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RI XI Sigmund (1410-1437) - RI XI Neubearb., 3

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Kg. S. teilt dem edlen Ulrich von Rosenberg mit, dass er dessen Brief2 sowie die Abschrift des durch Ulrich [und andere katholische Herren Böhmens]3 [mit den Hussiten] abgeschlossenen Abkommens4 mit den Herren [in seinem Rat] (se pány)5 abgewogen hat. Er und die Herren wundern sich sehr, dass sich Ulrich [und andere katholische Herren] durch die Gegenpartei so unbedacht täuschen und in Sachen hineinziehen haben lassen, die gegen deren Seelenheil und Ehre, die ganze Christenheit sowie ihn, Kg. S. sind.

Erstens wundert sich S. sehr, dass sich Ulrich [und andere katholische Herren] mit der Gegenpartei geeinigt haben, um das angeblich widerrechtlich geschändete Land Böhmen von falschen Anschuldigungen reinzuwaschen. S. weist Ulrich [und andere katholische Herren] darauf hin, dass sie dadurch die Gegenpartei von ihrer Schuld befreien und sich selbst beschuldigen, dass sie zuvor gegen die Hussiten unrecht agiert hätten (v tom rozuměj, že je z jich zlosti očišťujete a je nevinny vyznáváte a sami sě u vinu kladete, že ste proti nim křivě činili).

S. wundert sich auch, dass Ulrich [sowie andere katholische Herren Böhmens] mit der Gegenpartei für den 18. März 1425 (na středopostie)6 einen [Land-]Tag nach Kaurim (do Kurzima) einberufen und sich selbst zu Richtern des christlichen Glaubens und der Heiligen Schrift erklärt haben, was ihnen als Laien nicht zusteht.

Des Weiteren wundert er sich, dass Ulrich [und andere katholische Herren] sowie die Gäste, die mit ihnen [zum Landtag] mitfahren würden, Geleitbriefe (klejtovnie listy) im Prager Rathaus (na rathúzie w Praze) deponieren sollen. Sie sollen erwägen, welche Gefahr ihnen dabei droht. Er fragt sich auch, wo die [katholischen] Magister gefunden werden können, die [nach Kaurim] mitfahren sollen. Es ist kaum vorstellbar, dass diese Magister in ein ketzerisches Land fahren, um dort mit Ketzern über den Glauben zu disputieren.

S. staunt auch darüber, dass Ulrich [und andere katholische Herren] auf ihre Rechte verzichten und sich durch Bürger und Bauern richten lassen wollen. Er wundert sich, dass Ulrich [und andere katholische Herren] es der Gegenpartei ermöglichen wollen, im Fall eines ausländischen Angriffs (proti cizozemcóm vojensky táhla) sich auf deren Gütern mit allem Notwendigen zu versorgen (potřebu bráti). S. versteht auch nicht, warum sie darauf eingegangen sind, dass sie alle Burgen und Besatzungen seiner Partei (našie strany) zum Gehorsam zwingen sollen, falls diese nicht innerhalb von vier Wochen dem genannten Abkommen beitreten würden.

S. weist darauf hin, dass, während Ulrich [und andere katholische Herren] mit den Ketzern getagt haben, diese gegen ihn und seinen [Schwieger-]Sohn [Albrecht V.], den Markgrafen von Mähren (na nás a na syna našieho markrabí morawskeho), gezogen sind. Dabei wurden sie dadurch gestärkt, dass ihnen von Ulrichs Partei in Böhmen keine Gefahr gedroht hat; vielmehr sind, soweit S. gehört hat, einige von Ulrichs Leuten auch nach Mähren gezogen.

S. gibt Ulrich zu verstehen (móžeš rozuměti), dass das abgeschlossene Abkommen in jeder Hinsicht gegen ihn, Kg. S. seine Diener, alle treuen Christen und die ganze Christenheit gerichtet ist; diese alle wollen Ulrich [und andere katholische Herren] gemeinsam mit den Ketzern bedrücken und sie alle zu Helfershelfern der Ketzer machen.

Darüber hinaus hat S. im Text des Abkommens auch weitere unordentliche und unchristliche Artikel gefunden, die zur Schändung und zum völligen Niedergang seiner Partei führen würden und die wegen Platzmangels nicht alle aufgezählt werden können. Er kommt zu dem eindeutigen Schluss, dass Ulrich [und andere katholische Herren] der ganzen Christenheit zuwider werden, wenn sie dieses Abkommen realisieren (a jiného nemóžem znamenati, jestliže ty úmluvy dokonáte, že sě všemu ohyzdíte). Deswegen rät und gebietet (radíme i přikazujem) S. ihnen, das genannte Abkommen zu kündigen, weil es besser ist, ein schändliches Versprechen nicht einzuhalten, als jenes gott- und ehrlose Abkommen zu realisieren.

Originaldatierung:
den swateho Ssymonyssie a Iudy, XXXVIII – 15 – 5
Kanzleivermerke:
KVr: Ad mandatum d(omini) regis Michael prepositus Boleslaviensis. – KVv: Ohne RV. – Adresse verso: Nobili Vlrico de Rozemberg consiliario nostro fideli dilecto.7

Überlieferung/Literatur

Orig. Pap. tsch. litterae clausae mit Spuren eines verso aufgedrückten roten Verschlusssiegels, in SOA Třeboň, Bestand Historica Třeboň, Sign. 259a (A). ‒ Kop. tsch.: einfache Abschrift aus dem 19. Jh. in ANM Praha, Bestand Palacký František, Inv. Nr. 306, Kart. 8, sub dato (B).

Ed.: I, S. 19–20, Nr. 19; LOR I, S. 68–70, Nr. 97. – Engl. Übersetzung: Fudge, Crusade, S. 192–193, Nr. 108.

Reg.: Palacky, Urkundliche Beiträge, I, S. 265, Nr. 314 (dt.); RI XI, Nr. 6009.

Lit.: Palacký, Geschichte von Böhmen, III/2, S. 376; ders., Dějiny národu českého, III/2, S. 6–7; Tomek, Dějepis, IV, S. 319; Schmidt, Südböhmen, S. 238; Macek, Úmluvy zdické, S. 203–204, 208, 210–211; Šmahel, Husitská revoluce, III, S. 154, 157; ders., Hussitische Revolution, II, S. 1326–1327, 1333; Kavka, Poslední Lucemburk, S. 127; Čornej, Velké dějiny, V, S. 343; Kejř, Entstehung der Stadtverfassung, S. 418, Anm. 34; ders., Entstehung des städtischen Standes, S. 400, Anm. 91; Kubíková, Oldřich II., S. 60; Coufal, Polemika, S. 195–196; Bar, Protihusitská propaganda, S. 636–639.

Kommentar

Der oben regestierte, in der Forschung oft diskutierte Brief ist nicht nur deswegen interessant, weil er die scharf ablehnende Reaktion Kg. S.s auf die Zdicer Übereinkunft belegt, obwohl in jener Zeit S.s Bereitschaft zu Verhandlungen mit den Hussiten zunahm. Interessant ist aber auch die Art und Weise, in der S. auf die einzelnen Punkte der Übereinkunft reagiert und dabei oft die im propagandistischen Schrifttum üblichen Redewendungen benützt. Nicht nur deshalb wirkt der Brief so, als ob er nicht nur an Ulrich von Rosenberg gerichtet gewesen wäre, sondern eine breitere Teilöffentlichkeit – wohl die gesamte Adelspartei S.s – ansprechen hätte sollen. Es ist etwa möglich, dass ein Brief gleichen Inhalts oder die Abschrift des oben regestierten Briefes durch S. an andere seiner Parteigänger in Böhmen expediert wurde, oder dass Ulrich durch den Boten S.s zu einer Verbreitung des Textes innerhalb der Anhängerschaft S.s aufgefordert wurde. An Ulrich selbst richtete S. am gleichen Tag noch einen anderen Brief ähnlichen Inhalts, der aber doch etwas konzilianter formuliert wurde.8

Anmerkungen

  1. 1Das Jahr ergibt sich aus den Regierungsjahren.
  2. 2Der Brief Ulrichs ist ein Dep.
  3. 3S. redet über den Brief Ulrichs zunächst im Singular (list tvój), wechselt aber später in den Plural, sodass er offensichtlich nicht nur Ulrich selbst, sondern die ganze katholische Adelspartei in Böhmen anspricht – siehe dazu den Kommentar.
  4. 4Gemeint ist die Übereinkunft, die zwischen den hussitischen Parteien und einem Teil des katholischen Adels in Böhmen in Zdice getroffen wurde, die aber höchstwahrscheinlich in keinen besiegelten Vertrag mündete und eigentlich unerfüllt blieb ( III, S. 248–251, Nr. 33 [tsch. Fassung]; Siegl, Briefe und Urkunden [1918], S. 51–56 [dt. Fassung]; dazu siehe Macek, Úmluvy zdické; Šmahel, Husitská revoluce, III, S. 156–157; ders., Hussitische Revolution, II, S. 1332–1333; Kavka, Poslední Lucemburk, S. 126–127; Čornej, Velké dějiny, V, S. 340; Coufal, Polemika, S. 195–196).
  5. 5Es wird nicht näher ausgeführt, mit welchen Herren (se pány) sich S. über das Abkommen von Zdice beraten haben soll. Die Formulierung s pány deutet vielleicht darauf hin, dass hier die weltlichen Räte S.s, vielleicht sogar die böhmischen Landherren allgemein, gemeint sind; der Inhalt des Abkommens von Zdice sowie die Reaktion S.s lassen uns aber vermuten, dass vor allem die geistlichen Räte zu Rate gezogen worden sein dürften.
  6. 6Als Mittfasten im Sinne eines Tages wurde im Mittelalter der Sonntag Letare betrachtet; im Jahr 1425 war es also der 18. März. Eine andere Bedeutung des Begriffs Mittfasten war die ganze Woche zwischen den Sonntagen Oculi und Letare, im Jahr 1423 also die Woche vom 11. bis 18. März.
  7. 7In der äußeren Adresse dieses sowie auch des anderen Briefes Kg. S.s an Ulrich vom selben Datum (siehe Reg. Nr. 98), kommt im Gegensatz zu anderen Briefen S.s an Ulrich ausnahmsweise die Ratstitulatur Ulrichs vor.
  8. 8Siehe Reg. Nr. 98.

Nachträge

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Empfohlene Zitierweise

RI XI Neubearb., 3 n. 97, in: Regesta Imperii Online,
URI: http://www.regesta-imperii.de/id/b474200d-3810-4dd8-8884-86041635bbfa
(Abgerufen am 29.03.2024).