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[RI XIII] Friedrich III. (1440-1493) - [RI XIII] H. 11

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K.F. beurkundet das Urteil seines Kammergerichts in der Appellationssache des Heinrich d. Ä. von Gera bezüglich der Beschwerungen, die diesem durch Kf. Ernst und Hz. Albrecht von Sachsen sowie den durch letztere als Lehnsrichter eingesetzten Gf. von Schwarzburg zugefügt worden sind. Das Kammergericht erkennt zu Recht, daß Heinrich von Gera zu Unrecht gegen die Hzz. von Sachsen als Lehnsrichter appelliert hat und er denselben die Kosten und Schäden, die diese Appellation verursacht hat, zu erstatten schuldig ist. Auf den 27. April war das ksl. Kammergericht unter Vorsitz des Eb. Adolf von Mainz angesetzt worden, doch kamen die Anwälte der Hzz. von Sachsen mit einem besiegelten gewaltbrieve zusammen mit der ksl. Ladung, die den Hzz. durch den von Gera zugesandt worden waren, und brachten vor, daß Heinrich von Gera wegen des Spruches, den die Hzz. vor ihrem Lehnsrichter und ihren Lehnsmannen gefällt haben, appelliert hat und sie daraufhin mit seiner ksl. Ladung vorgeladen wurden, weshalb die Anwälte baten, das Vorbringen des Herrn von Gera auf diese Ladung zu hören, um darauf gebührliche Antwort geben zu können. Wenn weder er noch einer der Seinen erscheinen würde, wollten die Anwälte der Hzz. von Sachsen von der ksl. Ladung unter Erteilung der Kosten absolvirt und entledigt werden. Dementgegen sind die Anwälte Heinrichs von Gera erschienen und haben melden lassen, daß dem von Gera an der Sache so gelegen sei, daß er sich persönlich rechtfertigen wolle, weshalb er nach Augsburg gekommen ist. Das ksl. Kammergericht wurde auf den 24. Mai vertagt. An diesem Tag ist Heinrich von Gera vor dem Kammergericht erschienen und hat durch seinen Redner folgendes vorbringen lassen: Ihm sei im Lehnsgericht der Hzz. von Sachsen Beschwerung zugefügt worden, weshalb er bei K.F. appelliert habe.1 Er legte zwei beglaubigte Schreiben über seine Appellation, die erganngen handlung mitsambt verkundung der appellation und apostelbittung inhaltende vor, betonte, daß er zu rechter Zeit appelliert, die Appellation verkündet und apostel gebet(en) hätte. Er beklagt verschiedene formale Mängel der erhaltenen Urteilsschrift des Lehnsgerichts, die nicht vom Richter, sondern vom eigenen Kanzleischreiber angefertigt worden wäre, diese weder das richterliche Siegel noch ein Datum aufweisen würde. Aus dem Ladungsbrief der Hzz. von Sachsen an ihn ginge hervor, daß er für die manne gen Leipzigk zu Recht gefordert worden wäre.2 Als die Gegenpartei bemerkt hätte, daß er mit seinen Freunden und Gönnern auf dem gesetzten Rechtstag in Leipzig erschienen sei, wurde er aufgefordert, auf das freie Feld vor der Stadt zu kommen, um dort vor einem Lehnsgericht zu Recht zu stehen, wogegen er protestiert habe, da im vertagbrief (Ladungsbrief) von keinem Lehnsgericht die Rede gewesen sei, sondern er nach Leipzig für die Manne vertagt sei. Dennoch sei er am folgenden Tag auf der Wiese vor dem Lehnsgericht unter Vorsitz des Gf. von Schwarzburg erschienen, habe wieder protestiert und ausgeführt, warum er dies zu tun nicht schuldig wäre, dennoch wäre ein Urteil über ihn gesprochen worden. Nach sächsischem Recht sei es ein großer Unterschied, vor den mannen unter obdach oder under dem himmel zu stehen. Bei Verhandlungen unter Obdach könne sich der Beklagte mit den anwesenden Freunden beraten, was am lehengericht so under dem hymel gehalten nicht gestattet sei. Dort dürften nur Lehnsmannen stehen, die Freunde zehn Schritte hinter dem Beklagten. Weil seine Freunde von den Hzz. von Sachsen nicht belehnt gewesen seien, habe er allein vor Gericht stehen müssen. Die Gegenpartei habe zudem entgegen der Ordnung des Lehnsgerichts prozessiert, wohingegen nach Lehnrecht der dritte Rechtstag maßgeblich gewesen wäre. Die Anwälte der Hzz. von Sachsen bestreiten die angeblich falsche Form des Urteils, das nicht vom Kanzleischreiber sondern vom Schreiber des Richters angefertigt worden sei. Zum Vorwurf bezüglich des Charakters des Gerichts, führen sie aus, daß der Herr von Gera weder zu dem einen noch zu dem anderen sondern allgemein zu einem Rechtstag nach Leipzig3, worin sowohl die Stadt Leipzig als auch Schloß, Gärten und Wiesen inbegriffen sind, geladen worden wäre. In den folgenden Reden und Gegenreden geht es dann auch mehrfach darum, was das Wort Leipzig denn nun beinhalten würde. Der von Gera meint, daß Wiesen und Gärten nicht dazugehörten, die Stadt Leipzig durch Zwingen, Mauern und Gräben umschlossen sei. Die Hzz. von Sachsen meinen dagegen, es sei ihnen freigestellt, wo sie ihr Gericht abhalten würden. Das Wort Leipzig bedeute nicht, daß sie nicht Macht gehabt hätten, das Gericht vor der Stadt tagen zu lassen. Der von Gera habe die malstat des Gerichts (im Lust- oder Tiergarten hinter dem Schloß) gewußt, gefunden und sei dort erschienen. Daß es sich um ein Lehnsgericht handeln würde, sei im Ladungsbrief hinlänglich angezeigt gewesen. Auch im Lehnsgericht dürfe der Beklagte das Gespräch mit seinen Freunden führen. Er hätte auf dem Gericht nicht erscheinen brauchen, sondern die Ansetzung eines anderen Tages begehren können. Heinrich von Gera äußert sich wiederum zu den Formalia und zum Ort des Gerichts und führt weiter aus, daß nach sächsischem Recht, nach Ausweis des Sachsenspiegels, die Hzz. von Sachsen schuldig gewesen wären, erkennen zu lassen, ob es sich um eine Sache handelt, die vor ein Lehnsgericht gehört und gewets wert sey4, was der dem Gericht vorliegende Zettel mit dem Artikel aus dem Sachsenspiegel belegen würde, und auch das Lehnsgericht mit besonderen Worten ebenso wie die malstat im Tagbrief hätten bezeichnet sein müssen. Im Gegensatz zum sächsischen Recht sei also keine ausreichende Bezeichnung des Gerichts im Ladungsbrief erfolgt, die Gerichtsstatt sei zu seinem Schaden verrückt worden, wie auch das Wesen des Gerichts verändert worden sei. Die Gegenpartei hätte behauptet, daß er auch vor dem Lehnsgericht unter freiem Himmel mit seinen Freunden hätte reden können. Er hätte jedoch gegen die mächtigen und trefflichen Räte der Fürsten allein gestanden. Die Richter hätten zudem das Urteil trotz seines Protestes gefällt. Die Anwälte der Hzz. von Sachsen führen aus, daß der von Gera durch die Hzz. von Sachsen als Lehnsherren wegen der Lehnsgüter für die Manne zu Recht vertagt worden sei, womit das Lehnsgericht ausreichend bestimmt worden sei. Der Artikel des Sachsenspiegels würde in dieser Sache nichts dienen, wann der allein gesaczt in sachen, die gewets wert weren und dar inne man wetten muß, das in dis sachen nicht gewesen und aus erganngner handlung zuvermerkhen, das solcher des widerteils behelff ungegründet sey. Was die beklagte Verkehrung des Wesens des Gerichts betrifft, wurde die vormals gegebene Antwort bekräftigt, nach der es dem Herrn von Gera aus dem Ladungsbrief ersichtlich gewesen sei, daß er vor dem Lehnsgericht erscheinen sollte, und es sei seine Sache gewesen, sich zu erkundigen, ob dies unter Obdach oder unter freiem Himmel stattfindet. Der Herr von Gera rügt erneut, daß das Lehnsgericht im Tagbrief nicht bestimmt gewesen sei. Nach sächsischem Recht müssen Lehnsgericht und malstat mit besonderen Worten im Tagbrief auftauchen.5 Der dem Gericht vorgelegte Zettel ließe zudem erkennen, daß man nach sächsischem Recht kein Lehnsgericht unnder dem hymel abhalten dürfe dann umb sachen so gewets wert weren, das der herre vor allen dingen die mann darüber erkennen lassen solle. So nu dis sachen nach meldung des widerteils nicht gewets were gewesen, auch die obberurt erkanntnus durch die manne nicht bescheen, so sey er vor solhem gericht zu recht zu steen nicht schuldig.6 Die Verrückung der Gerichtsstätte sei nicht erlaubt gewesen, zudem er dadurch um den Beistand seiner Freunde gebracht wurde. Wegen der lehenman halben hätte er keinen Einwand getan, diesen nur bezüglich der Verlegung des Gerichts getan. Wenn das Gericht unter Obdach mit denselben Mannen, als sich nach dem tagbrief gebührt besetzt gewesen wäre, hätte er keinen Einspruch eingelegt. Die Anwälte der Hzz. von Sachsen beharren in ihrer Schlußrede darauf, daß, wenn jemand durch die Lehnsherren fur die lehenmanne umb lehengut furgeladen und zu recht gevordert würde, der Lehnsherr nicht schuldig wäre, das Wort Lehnsgericht in diesen Tagbrief zu setzen. Die Art des Gerichts sei ausreichend genug gekennzeichnet gewesen. Wenn der von Gera nach dem Urteil all das vorgebracht hätte, was er jetzt verwenden würde, was er aber nicht getan habe, könne er nun auch nicht behaupten, daß ihm sein notdurft zuverhoren abgeslagen sey. Die Hzz. von Sachsen hätten nicht anders als nach gemeinen rechten gehandelt und seien nicht schuldig, nach dem sechsischen rechten zu leben..

Originaldatierung:
Auf den newnzehenden tag des monads july
Kanzleivermerke:
KVr: A.m.d.i.

Überlieferung/Literatur

Org. im SächsHStA Dresden (Sign. O.U. 8203), Libell mit drei Doppelblättern, Perg., rotes S 18 in wachsfarbener Schüssel mit wachsfarbenem S 16 rücks. eingedrückt an purpurfarbener Ss., die durch den Libellrücken gezogen ist.

Anmerkungen

  1. 1Siehe n. 428. Vgl. HEINIG , Kaiser Friedrich III. 2 S. 1291f.
  2. 2Der Ladungsbrief vom 1. Juni 1472 befindet sich abschriftlich im SächsHStA Dresden (Sign. Loc. 10295, Rechtssachen zwischen Sachsen und Heinrich d. Ä. zu Gera wegen der Lehen, 1472-75, fol. 20r). Darin laden Kf. Ernst und Hz. Albrecht den von Gera wegen Herrschaft, Schloß und Stadt Gera, Schloß und Stadt Greiz, Schloß und Stadt Saalburg sowie der Burgen, Schlösser, Städte, Märkte und Dörfer, die von uns zu lehen rurende, auf den 25. Juni zu einem Tag nach Leipzig, auf dem sie selbst und unser belehnete manne sitzen wollen.
  3. 3Nach Sachsenspiegel, Lehnrecht 65 § 17: Binnen bezlozzenen wenden unde under dache ne darf nieman urdel finden. Vgl. auch KRIEGER , Lehnshoheit S. 509 A. 147. Der Unterschied zwischen den mannen unter obdach und den mannen unter freien himmel liegt also darin, daß es sich nur bei letzterem um eine Lehnsgerichtsverhandlung mit den Vasallen des Lehnsherrn als Beisitzern handelt. Heinrich von Gera rügt, daß in der Ladung nicht expressis verbis auf den Charakter des Gerichts als Lehnsgericht hingewiesen wurde, während die Hzz. von Sachsen davon ausgingen, in ihrem Ladungsschreiben den Charakter des Gerichts ausreichend deutlich gemacht zu haben.
  4. 4Heinrich von Gera beruft sich wohl auf Sachsenspiegel Lehnrecht 65 § 1 (Umme jewelke scult umt die herre sinen manne to lenrechte degedingen, of die scult geweddes wert is) und den Richtsteig Lehnrecht (ed. HOMEYER, Des Sachsenspiegels zweiter Theil, 1. Bd. Kap. 5 und 8). Zum Gewette siehe auch derselbe, ebd. Bd. 2 S. 562-571, bes. S. 569.
  5. 5Vgl. Weise des Lehnrechts (ed. HOMEYER, Des Sachsenspiegels zweiter Theil, 2. Bd. S. 543-545), der einen beispielhaften Ladungsbrief enthält. Auf S. 544 heißt es, daß der Lehnsherr auf einen wüsten werder, auf einen Anger, Feld oder Dorf laden soll, das muss her yn deme ladebrife namhaftig machen.
  6. 6Heinrich von Gera rügt, daß der Lehnsrichter es versäumt hat, nach Rücksprache und durch Entscheid der Mannen festzustellen, ob es sich bei dem Streitfall um eine Sache handelt, die gewets wert sei, also unter Kap. 8 Richtsteig Lehnrecht fällt.

Nachträge

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Empfohlene Zitierweise

[RI XIII] H. 11 n. 441, in: Regesta Imperii Online,
URI: http://www.regesta-imperii.de/id/1474-07-19_1_0_13_11_0_441_441
(Abgerufen am 29.03.2024).