem keiserlichen camergericht gebraucht wurde. Keller betont erneut, daß es das Recht des Kaisers sei, die Richter und Beisitzer zu bestimmen, und daß eine Änderung des Gerichtsortes oder der Zusammensetzung des Gerichts während eines Verfahrens im ksl. Kammergericht durchaus üblich sei, weshalb nähere Angaben dazu in den Ladungen nicht gemacht werden müßten. Die Pfälzer erwiderten, daß sich die erst am Vortag ernannten Richter und Beisitzer nicht auf den Prozeß hätten vorbereiten können, und daß ihre Vollmacht (gewalt) nur für die protestation und Bitte um Aufschub reichen würde. Johann Keller betonte daraufhin erneut, daß römische Kaiser und Könige dem gemeinen recht nicht unterworfen seien, auch wenn sich seine (K.F.) Vorgänger diesem gelegentlich unterworfen hätten. Danach wies Mgf. Albrecht von Brandenburg den Vorwurf der Pfälzer, er sei ein subdelegirter und nit ordenntlicher richter, zurück und betonte, daß er als ein ordennlicher richter anstat der keiserlichen maiestat gesetzt sei. Es sei gewonnheit am ksl. Hof und im hl. Reich, daß der Kaiser Kammerrichter und die Fürsten Hofrichter bestellen, die an deren Statt handeln sollen. Ein deligirter richter müsse dagegen seinem Herrn Bericht erstatten. Die Pfälzer erwiderten, daß Hofrichter verwilkuerte richter wären und was willkuert werde, sey disem rechten ungemesz zu achten9. Der Richter und seine Beisitzer, die ihre Aufgabe aufgrund ihrer Verpflichtung gegenüber Kaiser und Reich sowie aus Angst vor hohen Strafen übernommen hatten, baten den Kaiser nach Anhörung der beiden Parteien am 12. Mai mit diemutigem vleiss, sie von ihren Aufgaben zu entbinden, stab und gwalt persönlich zu nehmen und in dieser Sache zu sitzen, zu richten und zu hanndeln, als sich gebuert. Als Begründung wiesen der Richter und seine Beisitzer darauf hin, daß sie ihrer notdurfft und gescheffthalben nit alltzeit bei den sachen versamelt sein möchten10. Der Kaiser erbat sich daraufhin Bedenkzeit bis zum kommenden Tag. Am dreytzehnennden tag des obgeschriben moneds may (1474 Mai 13) versammelten sich Richter und Beisitzer und teilten ihren Beschluß den Pfälzern mit, die ihnen versicherten, keinen schlechten Eindruck von ihnen gewonnen zu haben. K.F. erklärte dem Richter und den Beisitzern, daß er sie aus adeliger Tugend und Mildtätigkeit und zur Förderung des Rechts als Richter und Beisitzer ernannt hatte, die Pfälzer würden dies jedoch nicht verstehen und lediglich versuchen, eine Verzögerung des Prozesses zu erreichen. Er habe nun beschlossen, selbst den Vorsitz zu führen und mit volkomenheit keiserlichs gwalts den stab und gewalt wieder zu übernehmen. Er bat die anwesenden Fürsten, als seine Beisitzer zu fungieren, und bestellte Meister Johann Keller zu seinem Anwalt. Daraufhin verließen die Pfälzer aus Protest das Gericht. Der vom Kaiser mehrfach entsandte Erbmarschall Heinrich von Pappenheim konnte sie nicht zur Rückkehr bewegen. Keller, der im Verhalten Pfgf. Friedrichs und seiner Gesandten offenbare verachtung und ungehorsam sah, forderte die Fortsetzung des Prozesses. K.F. entschied allerdings, Pfgf. Friedrich eine neue Ladung durch Heinrich von Pappenheim überbringen zu lassen, damit sich dieser den Anklagepunkten persönlich oder durch Gesandte stellen könne. Aus adeliger tugend und guetikeit forderte er Pfgf. Friedrich auf, nicht bereits innerhalb der üblichen Frist von drei Tagen, sondern erst an dem nechsten Freitag nach dem heiligen auffarttag schirstkuntig (1474 Mai 20) oder dem nächsten darauffolgenden Gerichtstag zu erscheinen. Am 20. Mai versammelte sich das Gericht unter dem Vorsitz des Kaisers, wobei Hz. Albrecht von Bayern krankheitshalber fehlte. Nachdem festgestellt wurde, daß Pfgf. Friedrich der Ladung nicht nachgekommen war, wurde dem Antrag des ksl. Anwalts Johann Keller auf Fortführung des Prozesses stattgegeben. Dieser zählte daraufhin die einzelnen Anklagepunkte auf11. Eine Bestrafung wäre schon wegen der Verletzung der kgl. Reformation und des in Regensburg erlassenen fünfjährigen Friedens12 fällig, darüber hinaus hätte sich Pfgf. Friedrich auch noch des crimen lese maiestatis schuldig gemacht. K.F. räumte Pfgf. Friedrich abermals eine Frist von acht Tagen ein, damit niemand auf den Gedanken käme, daß er den Angeklagten uebereylen wolle. Da auch am sibenundzweintzigsten tag des moneds may (1474 Mai 27) kein Vertreter Pfgf. Friedrichs erschien, fällte K.F. obengenanntes Urteil.

Originaldatierung:
Am sibenundzwenntzigsten tag des moneds may.
Kanzleivermerke:
KVr: A.m.d.i. Jo(hann) Waldner prothonotarius etc.

Überlieferung/Literatur

Org. im HHStA Wien (Sign. AUR 1474 V 27), Papierlibell, wachsf. S 15 mit wachsf. S 16 vorne eingedr. an purpurf. Ss., daran auch S Kf. Albrechts von Brandenburg in wachsf. Schüssel. – Kop.: Abschrift ebd. (Sign. Urkundenabschriften Österreichische Urkunden, Karton 45 sub dato) (18. Jh.). Druck: Chmel, Mon. Habsb. I/1 S. 395–412 n. 143; Schaab/Lenz, Ausgewählte Urkunden S. 300–306 n. 136. Reg.: Chmel n. 6877; Lichnowsky(-Birk) 7 n. 1771 (datiert Mai 24); Menzel, Regg. Friedrichs des Siegreichen 1 S. 485; Regg.F.III. H. 4 n. 629 und H. 17 n. 280 (beide nach unzulänglicher Überlieferung). Lit.: Bachmann, Reichsgeschichte 2 S. 458; Most, Reichslandfriede S. 230ff.; Krieger, Quelle;Koller, Friedrich III. S. 192f.; vgl. auch die Angaben in n. 225.

Kommentar

Zum weiteren Verlauf der Angelegenheit siehe u.a. Lichnowsky(-Birk) 7 n. 1773 u. 1791; Menzel, Regg. Friedrichs des Siegreichen 1 S. 485ff.

Anmerkungen

  1. 1Pfgf. Friedrich hatte nach dem Tod seines Bruders Ludwig IV. von 1449–1451 die Vormundschaft über seinen einjährigen Neffen Philipp übernommen, ihn 1451 in der römisch-rechtlichen Form der ‚arrogatio’ adoptiert und sich dadurch selbst die Kurwürde angeeignet. K.F. hatte diese ‚arrogatio’ niemals bestätigt, weshalb Pfgf. Friedrich von ksl. Seite hier nur mit seinem Vornamen angesprochen oder als Hz. Friedrich bezeichnet wird. Vgl. Krieger, Prozeß S. 257f.
  2. 2Die Goldene Bulle K. Karls IV. von 1356; siehe MGH Const. 11 S. 535–633.
  3. 3Zur kgl. ‚reformatio’ und zum fünfjährigen Nürnberger Frieden vgl. die Angaben in n. 225; zum vierjährigen Regensburger Landfrieden von 1471 Juli 24 siehe n. 108.
  4. 4Siehe n. 225.
  5. 5Zu seiner Person vgl. n. 256 undHeinig, Friedrich III./1 S. 123–134; Mader, Johann Keller; Ehm, Burgund und Reich S. 144; Battenberg/ Diestelkamp, Protokoll- und Urteilsbücher 3 S. 1669f.
  6. 6Sie werden im folgenden als die Pfälzer bezeichnet. Laut Krieger, Quelle S. 71 Anm. 32 handelt sich bei dem nicht namentlich genannten Domdekan um Johannes Enolf. Zur Person Enolfs vgl. Hartmann, Domherren S. 159.
  7. 7Der Hinweis auf Formfehler der Ladung war ein beliebtes Mittel zur Prozeßverzögerung in Fürstengerichten; vgl. Krieger, Prozeß S. 272f.
  8. 8Dazu ebd. S. 265 mit Anm. 30.
  9. 9Bei den hier vorgebrachten Argumenten geht es um „die Substanz der kaiserlichen Gerichtsgewalt sowie um die Stellung des Kaisers zum Reich schlechthin“ (ebd. S. 275).
  10. 10Zu den Motiven hinter dieser Entscheidung siehe Krieger, Quelle S. 74ff.
  11. 11Vgl. n. 225.
  12. 12Vgl. oben Anm. 3.

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Empfohlene Zitierweise

[RI XIII] H. 27 n. 232, in: Regesta Imperii Online,
URI: http://www.regesta-imperii.de/id/1474-05-27_1_0_13_27_0_232_232
(Abgerufen am 19.03.2024).