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RI XI Sigmund (1410-1437) - RI XI Neubearb., 3

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Kg. S. teilt dem edlen Ulrich von Rosenberg mit, dass er dessen Brief persönlich gelesen und wohl verstanden hat (tvému sme listu úplně srozuměli a sami sme jej vešken přečtl), besonders was die Taboriten anbelangt, die eine Anhörung verlangt haben, was ihnen laut Ulrich nicht verweigert werden soll.2 Wie Ulrich weiß, hat S. diese Anhörung stets gutgeheißen und dazu auch Sicherheiten angeboten (však sám vieš, že sme k tomu slyšení vždy povolovali a nikdy sme proti tomu nebyli a k tomu i bezpečenstvie sme podávali). Er möchte die Anhörung auch jetzt gewähren, aber nur für den Fall, dass die Sache zu einem Ende führt und zu Wohl und Ehre des Kg.s und der Krone sowie zu Frieden und Ordnung beiträgt. S. kann aber nicht bis zur genannten Anhörung die Praxis der vier [hussitischen] Artikel erlauben. Dies stehe ihm als geistliche Sache nicht zu, sondern nur dem Papst bzw. dem durch diesen bevollmächtigten Kardinal [Branda Castiglioni],3 der sich noch in Wien aufhält. Falls die Taboriten sich mit der Kirche vereinigen und über die geistlichen Sachen einig werden, möchte er das Urteil über alles, was sie gegen ihn unternommen haben, an Ulrich und andere gute Leute delegieren, die dann einen Schiedsspruch verkünden sollen, welchen er ewig einhalten wird, wie er es immer zu tun pflegt. S. fordert daher Ulrich auf, eine solche Anhörung zu vermitteln, durch die die Unordnung beendet werden kann. Dadurch würde Ulrich ihm, der heiligen Kirche sowie auch dem ganzen Christentum erkenntlich dienen. Ulrich soll ihm laufend berichten, inwiefern er etwas in dieser Richtung tun kann. Auch soll er unverzüglich mitteilen, wie sein in Kürze geplantes Treffen mit den Taboriten verlaufen ist und was er mit ihnen vereinbart hat.4 Schließlich äußert sich S. zu den Angelegenheiten Ulrichs, die dieser ihm durch dessen Boten Mrakeš [von Radimovice] vorgebracht hat, und die auch den [Herrn] von Vöttau betreffen; S. versichert Ulrich, dass er sein Versprechen einhalten wird und die Sache sofort erledigen möchte, wenn er Zeit dafür hat. Deswegen hat er Mrakeš vorerst bei sich behalten und wird ihn später so ehrenvoll an Ulrich absenden, dass Ulrich ihm danken wird (Pak o svú věc, jakož jsi nám po Mrakssowi vzkázal a jako sme byli řekli dáti a zvlášče Byetowskemu, to tebe nemá minúti a chcem držeti, což sme slíbili; než nynie v náhle tomu tak nemóžem učiniti. Proto ty sě nad námi nerozpakuj, neb my nechcem tebe ostati ani nechati. A na to sme Mrakše při sobě ostavili, že jej chcem počestně k tobě vypraviti, že nám budeš děkovati).5

Originaldatierung:
ten vteri po swatem Dionysii
Kanzleivermerke:
KVr: Ad mandatum domini regis d(omino) Iohanne de Swihow referente Michael prepositus Boleslauiensis. – KVv: Ohne RV. – Adresse verso: Nobili Vlrico de Rozemberg ffideli nostro dilecto.

Überlieferung/Literatur

Orig. Pap. tsch. litterae clausae mit Spuren eines verso aufgedrückten roten Verschlusssiegels, in SOA Třeboň, Bestand Historica Třeboň, Sign. 256 (A). – Kop. tsch.: einfache Abschrift aus dem 19. Jh. in ANM Praha, Bestand Palacký František, Inv. Nr. 306, Kart. 8, sub dato (B).

Ed.: I, S. 18–19, Nr. 18; LOR I, S. 65–66, Nr. 5996.

Reg.: Palacky, Urkundliche Beiträge, I, S. 364, Nr. 311 (dt.); RI XI, Nr. 5996.

Lit.: Palacký, Geschichte von Böhmen, III/2, S. 374–375; ders., Dějiny národu českého, III/2, S. 5; Schmidt, Südböhmen, S. 238; Šmahel, Husitská revoluce, III, S. 155; ders., Hussitische Revolution, II, S. 1330; Čornej, Velké dějiny, V, S. 338; Kubíková, Oldřich II., S. 60; Coufal, Polemika, S. 196–197.

Kommentar

Nach sehr unterschiedlichen Interpretationen in der älteren Literatur befand František Šmahel, dass die im oben regestierten Brief überlieferte Episode – ein durch Ulrich von Rosenberg vermitteltes Gesuch der Taboriten um eine öffentliche Anhörung – "ein Geheimnis eigener Art" darstellt.6 Die Bemühungen um eine öffentliche Anhörung im Sinne einer auf der Heiligen Schrift basierenden theologischen Disputation gingen in der Regel vom moderaten Prager Flügel des Hussitismus aus, während die Taboriten sich üblicherweise dagegen wehrten. Petr Čornej vermutete, dass das Gesuch wohl auf Initiative des relativ gemäßigten Piseker Zentrums des taboritischen Bundes entstanden ist.7

Anmerkungen

  1. 1Der Brief wurde lediglich mit einer Tagesangabe und dem Ausstellungsort versehen. Das Jahr ergibt sich aus dem Itinerar S.s (vgl. Hoensch – Kees, Itinerar, S. 109; Engel – C. Tóth, Itineraria, S. 117) und teilweise auch aus dem historischen Kontext.
  2. 2Der Brief Ulrichs ist ein Dep.
  3. 3Es kann sich nur um den Kardinal-Legaten Branda Castiglioni gehandelt haben, der in dieser Zeit in den Ländern S.s weilte. Zu seiner Legation in den Jahren 1422–1425 siehe Studt, Papst Martin V., S. 519–576.
  4. 4Damit ist das Treffen aller hussitischen Gruppierungen mit der Partei S.s gemeint, das genau zum Zeitpunkt der Ausstellung des Briefes S.s in Zdice stattgefunden hat.
  5. 5Die Passage ist etwas rätselhaft, da S. unmittelbar auf eine Botschaft Ulrichs reagierte, deren Inhalt Ulrich natürlich bekannt war und eine neuerliche Beschreibung überflüssig machte. Es ist vor allem nicht klar, von welcher Sache Ulrichs konkret die Rede ist und welche Rolle dabei der mährische Herr (Johann oder Smil?) von Vöttau gespielt hat. Die unklare Formulierung jako sme byli řekli dáti a zvlášče Byetowskemu lässt sich vielleicht so erklären, dass S. den von Vöttau sowie andere ermahnte, eine Schuld an Ulrich zu bezahlen. Es kann aber – neben anderen Deutungsmöglichkeiten – auch bedeuten, dass S. eine Verpflichtung Ulrichs gegenüber dem von Vöttau übernommen hat.
  6. 6Šmahel, Husitská revoluce, III, S. 155; ders., Hussitische Revolution, II, S. 1330.
  7. 7Čornej, Velké dějiny, V, S. 338; dieser Vermutung schließt sich auch Coufal, Polemika, S. 197, an.

Nachträge

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Empfohlene Zitierweise

RI XI Neubearb., 3 n. 95, in: Regesta Imperii Online,
URI: http://www.regesta-imperii.de/id/ef425b45-c411-4577-95bf-322a5dc4ed2a
(Abgerufen am 29.03.2024).