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[RI XIII] Friedrich III. (1440-1493) - [RI XIII] H. 22

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K.F. bestätigt mit beheltnus unser obrikeit den Entwurf (begriffe) eines (1466) Februar 2 in Ulm (durch seine Sendboten) ausgehandelten Landfriedens1, er verspricht, diesen zu schützen und schirmen, gnediger herr aller Landfriedensmitglieder zu sein, und befiehlt, in allen Angelegenheiten in seinem Namen so zu handeln, wie es durch diesen Landfrieden der hilff und strafe wegen geregelt wird, dazu unnsers panirs nach Ermessen derer, die uber den lantfrid gekoren werden2, zu gebrauchen und stets ein auffsehen auf ihn als röm. Kaiser und rechten herrn zu haben. Die Bestimmungen werden einleitend damit begründet, daß K.F. seiner Pflicht als Kaiser nachkommen müsse, wodurch im Reich Friede, sone, ainigkeit und gemache geschopffet und seliglich empfunden werde, und daß er sich die ihm zugetragenen Klagen über die Beschädigung durch die nyderdruckung der strassen und aller gewerbe deutschs gezungs sowie Räuberei und unrechtlicher und mutwilliger Fehde, wodurch gemeiner nuz der land in großem Ausmaß beeinträchtigt werde, zu Herzen genommen habe. Des weiteren wird darauf hingewiesen, daß der Kaiser, in die fußstapffen seiner Vorgänger tretend, selbst ohne seine Räte befunden habe, die Mißstände könnten nicht anders als durch einen gemeinen Landfrieden deutscher nation beseitigt werden, womit auch die Straßen des Reichs frey und yederman in seinem stand bleibe. Da das Reich aber groß und in treffenliche gelider ausgeteilet sei und darin auch ungelegenheit der land aneinander angesehen und es nicht möglich sei, alle Angelegenheiten auf einmal zu behandeln, habe der Kaiser beschlossen, zunächst mit des Reichs geistlichen und weltlichen Kff. Prälaten, Gff. Freiherren, Rittern, Städten und Untertanen3, die ihm die Bürde des Reichs stets bereitwillig tragen helfen, den Anfang zu machen und dann gemäß ihrem Rat weiter zu handeln, damit das ganze Reich nach Gebühr eines jedes Landes befriedet werde4, wozu er als liebhaber des fridens und der gotlichen gerechtigkeit genaigt sei. In diesem Zusammenhang werden folgende Punkte festgelegt: 1)5 Alle Landfriedensmitglieder sollen sich gegenseitig tege laisten, untereinander keine Fehden, Feindschaften und keinen Aufruhr beginnen, keiner soll einem anderen Gewalt antun und dies auch seinen Untertanen nicht gestatten. Niemand darf den Feind eines anderen ohne dessen Vorwissen beherbergen, ihm Vorschub leisten oder Geleit geben, außer zu offen tegen. Wenn ein Landfriedensmitglied seinen Feind oder beschediger in Städten, Schlössern oder Gebieten eines anderen ergreift (betrete), soll ihm zu Recht verholfen werden. 2) Jeglicher Räuberei ist zu wehren, die Kaufleute sind zu schützen und zu verteidigen, und bei Übergriffen zu frischer tat hat einer dem anderen beizustehen oder dem Täter nachzueilen und bei dessen Festnahme zu helfen. Werden aber die beschediger nicht ergriffen, soll sie derjenige mit macht bestrafen, in dessen Land, Gebiet oder Straßen das Unrecht geschehen ist, wobei ihm gegebenfalls Hilfe zu leisten ist, so wie es die notturfft erfordert und es von den Gekorenen bestimmt wird. 3) Zur fruchtbarlich(en) und ersprißlich(en) Hanthabung des Landfriedens für Land und Leute sollen Konflikte zwischen Fürsten und Gff. und/oder Städten folgendermaßen ausgetragen werden: Jede Partei sendet ihre schidlich rete innerhalb des nächsten Monats an gelegen stete. Diese haben sich gütlich zu einigen, andernfalls jede Partei drei ihrer Räte oder frunde bestimmen und sich (mit der Gegenpartei) über einen Obmann einigen muß, vor dem der Beklagte dem Kläger rechts pflegen soll, ungeachtet der Angelegenheiten, derentwegen sie zu tegen komen sind oder geschickt haben. Das Recht soll innerhalb des nächsten Vierteljahres zu end und ausztrege kommen, und auch wenn durch einen Obmann keine Einigung erzielt wird, dürfen die Beteiligten stets nur durch das Recht und nicht mit der tat zu einem Austrag gelangen6. 4) Wenn Herren, Ritter, Städte, Bürger oder Untertanen eines Fürsten gegenüber einem (anderen) Fürsten sprechen möchten, hat dieser Fürst dem Kläger vor seinem Hofmeister und seinen Räten gerecht (zu) werden, derer es mitsamt dem Richter nicht weniger als neun Personen, von denen die Mehrzahl zum her schilt geborn, sein sollen, und zwar innerhalb des nächsten Vierteljahres nach seiner erforderung. 5) Wenn ein Ritter und Knecht mit einer Stadt zu schicken gewonnen, hat jede Partei ihre schidlich frunde innerhalb des nächsten Monats an gelegen stete zu senden, und diese sollen sich gütlich miteinander einigen, andernfalls der Austrag wiederum mittels eines Obmannes zu erfolgen hat7. 6) Wenn Bürger oder Untertanen einer Stadt mit einem Ritter zu thund haben, sollen sie diesem bis vor den Herrn nachfahrn, dessen Rat, Mann und Diener dieser ist, und dieser Herr soll dann Recht ergehen lassen. 7) Desgleichen muß auch ein Fürst, Graf, Herr, Ritter oder Knecht, der mit Bürgern oder Untertanen einer Stadt zu schicken hat, diesen bis vor ihr Stadtgericht nachfaren, vor dem ihm zu Recht verholfen wird. 8) Haben Angehörige der Ritterschaft miteinander zu schicken, soll der Kläger dem Beklagten bis vor den Herrn nachfarn, dessen Rat, Mann und Diener dieser ist, und ihm dort zu Recht verholfen werden. 9) Wenn Fürsten, Gff. Herren, Ritter oder Untertanen der Städte als Bürger und gebawern miteinander zu schicken haben, soll der Kläger dem Beklagten nachfaren bis zu dem Stadt- oder Dorfgericht, dem dieser zugehörig ist, und ihm dort zu Recht verholfen werden. 10) Alle Lehen betreffenden Angelegenheiten haben vor dem Lehensrichter und mannen verhandelt (verrecht) zu werden, geistliche Belange vor einem geistlichen Gericht und Belange betreffend Erb- und Eigengüter vor den Gerichten, in denen diese Güter liegen. 11) Wenn zwei Parteien gegeneinander klagen, soll beiden gemäß der beschriebenen Austräge Recht zuteil werden, und falls sie wegen des vorrecht(s) in Streit geraten, muß dies (bereits) vor dem Austrag geleutert werden, und zwar an dem Ort, do sie aneinander fürkomen8. Kann aber der Austrag nicht an einem end stattfinden, da es sich um Angelegenheiten handelt, in denen eine Person der anderen bis zu deren Herrn oder Gericht nachfarn muß, soll der Kläger mit seinem rechten vorgeen. Falls keine Partei fordern möchte, sind die Gekorenen zu einer Entscheidung heranzuziehen, die beide Teile zu befolgen haben. 12) Wenn jemand außerhalb dieses Landfriedens gegenüber einem Mitglied zu sprechen hat, soll ihm auf seinen Wunsch gemäß dem beschriebenen Austrag ebenfalls zu Recht verholfen werden. 13) Falls sich eine außerhalb des Landfriedens stehende Person durch einen Austrag von einem Landfriedensmitglied nicht benugen lassen möchte, sollen ihr die anderen Mitglieder ein entsprechendes Gebot zukommen lassen. Bei Mißachtung und wenn man dennoch, unerfollt und unerclagt rechts ein oder mehrere Landfriedensmitglieder vergewaltigen, bekriegen oder beschedigen wurde, sollen sich alle Mitglieder nach ihrem Vermögen und nach Erkenntnis der Gekorenen gegenseitig Hilfe und Beistand leisten, solange bis die Täter dem Geschädigten wandel und karung leisten oder ungewaigerts rechten umb die verhandlung pflegen und der rechtspruch vollzogen wird. Gleichwohl soll derjenige, dem geholfen wird, sich nicht richten lassen, außer auch seine Helfer sind versorget und gerichtet. 14) Wenn ein Mitglied gegen diesen Landfrieden verstößt, ist nach Erkenntnis derer, die uber den lantfride gesetzt werden, mit Strafen vorzugehen (nach Kop.).

Überlieferung/Literatur

Org. im bearbeiteten Bestand nicht überliefert. – Kop.: Abschrift (um 1800) im HHStA Wien (Sign. AUR sub dato 1465 [sic] IV 24), Papierlibell, fol. 1r–6v, mit ksl. Bestätigung fol. 6r–v9. Druck: Müller, Reichstags-Theatrum 1 S. 198–200 und 2 S. 199–201; Senckenberg u. Schmauss, Reichs-Abschiede 1 S. 198–200. Reg.: Chmel n. 4366; siehe auch ebd. n. 4146 und Lichnowsky(–Birk) 7 n. 961 (beide datiert auf 1465). Lit.: Kluckhohn, Ludwig der Reiche S. 251f.; Bachmann, Reichsgeschichte 1 S. 603f.; Kraus, Deutsche Geschichte 1 S. 450; Molitor, Reichsreformbestrebungen S. 145–158; Most, Reichslandfriede S. 199–204; Eberbach, Deutsche Reichsritterschaft S. 169f.; Angermeier, Königtum und Landfriede S. 506f.; Hesslinger, Anfänge S. 31f; Gismann, Beziehungen S. 238f.; Baum, Friedrich III. und Sigmund (1464–1478) S. 211 (mit Jahresangabe 1465); Baum, Habsburger in den Vorlanden S. 488f.

Kommentar

Bei diesem Landfriedens-Entwurf handelt es sich um eine jener Konzeptionen, die dem Landfrieden von 1467 August 20 (siehe n. 186) vorausgingen und deren Überlieferungssituation bisher noch weitgehend unpubliziert ist10. Aus diesem Grund schien – trotz der hier vergleichsweise ungünstigen Wiener Überlieferung – die Aufnahme in Form eines ausführlichen Regestes in den vorliegenden Band sinnvoll. Seit Februar 1466 ließ der Kaiser nämlich auf verschiedenen Tagen in Ulm und Nördlingen durch seine Anwälte unter der Führung von Mgf. Albrecht von Brandenburg mehrere derartige Entwürfe vorlegen. Die im HHStA vorhandene Abschrift entspricht mit Sicherheit dem bei Most, Reichslandfriede S. 199 Anm. 20, mit anderer Überlieferung genannten Ulmer Entwurf und ist daher auf 1466 zu datieren.

Anmerkungen

  1. 11465 Oktober 14 forderte der Kaiser Bürgermeister und Rat der Stadt Worms zur Teilnahme an dem von ihm und den Kff., Fürsten und Edlen beschlossenen und an unser Frauwen liechtmeß tag (1466 Februar 2) in Ulm stattfindenden Tag auf; Regg.F.III. H. 4 n. 411. Der Tag in Ulm wurde von Mgf. Albrecht Achilles initiiert, der die Landfriedens- und Fürstenbundpläne der Wittelsbacher in Süddeutschland zu vereiteln versuchte. Dazu ausführlicher Molitor, Reichsreformbestrebungen S. 145 und Angermeier, Königtum und Landfriede S. 506. Insgesamt erstreckten sich die Verhandlungen von Februar bis Oktober 1466 mit verschiedenen in Ulm und Nördlingen stattfindenen Tagen, mit zahlreichen Städtetagen und Sonderbesprechungen zwischen Fürsten und Städten; dazu auch Most, Reichslandfriede S. 199 Anm. 21.
  2. 2Angermeier, Königtum und Landfriede S. 507, weist darauf hin, daß der Kaiser dadurch die volle Exekutionsgewalt beanspruchte, daß die Wahl der Gekorenen hier nicht den Einungsmitgliedern überlassen sei, sondern nur durch den Kaiser persönlich erfolgen sollte. Die Stellung der Gekorenen (und des Landfriedenshauptmannes) wurde allerdings im letzten von drei aufeinanderfolgenden Entwürfen geregelt. Dazu ausführlicher Most, Reichslandfriede S. 202.
  3. 3In der Abschrift ist von ihnen allen als den hernach benanten die Rede, doch findet sich an der entsprechenden Stelle im Text NN und N, was dahin gehend gewertet werden könnte, daß es sich bei der Vorlage um eine Art Formular handelte.
  4. 4Dazu auch Molitor, Reichsreformbestrebungen S. 145.
  5. 5Die Unterteilung in einzelne Punkte wurde von der Bearbeiterin entsprechend der Gliederung des Textes vorgenommen.
  6. 6Zu disem Punkt auch Molitor, Reichsreformbestrebungen S. 147; zur Austrägalgerichtsbarkeit generell auch Bader, Probleme Landfriedensschutz S. 54.
  7. 7Es wird hier wörtlich die in Artikel 3 genannte dahin gehende Bestimmung wiederholt.
  8. 8Molitor, Reichsreformbestrebungen S. 147, spricht davon, daß in einem Fall, in dem es zweifelhaft war, wer als Kläger oder Beklagter anzusehen war, der Landfriedenshauptmann entscheiden sollte.
  9. 9Die Abschrift beginnt folgendermaßen: Der begriffe so durch der k: m: sentboten uff dem fürgenommenen tag itz und uff unnserer lieben frawentag lichtmes zu Ulm des landfrides halb uff verbesserung etc. angezaigt und fürgehalten ist. Es folgen die im Regest wiedergegebenen Begründungen und Bestimmungen und die abschließend angekündigte (undatierte) Bestätigung durch den Kaiser; zur Datierung siehe auch den obigen Kommentar. Dieser Abschrift liegen zwei weitere mit der Landfriedensproblematik zusammenhängende Abschriften bei, eine der beiden datiert mit St. Georgstag (wohl April 24) 1465 und folgendermaßen beginnend: Als sant Vintzentzen tag (Januar 22) anno etc. LXVto durch der fürsten herren prelaten ritterschaft und stette botten, dez lanntfriden halb geredt und verlassen sin die hernach geschriben artickel; die andere Abschrift ist undatiert und beginnt mit den Worten: Hienach ist vermerkht ettlich artikgl ains lanndfriden in dem lannd zu Swaben. Zu diesen Landfriedensbündnissen auch Kluckhohn, Ludwig der Reiche S. 250; Bachmann, Reichsgeschichte 1 S. 541; Kraus, Deutsche Geschichte 1 S. 449; Bader, Probleme Landfriedensschutz, bes. 52ff.; Baum, Bündnispolitik der Habsburger S. 87; zum dem von Ludwig (IX.) von (Bayern-)Landshut initiierten schwäbischen Landfriedensbund von 1465 Januar 22 auch Gismann, Beziehungen S. 235f. und S. 441.
  10. 10Siehe dazu den künftigen entsprechenden Band der Deutschen Reichstagsakten.

Nachträge

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Empfohlene Zitierweise

[RI XIII] H. 22 n. 100, in: Regesta Imperii Online,
URI: http://www.regesta-imperii.de/id/1466-02-02_1_0_13_22_0_100_100
(Abgerufen am 29.03.2024).