Regestendatenbank - 201.916 Regesten im Volltext

RI XI Sigmund (1410-1437) - RI XI Neubearb., 3

Sie sehen den Datensatz 237 von insgesamt 257.

Kg. S. verpfändet (obligamus et inpignoramus) mit wohlbedachtem Mut und rechtem Wissen seiner Majestät (ex certa sciencia nostre maiestatis) Ulrich von Rosenberg (Ulrico de Rosemberg) und dessen Erben die kgl.e Stadt Prachatitz (opidum nostrum Prachaticz) und den Markt Wallern (opidum Walary), die vormals dem Wyschehrader Kapitel gehört haben (aliquando spectantia ad preposituram et canonicatum Wyssegradensem), mit Zöllen, allen Einkünften, unter welchem Namen auch immer, Zinsen, bebauten und unbebauten Äckern (terris arabilibus cultis et incultis), Wäldern, Wiesen, Gehölzen, Feldern, Weiden, Gewässern, Wasserläufen, Fischereien, Mühlen und allem und jeglichem Zubehör (generaliter cunctis utilitatum integritatibus quovis nomine, vocabulo vocitatis) für Unkosten und Schäden in Höhe von 3.000 Schock böhmischer Groschen, welche Ulrich durch die Teilnahme eigener Söldner und Familiaren in kgl.en Diensten bei der Bekämpfung der Wyclifiten und Hussiten erlitten hat (racione expensarum et dampnorum per ipsum ad stipendiarios et familiares suos in serviciis nostris regalibus in extirpacione Wiclefistarum et Husitarum, heretice pravitatis fautorum, procedente expositarum posita et calculata). Ulrich und dessen Erben sollen die genannten Güter mit voller Herrschaft uneingeschränkt in Besitz haben und verwalten (tenendum, possidendum ac cum pleno dominio […] utifruendum), bis S. seine Nachfolger als Kgg. von Böhmen, oder alle dafür Zuständigen die 3.000 Schock böhmischer Groschen vollkommen ausgezahlt haben (integraliter persolute), woraufhin Ulrich oder dessen Erben dem Kg. [die verpfändeten Güter] ohne Vorbehalt zurückerstatten sollen (incontinenti sine difficultate remittere et resignare debeat et teneantur). Schließlich bestimmt S. dass die durch diese Urk. gewährten Rechte auch diejenigen genießen sollen, welche die Urk. mit Ulrichs Willen innehaben werden.

Originaldatierung:
in die Thome, 35 – 12 – 2
Kanzleivermerke:
KVr: Ad mandatum domini regis Michael prepositus Boleslaviensis. – KVv: Ohne RV.

Überlieferung/Literatur

Angebliches Orig. Perg. lat. mit gefälschtem roten ung. Sekretsiegel1 (vgl. Posse 14/3) in wachsfarbener Schüssel am Perg.-streifen, in SOA Třeboň, Zweigstelle Český Krumlov, Bestand Vrchní úřad Český Krumlov, Sign. II c 1 A α Nr. 1 (A). – Kop. lat.: Insert im Vidimus der Äbte von Hohenfurt und Goldenkron und einiger Adliger vom 21. August 1454, Krumau, in SOA Třeboň, Zweigstelle Český Krumlov, Bestand Vrchní úřad Český Krumlov, Sign. II c 1 A α Nr. 1c (B).2

Ed.: LOR I, S. 256–257, Nr. 365.

Reg.: Schmidt, Fälschung (1894), S. 321, Nr. 12 (dt.); RI XI, Nr. 4684; Sedláček, Zbytky register, S. 221, Nr. 1620 (tsch.).

Lit.: Sedláček, Hrady, VII, S. 222–223; Schmidt, Fälschung (1895), S. 187–189, Nr. 12; Mareš, Padělané diplomy, S. 376; Šimková, Rožmberská kancelář, S. 50–51; Šimunek, Jan Smil z Křemže, S. 10; Maráz, K problematice padělání, S. 54–55; Šimunek, Správní systém, S. 65, Anm. 103; Bar, Neznámá falza, S. 100–101.

Kommentar

Ein ausführlicher Nachweis der Fälschung hinsichtlich der äußeren Merkmale und des Inhalts bei Mareš bzw. Schmidt, wobei schon Sedláček Einwände gegen die Echtheit geäußert hatte. Šimůnek setzt die Entstehung der Fälschung zwischen 1437 und 1444 an und lehnt die Ansicht Schmidts ab, wonach sie erst nach 1444 entstanden wäre. Rynešová behauptet, dass der Schreiber auch die Fälschung vom 31. Dezember 1421 (siehe Reg. Nr. 235) verfasste und das Urk.-formular fast wortwörtlich mit der echten Urk. vom 1. Oktober 1420 übereinstimmt, durch welche S. Ulrich das Kloster Goldenkron für 3.000 Schock böhmischer Groschen verpfändete.3

Ulrich hatte offensichtlich großes Interesse am Erwerb der Stadt Prachatitz, doch war S. damit augenscheinlich nicht einverstanden. Ulrich lag mit den Prachatitzer Bürgern im Streit um die Abgaben von den Goldenkroner Gütern.4 Am 18. Dezember 1436 erhob S. die Stadt zur kgl.en Stadt.5 Ein halbes Jahr später (am 1. Juni 1437) wurde sie dem Ritter Johann Smil von Křemže verpfändet.6 Fast einen Monat zuvor (5. Mai 1437) hatte dieser von S. auch den Markt Wallern in Besitz genommen.7 Diese Tatsachen veranlassten offenbar Ulrich zur Anfertigung der Fälschung, wobei der Sterbetag S.s (9. Dezember 1437) den Terminus post quem bildet. Es ist jedoch unklar, ob Ulrich seine Ansprüche auf Prachatitz und Wallern noch in den 1430er-Jahren öffentlich postulierte. Spätestens um 1441 wurde die Stadt Prachatitz von Ulrichs Anhänger Johann Řitka von Sedlec erobert, der aber schon 1443 getötet wurde;8 dessen Erben veräußerten am 1. Mai 1444 die Stadt Prachatitz an Ulrich von Rosenberg.9 Dieses Datum dürfte dann den Terminus ante quem bilden. Im selben Jahr (am 25. Juli) zwang Ulrich den Ritter Johann Smil von Křemže und dessen Söhne zum Verzicht auf die Verpfändungsurkk. über die Stadt Prachatitz und den Markt Wallern.10

Höchstwahrscheinlich ließ Ulrich die Fälschung im Zeitraum von 1439–1444 herstellen, als er Johann Smil von Křemže im Gefängnis festhielt und die Stadt Prachatitz erwarb. Die Pfandsumme von 3.000 Schock Groschen in der Fälschung stellt die Gesamtsumme beider Pfandbeträge in den echten Urkk.en vom 5. Mai – 500 Schock Groschen (Reg. Nr. 212) – und 1. Juni 1437 – 2.500 Schock Groschen (Reg. Nr. 213) – dar. Die Frage, ob der Inhalt der beiden echten Urkk. Ulrich vor 1444 bekannt gewesen war, als er in den Besitz der Urkk. gelangte, muss aber offenbleiben. Auch eine Entstehung erst nach 1444 ist theoretisch nicht ganz auszuschließen. Die Bestimmung des Zwecks der Fälschung hängt von der Frage ab, ob Ulrich die beschlagnahmten Urkk. unterdrücken und mit seiner Fälschung ersetzen wollte.11 Wenn er anfangs diese Absicht gehabt hatte, dann muss er sie später geändert haben, weil er sowohl die Fälschung als auch die echten Urkk. über Prachatitz und Wallern am 21. August 1454 vidimieren ließ.12

Anmerkungen

  1. 1Mareš, Padělané diplomy, S. 376 und Rynešová (LOR I, S. 257, Nr. 365) sehen das Sekretsiegel und die KV als echt an, vgl. Maráz, K problematice padělání, S. 71, Anm. 94.
  2. 2Auszug: LOR IV, S. 372–374, Nr. 522.
  3. 3Ed.: LOR I, S. 24–25, Nr. 39.
  4. 4Am 2. September 1429 verpfändete S. Ulrich die kgl.e Steuer des Klosters Goldenkron, siehe LOR I, S. 107–108, Nr. 158. Die Beschwerden Ulrichs über die Prachatitzer im Jahr 1436 siehe in LOR I, S. 207–210, Nr. 307, 308, 311 und 312.
  5. 5Reg. Nr. 196.
  6. 6Ed.: CIM III, S. 209–212, Nr. 119; Reg. Nr. 213.
  7. 7Reg. Nr. 212.
  8. 8Šimunek, Jan Smil z Křemže, S. 10; ders., Správní systém, S. 65.
  9. 9Ed.: LOR II, S. 339–340, Nr. 385.
  10. 10Ed.: LOR II, S. 359–361, Nr. 413.
  11. 11Vgl. Šimková, Rožmberská kancelář, S. 50–51.
  12. 12Ed.: LOR IV, S. 372–374, Nr. 522.

Nachträge

Nachtrag einreichen
Einreichen
Empfohlene Zitierweise

RI XI Neubearb., 3 n. 233, in: Regesta Imperii Online,
URI: http://www.regesta-imperii.de/id/eea4bd6c-677b-40ca-8fe7-a6f3986a735a
(Abgerufen am 19.04.2024).