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[RI XIII] Friedrich III. (1440-1493) - [RI XIII] H. 23

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K.F. beurkundet das uff hut, datum dieß brieffs1, unter seinem persönlichen Vorsitz gefällte Urteil seines Kammergerichts, demzufolge der Klage2 seines Vetters Hz. Sigmund von Österreich (-Tirol) gegen seine swester, die verwitwete Erzherzogin Mechthild von Österreich, geborene Pfalzgräfin bei Rhein, und gegen seinen Schwager Gf. Eberhard (V.) d.Ä. von Württemberg stattgegeben und dem Hz. das Recht zugesprochen wird, die Burgställe Hohenberg und Wehingen gegen Entrichtung des Pfandschillings aus dem Pfandbesitz Mechthilds auszulösen sowie Schadenersatz beanspruchen zu können. Der Verlauf der Kammergerichtssitzung wird im einzelnen wie folgt geschildert: Der K. persönlich hat heute das Kammergericht besessen mit seinen Räten, Andächtigen und Getreuen Bf. Anton von Triest, Bf. Sigmund von Laibach3, Abt (Johann) von St. Lambrecht, den Gff. Haug von Werdenberg und Wilhelm von Thierstein, dem Dompropst Thomas von Cilli von Konstanz, dem ksl. Hofmarschall Georg Fuchs (von Fuchsberg), Dr. Hartung von Kappel, dem Hofmeister4 Bartholomeus von Liechtenstein und dem ksl. Protonotar Johannes Rehwein. Die rechtlich genügend bevollmächtigten Anwälte5 Hz. Sigmunds ließen die ksl. Vorladungen6 Mechthilds und Eberhards verlesen und setzten7 angedingt in recht ihre Klage zu Recht, derzufolge die Gegenseite ihrem Herrn die Auslösung der verpfändeten Burgställe Hohenberg und Wehingen samt Zugehörungen gegen Entrichtung des Pfandschillings gestatten müsse und die entstandenen Kosten und Schäden einschl. der Gerichtskosten zu tragen habe, denn durch die unbefugte Weitergabe der Pfandschaft an Eberhard sei ihrem Herrn und den betroffenen armen lut ein Schaden von über 2000 fl. enstanden. Dagegen wandte der Ritter Hermann von Sachsenheim8 als Anwalt beider Beklagten ein, daß er dem K. vormals9 im Namen Mechthilds deren Standpunkt vorgetragen habe, aufgrund ihrer Verschreibung zur beliebigen Weiterverpfändung berechtigt zu sein, weshalb er hoffe, die Ladung werde abgestellt und das Wittum seiner Herrin nicht beeinträchtigt. Andernfalls möge das Gericht ihm einen getruwen schub gewähren. Denn die ksl. Ladung sei erst nach seiner Abreise eingegangen, so daß sie ihm habe nachgesandt werden müssen und er über den neuesten Stand des Falles, der in den laufenden Verhandlungen oben zu lannd möglicherweise schon gütlich beigelegt worden sei, nicht unterrichtet sei. Auf diese usserhalb rechts gehaltene Rede wollten die Anwälte des Klägers nicht antworten, sondern blieben ebenso bei ihrem Antrag wie Sachsenheim bei seiner Einlassung. Daraufhin hat der K. im gericht sagen lassen, weil keine gütliche Einigung vorgewiesen werden könne, solle ergehen, was recht were. Anschließend legte Sachsenheim zwei ausreichende Vollmachten Mechthilds und Eberhards in gericht und ließ durch seinen erlaubten redner, angedingt im recht, vorbringen, daß er unter den Umständen seiner Abfertigung und der laufenden Bemühungen um eine gütliche Einigung nicht umfassend instruiert sei, weshalb er keineswegs in Verschleppungsabsicht bitte, ihm den Aufschub rechtlich zuzuerkennen. Dies hielten die Klägeranwälte für vorgeschoben. In den den Beklagten vorgelesenen ksl. Vorladungen sei die Klage klar bezeichnet, so daß sie ihren Prozeßvertreter ausreichend hätten instruieren können. Ausdrücklich sollten sie nicht nur vor Gericht erscheinen, sondern auf dem nach ordnung des rechten und des Richs herkomen bestimmten enndtlichen terminen auch enntlichen antworten. Daß ihr Vertreter zwar erschienen sei, aber sich nun nicht auf die Klage verantworten wolle, sei ein größerer Ungehorsam, als wenn er gar nicht erschienen wäre. Dagegen wandte der Redner Sachsenheims ein, die zutreffend wiedergegebenen Vorladungen schlössen die Zuerkennung eines Aufschubs vor allem dann nicht aus, wenn die Beklagte eine Frau, Fürstin und Witwe sei und der Streitgegenstand ein widemgut, die fur annders im recht(en) gefreyt, als das allweg in unnserm kayserlichen hoffe gehalten were. Im übrigen habe die Gegenseite mit dem Schadenersatz für die armenlut einen neuen Sachverhalt eingeführt. Während er deshalb seine Bitte um Aufschub zu Recht setzte, beantragten die Klägervertreter, die Gegenseite solle auf die Klage rechtlich antworten, andernfalls ihr Herr seine Klage entsprechend der Vorladung behauptet habe, denn es sei Herkommen am ksl. Hof und Gericht, nach Ansetzung eines endlichen Termins keinen Aufschub zu weiterer Unterrichtung in der Sache zu gewähren, und auch die abschließende Präzisierung der Schadenersatzforderungen sei üblich. Daraufhin erkannte das Kammergericht zu Recht: Antwortet der Vertreter der Beklagter im rechten, wird geschehen, was Recht ist; antwortet er nicht, wird nach Recht verfahren. Dementsprechend bat der Redner des Beklagtenanwalts, der beantragte Aufschub möge von Rechts wegen oder aufgrund ksl. Milde gewährt werden. Er setzte zu Recht, daß auch im vorliegenden Falle die ordinantz des Kammergerichts Anwendung finden solle, die während des verstorbenen Kammerrichters Eb. Adolf von Mainz10 mit ksl. Billigung in Geltung gestanden habe und derzufolge ein slechter ungehorsamer seine haubtsach nicht allein wegen Ungehorsams verlieren könne, sondern der Kläger seine Klage beweisen müsse. Dies wiesen die Klägervertreter zurück. Die angezogene clausel der ordinantie beziehe sich nur auf solche Beklagte, die nicht zum Termin erschienen, nicht hingegen auf erschienene, die sich nicht auf die Klage einlassen wollten, womit sie vielmehr besonders ungehorsam seien. Und weil die Gegenseite nicht auf die Klage antworte, müsse der Kläger diese auch nicht beweisen. Im übrigen habe der K. nachdem alle weltliche recht uß unns als dem obristen prunnen der recht flussen, Macht, die angezogene Ordnung abzustellen. Deshalb setzten sie zu Recht: Antworte die Gegenseite nicht rechtlich, habe der Kläger seine Klage entsprechend der Vorladung und dem Prozeßverlauf behauptet. Daraufhin wurde uff hut, datum diß brieffs, uff vorgesprochen urtail und nach dem Prozeßverlauf einhelliglich zu recht erkannt: Weil der Anwalt der Beklagten hinreichende Vollmacht in gericht gelegt sowie sich daraufhin in recht angedingt und rechtsetz getan hat, soll er auf die Klage Hz. Sigmunds in recht antworten, diwyl das gericht sitzt. Tut er dies, wird er gehört und dann geschehen, was Recht ist; tut er dies nicht, so gesteet er damit dem Kläger der ytzbestympten siner clag, welche dieser folglich wie beantragt behauptet. Nachdem Sachsenheim die Frage, ob er durch seinen Redner vor sitzendem Gericht noch etwas vorbringen wolle, verneint hat, werden den Anwälten des Klägers antragsgemäß gerichtsurkund dieses Urteils einschließlich entsprechender gebotßbrieve und procesß sowie Vorladungen wegen Schadenersatz zuerkannt.

Originaldatierung:
Geben mit urtail am nunden tag des monets july (nach Kop.).

Überlieferung/Literatur

Org.: im bearbeiteten Bestand nicht überliefert, der Kop. zufolge jedoch Perg. mit anh. S. – Kop.: Abschrift mit der Überschrift der gerichtshandel vor der k(aiserlichen) m(aiestät) der obern herschafft halb im LA Bad.-Württ., HStA Stuttgart (Sign.: A 602, Nr. 4826 n. 50 fol. 89r-93v), Pap. (15. Jh.). – Vielfach korrigiertes Konzept11 des ksl. Kammergerichts, d.h. der für dieses tätigen römischen Kanzlei, ebd. Nr. 4853, Pap. (15. Jh.). Druck: Chmel, Mon. Habsb. I, 2, Nr. XLIII S. 181-187. Reg.: WR 4853. – Die sachlichen und juristischen Auseinandersetzungen sind umfassend dokumentiert (und tlw. ediert) in den Protokoll- und Urteilsbüchern 1465-1480 unter der Verfahrensnummer V61912. Lit.: Stälin, Württembergische Geschichte 3 S. 589; Franklin, Kammergericht Nr. LX; Baum, Friedrich III. und Württemberg S. 126; Heinig, Friedrich III. S. 899-901 passim.

Anmerkungen

  1. 1Diese Zeitangabe ist das Ergebnis der wohl wichtigsten Korrektur des u.a. Ur-Konzepts, wo es geheißen hatte: auf den newndten tag des monats julii nechstverganngen. Dies indiziert die Rückdatierung des schriftlichen Urteils.
  2. 2Siehe oben nn. 629f.
  3. 3Die württ. Liste der Beisitzer auf fol. 93v des Verfahrenskonvoluts im LA Bad.-Württ., HStA Stuttgart (Sign.: A 602, Nr. 4826 n. 50) nennt irrtümlich den Bf. von Lavant.
  4. 4Die o.a. württ. Liste der Beisitzer bezeichnet ihn genauer als den Hofmeister des jungen h(e)ren, also des Kaisersohnes Maximilian.
  5. 5Als die uff hertzog Sigmunds parthy führt die württ. Liste der Beteiligten auf fol. 93v des o.a. Verfahrenskonvoluts den Fiskal (i.e. Hartung von Kappel oder Johann Keller), Meister Konrad Wenger und den (Georg) Schetzer auf.
  6. 6Siehe oben nn. 629f.
  7. 7Die im Ur-Konzept entaltenen Bezüge auf ihren Redner wurden durchgängig getilgt, auch stets "er" in "sie" (für mehrere Anwälte) korrigiert.
  8. 8Dieser Name wurde erst in das – namenlose – Ur-Konzept hineinkorrigiert.
  9. 9Siehe oben nn. 627f.
  10. 10Der am 6. September 1475 verstorbene Mainzer Eb. Adolf von Nassau war zwischen 1470/71 und 1475 römischer Kanzler und Kammerrichter des K. gewesen, s. Heinig, Friedrich III. S. 659-663. Daß hier auf seine ordinantz oder ordinantie Bezug genommen wird, ist ein weiterer Beleg nicht nur dafür, daß das ksl. Kammergericht unter ihm – wohl gemäß dem in den Regg.F.III. H. 8 n. 324 gebotenen Entwurf einer Kammergerichtsordnung vom 24. Okt. 1471 – personell und verfahrenspraktisch umfassend geordnet worden ist, sondern auch dafür, daß die entsprechenden juristischen, nämlich römisch-rechtlichen Grundsätze auch rezipiert wurden. Siehe dazu Battenberg, Handschrift, und Ders., Beiträge sowie Heinig, Kanzleipraxis S. 428ff., und nunmehr die Edition der Protokoll- und Urteilsbücher 1465-1480.
  11. 11Es handelt sich offensichtlich wirklich um das Originalkonzept, dessen Korrekturen hier im einzelnen ebensowenig analysiert werden können wie dessen Gang in das württembergische Archiv, in welcher Hinsicht es freilich kein Einzelfall ist.
  12. 12Gelegentlich fälschlich V616.

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Empfohlene Zitierweise

[RI XIII] H. 23 n. 643, in: Regesta Imperii Online,
URI: http://www.regesta-imperii.de/id/1476-07-09_1_0_13_23_0_646_643
(Abgerufen am 29.03.2024).