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RI XI Sigmund (1410-1437) - RI XI Neubearb., 2

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K. S. – der anführt,1 dass der hochgeborene Ritter Kaspar Schlick (magnifico et spectabili militi Gasparo) zwar aus einem hervorragenden adligen Geschlecht herkommt (progenitorum propagine […] nobilitate conspicuus), damit aber nicht zufrieden gewesen ist und sich durch eigene Tugenden nobilitieren hat wollen (te propriis virtutibus nobilitare nisus es), sodass er seinen Adel nicht von anderen abgeleitet hat, sondern er selbst die Quelle des Adels für sich selbst und die Seinen darstellt (tu tibi ipsi tuisque esses quodammodo nobilitatis origo). Obwohl Kaspar, worüber S. ausreichend unterrichtet ist, nach seinem Vater Heinrich (Henrico) aus einem ritterlichen Geschlecht (de militari genere) und mütterlicherseits aus dem gräflichen Haus Collalto (de Colalto) abstammt (Kaspars Mutter Constantia sei eine legitime Tochter Rolandos, Markgrafen von Treviso, Grafen von Collalto und San Salvatore, und dessen Gemahlin Beatrix, geborener Gräfin von Camino gewesen; daneben ist Kaspar auch mit dem Markgrafen von Mantua [Mantue] und mit anderen italienischen Magnaten verwandt, die alle K. S. in Italien mit Kaspar zusammen besucht und ihn über diese Verwandtschaft informiert haben, sodass an der Adelsqualität Kaspars niemand zweifeln könne), hat Kaspar sich entschlossen, alle diese Tatsachen für unwichtig zu halten und durch seine Verdienste und Tugenden seine alte Nobilität zu übertreffen (institutisti tamen forti animo ea omnia leviter ferre et te pocius meritis tuis ac virtute pristine nobilitati preferre). Deswegen hat sich Kaspar bereits in seiner Jugend in die Dienste K. S.s gestellt und hat seitdem über 20 Jahre lang dem K. gedient und dabei Umsicht und Geisteskraft weit über dessen eigentliche Kräfte und Alter hinaus bewiesen, sodass er des obersten Kanzleramtes würdig geworden ist. Dieses Amt habe Kaspar so gerecht und lobenswert (legaliter et laudabiliter) ausgeübt, dass ihn S. dafür noch mehr erheben möchte. Unter zahlreichen anderen Verdiensten Kaspars hebt S. noch folgende hervor:

Kaspar ist mit Kg. S. schon vom Konstanzer Konzil (ex Constanciensi sinodo) über Savoyen und das Arelat nach Katalonien (per partes Sabaudie atque Arelati ad Kathalanorum provinciam) gereist, wo S. in Perpignan (in civitate Perpiniani) Kg. [Ferdinand I.] von Aragon (Arragonie regem) sowie die Gesandten von anderen Kgg.n Spaniens (ceterorumque Hispanie regum oratores) getroffen und mit ihnen vereinbart hat, dass sie die Obödienz Peters von Luna alias Benedikts XIII. (Petri de Luna Benedicti XIII nuncupati) verlassen wollen, sodass nach S.s Rückkehr nach Konstanz nach Beseitigung der drei Häupter, die die Kirche so monströs entstellt haben, der Welt durch S.s Zutun ein einziges neues Licht erglänzt ist (semotis tribus capitibus, quibus ecclesia sancta Dei erat monstruose longius temporibus deturpata unum lumen nostra interposicione mundo effulsit). S. hat damals Kaspar des Öfteren in Gesandtschaften zu den genannten [spanischen] Kgg.n abgeordnet, welcher seine Aufträge stets lobenswert erledigt hat.

Als S. dann [aus Aragon] nach Avignon (ad Avinionem) und danach über das Dauphiné (per Delphinatum) nach Frankreich und Paris (ad regnum Francie et tandem Parisius) und weiter nach England (ad regnum Anglie) zur Befriedung dieser Kg.reiche gereist ist, ist Kaspar stets mit ihm gewesen und hat ihm zahlreiche Dienste erwiesen.

Nach der Rückkehr nach Konstanz (ad Constanciam) und der Vollendung der Kirchenunion hat sich S. nach seinem Kg.reich Ungarn (ad peculiare regnum nostrum Hungarie) beeilt, wo er einen Krieg gegen die angreifenden Türken führen musste. Nachdem er die Türken zurückgedrängt, in Gorini das Lager befestigt und als Sieger wieder heimgekehrt war, hat er [den mit ihm anwesenden] Kaspar für würdig der Ritterwürde erachtet (te tunc milicie premio verbo regio dignum iudicantes). Kaspar hat dann auch am zweiten Türkenzug S.s gegen Kronstadt (in secunda expeditione Brassoviensi) teilgenommen, als S. die Walachei (Walachiam) von den Türken befreit hat. Ähnlich hat sich Kaspar auch am dritten Türkenzug beteiligt, als S. die Burg Golubac (castrum Taubenstein) belagert hat. Dort hat Kaspar viele andere im Umgang mit Waffen und in der Kriegsdiziplin überholt und Kg. S. in der dort gelieferten Schlacht treu unterstützt. Kaspar hat schließlich auch am vierten Türkenzug teilgenommen, als Sultan Murad [II.] (Omorath princeps Teucrorum) Nova Borda belagert hat und S. nach Serbien (Rascia) gezogen ist.

Des Weiteren hat Kaspar zahlreiche schwierige Gesandtschaften zu Kg. [Wladislaus] von Polen, Herzog Witold [von Litauen] und dem Deutschen Orden (ordinem Prutenorum) unternommen und sich dort ebenfalls durch Weisheit und Betriebsamkeit wohl bewiesen.

Seitdem sich Kg. S. mit den böhmischen Angelegenheiten beschäftigen musste, hat ihm Kaspar auch im Kg.reich Böhmen unzählige Dienste geleistet. Er hat in den Schlachten bei Wyschehrad und [Deutsch-]Brod (in bello quidem Wissengradensi et Brodensi) gekämpft und nicht geringfügige Schäden erlitten sowie über 18 Jahre lang an allen anderen Kriegszügen, Verhandlungen und Gesandtschaften [S.s] in Böhmen teilgenommen. Für diese Verdienste hat S. Kaspar zum Freiherren erhoben (baronie titulo insigniremus)2

Auch in Deutschland (in Alamanie partibus) hat Kaspar bei Fürsten und Städten dem K. zahlreiche Dienste geleistet, die S. gar nicht auflistet, da sie allgemein bekannt sind und er noch die Verdienste Kaspars in Italien zu erzählen hat:

Bereits als S. zwecks seiner Kaiserkrönung und der Restitution der ksl.en Vorrechte in Italien den Romzug erwogen hat, hat Kaspar mit den italienischen Magnaten über seine Reise verhandelt. So hat S. nach Mailand (Mediolanum) einziehen und dort die kgl.e Krone nach Vorbild seiner Vorfahren annehmen können.

Als aber S. von Mailand nach Rom (ad Urbem) aufgebrochen und weiter in die Lombardei gezogen war, ist er an der Reise nach Tuszien gehindert worden (non poteramus commode Etrurie fines attingere): zuerst durch Papst [Eugen IV.], der das unter dem Schutz S.s stehende Konzil von Basel aufheben hat wollen, zweitens durch die Florentiner und deren Verbündete mit den Venezianern an der Spitze. Der Papst hat S. angeboten, ihm sicheren Zuzug (iter securum) zu gewährleisten und die Krönung durchzuführen, wenn er das Konzil verlasse, was S. abgelehnt hat. S. ist zum Schluss gekommen, dass es würdiger ist, den eigenen Plan trotz drohender Gefahr und möglicher Schäden mit Ehre zu verfolgen, als die Würdenzeichen [die Krone] als Besiegter und mit Schande anzunehmen (arbitrantes dignius nostras forti et regio animo cum honestate res quamvis dampno et non mediocri periculo velle prosequi quam signa honoris tamquam victi cum dedecore reportare).

In dieser Lage ist S. nach Tuszien in die Stadt Lucca (Tusciam et civitatem Lucanam) eingezogen und hat schließlich trotz starker Truppen seiner Feinde nur mit seinem täglichen Gefolge (cottidiana solum nostra familia circumcincti) die kaisertreue Stadt Siena (ad fidelem imperii civitatem Senensem) erreicht. Dort hat er dann, von allen Seiten durch seine Feinde eingeschlossen, fast ein Jahr verbringen müssen. Auch der Herzog [Philipp Maria Visconti] von Mailand hat ihn damals verlassen. Kaspar Schlick hat allerdings auch in dieser [schwierigen] Zeit – wie immer – Kg. S. große Dienste erwiesen und ist wiederholt nach Rom gereist, um Verhandlungen mit dem Papst zu führen. Dank dessen Betriebsamkeit ist es Kaspar, der sich auch Sympathien des Papstes erwerben hat können, gelungen, die päpstliche Meinung zu ändern und ihn auf die Seite S.s zu ziehen. Nachdem schließlich Kaspar und der wohlgeborne Graf Matko (cum magnifico Matkone comite) [von Topolovac] dem Papst anstelle S. einen Treueeid abgelegt haben, hat S. in Rom eintreffen können.

In Rom sind S. große Ehren bezeugt worden und er ist durch den Papst feierlich gekrönt worden, wobei zwischen ihnen absolute Einheit und die Liebe eines Vaters zu seinem Sohn und die Zuneigung eines Sohnes zu seinem Vater geherrscht hat, sodass alle Wünsche sich glücklich erfüllt haben. In Rom, auf der Engelsbrücke (in ponte Tiberis), hat S. nach alter Gewohnheit zu Pferd sitzend, Kaspar als ersten vor vielen Magnaten zum Ritter geschlagen.

Die Heimreise aus Rom ist allerdings immer noch gefährlich gewesen. Kaspar hat aber wiederum dem K. den Boden bereiten können, indem er mithilfe des Papstes erzielt hat, dass sogar ein mehrjähriger Waffenstillstand mit den Venezianern, den Feinden S.s, geschlossen worden ist. So ist es dazu gekommen, dass S. dort, wo er vorher gehasst und angegriffen worden war, auf der Rückreise willkommen gewesen ist.

Nachdem dann S. Basel (Basileam) erreicht hatte, hat er die Kircheneinheit gerettet, wobei ihm Kaspar ebenfalls behilflich gewesen ist.

Es wäre noch Vieles zu erwähnen, was Kaspar für K. S. getan hat, aber das oben Gesagte reicht für Kaspars Ruhm vollkommen. S. hebt hervor, dass die Kirche, das Reich sowie seine Kg.reiche Kaspars große Schuldner sind und fragt, was Kaspar nicht alles als Dank verdienen würde? Was er ihm noch an Adel, Ehre oder Ansehen gewähren könnte, das durch Kaspars Verdienste nicht schon weitaus übetroffen würde? Nachdem er ihn bereits mit der Freiherrnwürde geschmückt und ihn wegen seiner Verdienste mit seiner Verwandten, der Fürstin Agnes von Schlesien, Öls und Kosel (illustrem principem Agnetem ducissam Slesie, Olsnicie et Kozole etc. consanguineam nostram carissimam), verheiratet hat, möchte er ihm nun eine noch höhere Würde gewähren (amplioris dignitatis addicere cumulum), und so –

freit (libertamus) Kaspar, dessen Erben und Brüder und alle deren Erben (te Gasparem memoratum, heredes fratresque tuos et omnes qui ab eis descenderint)3 mit rechtem Wissen und gutem Rat seiner Fürsten, Grafen, Freiherren und Edlen und aus ksl.er Macht (auctoritate cesarea) und erhebt (creamus, facimus, constituimus, extollimus et […] graciose sublimamus) sie (vosque)4 zu Grafen (comites)5 der Burg und Stadt sowie des Territoriums von Bassano (castri, civitatis et territorii Bassani), die er ihm früher durch seine Urk. gegeben hat.6 Er erhebt (erigimus) die Herrschaft Bassano in eine edle Reichsgrafschaft (in comitatum nobilem sacri imperii), befähigt (habiles facimus) Kaspar und dessen Brüder (fratresque)7 dazu, beliebige gräfliche Güter sowie gesamte Grafschaften durch Schenkung, Erbschaft oder Kauf erwerben zu dürfen und legt fest (volentes et decernentes), dass sie auf ewig und unabhängig von der tatsächlichen Inbesitznahme der Grafschaft Bassano (apprehensa possessione prefati comitatus sive non) alle Ehren, Rechte, Titel, Würden, Vorrechte und Freiheiten genießen sollen, die andere Reichsgrafen genießen, sei es innerhalb oder außerhalb Gerichts, im Spiel oder im Ernst, in Kampf, Duell, Turnier, Lanzenspiel und Panier (in ioco, serio, bellis, duellis, torneamentis, hastiludiis, banderiis), und dass sie mit rotem Wachs siegeln dürfen (cum sigillatione cere rubee). Kaspar und dessen legitime Brüder (fratres legittimi)8 sollen auch durch niemanden außer einem Grafen zum Duell herausgefordert oder vor Gericht vorgeladen werden und sollen durch entsprechende Gerichtsurteile nicht gebunden werden. Des Weiteren legt S. fest (decernimus), dass Kaspar und dessen Brüder (fratresque tui)9 vor kein Gericht, sei es sein oder ein anderes Hofgericht (iudicium curie nostre seu alterius cuiuscumque), ein Provinzial- oder Landgericht, vorgeladen und durch dieses verurteilt, sondern nur durch ihn selbst und seine Nachfolger oder durch ihre Bevollmächtigten gerichtet werden dürfen. Alle anderen Vorladungen, Prozesse und Urteile erklärt S. für null und nichtig, sodass sie Kaspar und dessen Brüdern (fratribus suis)10 keinen Schaden zufügen sollen. Ausgenommen sind jedoch Lehnsstreitigkeiten, die immer vor dem jeweiligen Lehnsherrn gerichtlich entschieden werden sollen und die S. nicht aufhebt. S. legt auch fest, dass diese seine Gnade durch keine gegensätzlichen Gesetze, Statuten, Gewohnheiten, Rechte oder Privilegien beeinträchtigt werden darf, welche S. aus ksl.er Machtvollkommenheit (auctoritate cesarea et de plenitudine potestatis) aufhebt (derogamus et derogatum esse volumus). Schließlich spricht S. den Wunsch aus, dass Kaspar und dessen Erben nach Erhalt dieser Gnade auch weiterhin dem Reich treu dienen sollen, und gebietet allen Menschen, diese seine Erhebungsurk. (nostre creacionis, gracie et sublimacionis paginam) nicht zu verletzen, wenn sie seine und des Reiches schwere Ungnade und eine Pön von 100 Mark reinen Goldes vermeiden wollen, die bei jeder Verletzung zur Hälfte an die Reichskammer (imperiali erario), zur anderen Hälfte an Graf Kaspar und dessen Brüder (fratribus)11 zu bezahlen ist. Er bevollmächtigt diese, zwecks der Eintreibung dieser Pön die Schädiger auch ohne Gerichtsverfahren im Gefängnis zu halten (arrestandi et detinendi), solange sie der Kammer und ihnen nicht bezahlt haben.

Arenga: Sicut a primevo nascentis mundi exordio conditor omnium mira divinaque sua disposicione firmamenti celigeni monarchiam astrorum numerositate ornavit et radiacionum intermixtarum differencias redivivas mensurans intelligenciarum superiorum officia determinavit, instituens excelsa providencia cunctum fulgorem siderum ab unici solaris luminis munificentia dependere, quod sua radiacionis simulacra sidereis voltibus imprimens eis splendoris graciam elargitur, nullum penitus integritatis sue detrimentum paciendo, sic eciam sacratissime ordinacionis sue provisio in ipsa machine mundialis monarchia imperialis sublimitatis maiestatem cunctis mortalium potentatibus et preeminenciis prefulgentem precipua officii auctoritatisque plenitudine soliique augustalis elacione celeberrima consecravit. A cuius quidem imperialis culminis throno velud e sole radii prodeuntes omnium mundialium nobilitatum insignia pullularunt, omnes dignitates sumunt originem ab illoque dependent, ut non sit dare alicuius generositatis insigne, quod a gremio non effluxerit cesaree dignitatis, nec per hoc cesaree liberalitatis integritas quomodolibet deficit, sed tanto plus splendet fulgorosiusque lucet radius principantis monarche, quanto plures eius privilegiato decore fuerint illustrati illi potissime, qui meritis suis nobiles effectus producunt seque civilitatis gloria dignos efficiunt et ipsorum fame preconium actusque celebres reddunt cultiores. Sane revolventes in animo gesta veterum, qui nobilitatem summam in virtutibus fundaverunt quodam ferventi desiderio illos dignos censemus nobilitatis et glorie, qui morum venustate et virtutum claritate seipsos exornant. Sic enim victrix Roma capud orbis cunctas mundi oras gubernans nobilitatisque ordinem fundans nobis exemplum prebuit, que plus virtutum propriis quam progenitorum meritis nobilitatem recensuit, arbitrans iusta quidem sentencia plus propriis quam alienis facinoribus gloriari. Sic eciam populus urbis non progenitorum, sed virtutum claritate fulgentes senatoria dignitate dignos iudicavit elegitque, qui et consules patresque conscriptos dederunt et gravissimos sanctierunt nec abfuit, quin eciam plebeis eorum poscentibus meritis contribuerunt ius annulare eosque nobilibus pares effecerunt, quibus effectum est, ut Roma celeberrima mundum domaret, provincias regeret legibusque constringeret cunctosque incitaret ad virtutes et clara facinora, et quanto plus omnes ad conservanda nobilitatis et glorie premia aspirabant, tanto amplius excrescebant virtutes, quibus res publica tutabatur et conservabatur. Quid enim Scipiones, quid Fabricios, quid Kathones multosque alios, quorum gloria atque merita tanta sunt, ut alciorem exaracionem deposcant, eterna fama dignos fecit, quam eorum virtutes et merita, non quidem parentum propago, non generis nobilitas, quibus etsi forsan claruerunt? Plus tamen virtus, labor, studium et defensio patrie immortalem ipsorum titulum ampliarunt, ut bellorum et exercituum ex parvo magni duces effecti sint gradu.

Originaldatierung:
penultima die octobris, 51 – 28 – 18 – 5
Kanzleivermerke:
KVr: Ad mandatum d(omini) imperatoris in suo consilio H(echt). – KVv: Registrata.

Überlieferung/Literatur

Angebliches Orig. (Fälschung Kaspar Schlicks höchstwahrscheinlich aus dem Jahr 1442, mit späteren Hinzufügungen auf Rasur, die wohl Matthias Schlick zuzuschreiben sind) Perg. lat., wachsfarbenes ksl.es Majestätssiegel (Posse 17/1–2) abgefallen, liegt bei, beschädigte schwarz-gelbe Seidenschnüre in der Plica befestigt, in SOA Zámrsk, Bestand RA Šliků, Inv. Nr. 212, Sign. IV.8, Kart. 23 (A). – Kop. lat.: Insert in der Konfirmation Friedrichs III. vom 8. August 1442, Frankfurt, in SOA Zámrsk, Bestand RA Šliků, Inv. Nr. 216, Sign. IV.11, Kart. 23 (B); danach Kopie im Reichsregisterbuch Friedrichs III. in HHStA Wien, RR O, fol. 165v–167r (C). Daneben gibt es noch die angebliche dt. Ausfertigung vom 1. November 1437, die jedoch etwas verkürzt ist – siehe Reg. Nr. 180.

Ed.: Dvořák, Fälschungen, S. 98–103, Nr. 7 (nach A); Elbel – Zajic, Die zwei Körper, III, S. 134‒141, Nr. 15 (nach A).

Reg.: RI XI, Nr. 12148 (nach A); Chmel, Regesta chronologico-diplomatica, S. 106, Nr. 946 (dt.; nach C).

Lit.: Wacek, Materialien, S. 426, 429; Dvořák, Fälschungen, S. 64–68, 75; Pennrich, Urkundenfälschungen, S. 23, 57, 65–69, 87–93; Hufnagel, Schlicks letztes Hervortreten, S. 68, 87–93; Zechel, Studien, S. 233–265; Goldinger, Standeserhöhungsdiplome, S. 327–328; Heinig, Kaspar Schlick, S. 250, 253, 272–273; Tresp, Art. Schlick, S. 1301; Elbel – Zajic, Die zwei Körper, II, S. 152–176.

Kommentar

Die oben regestierte Grafenurk. S.s für Kaspar Schlick wurde von den meisten Forschern als Fälschung betrachtet, durch Arthur Zechel jedoch als echt verteidigt. Was die äußeren und inneren Merkmale anbelangt, ist die Urk. durchaus kanzleigemäß, lediglich dem RV entspricht kein Eintrag im Reichsregister S.s. Trotzdem ist die Urk. im mancher Hinsicht merkwürdig. Die lange antikisierende Arenga und vor allem die noch viel längere Narratio, die die Verdienste Kaspars sehr ausführlich darstellt, hat unter den durch die Reichskanzlei S.s ausgestellten (Standeserhöhungs-)Urkk. keine vergleichbare Parallele; sie weist aber hierin Ähnlichkeiten mit etlichen Stücken der ung. Kanzleien auf, wo ähnlich lange und literarisch konzipierte Narrationes vor allem bei bedeutenden Schenkungsurkk. durchaus üblich waren.12

Die Narratio enthält aber neben der Darstellung der Verdienste Kaspars auch eine hoch entwickelte Version der genealogischen Fiktion Kaspar Schlicks. Im Vergleich zur gefälschten Freiherrnurk., wo lediglich die Abstammung der angeblichen Mutter Kaspars, Constantia/Costanza, vom gräflichen Haus Collalto sowie die rittermäßige Herkunft von Kaspars Vater Heinrich Schlick postuliert wurden, werden wir nun sogar über angebliche Verwandschaftsverhältnisse zu den Markgrafen von Mantua informiert. In der Narratio wird behauptet, dass K. S. darüber durch Kaspar sowie durch seine angeblichen Verwandten in Italien persönlich informiert wurde. Wir wissen aber aus anderen Quellen, dass Kaspar Schlick durch K. S. und dessen höfische Umgebung offensichtlich stets als Egerer Bürgersohn betrachtet wurde und dass seine genealogische Fiktion zumindest in der Zeit S.s breiteren Kreisen unbekannt blieb.13

Merkwürdig sind aber auch die Erhebungen Kaspar Schlicks in den Grafenstand und der Herrschaft Bassano zur Reichsgrafschaft an sich. Außerhalb der Grafenurk. haben wir keine Belege über diese Erhebung. Kaspar selbst führte nie den Grafentitel und titulierte sich nie nach Bassano. Wäre seine Erhebung durch S. tatsächlich geschehen, hätte Kaspar bestimmt den Grafentitel verwendet.

Zu den älteren Argumenten gegen die Echtheit der Grafenurk. kamen jüngst auch paläografische Beobachtungen dazu. Es ist schon seit langem bekannt, dass die Urk. von Wenzel von Buchau mit der für ihn besonders charakteristischen auszeichnungsschriftlichen "fetten" Bastarda für die erste Zeile mundiert wurde. Die Untersuchung von Andreas Zajic zeigte jedoch, dass dieser gut fassbare Schrifttyp erst ab 1442 (mit Ausnahme des gefälschten Palatinatsprivilegs für Kaspar Schlick vom 1. Juni 143314 und der Urk. für Matthias Schlick und den Markt Buchau vom 26. August 143715) für die gesamte erste Zeile verwendet worden zu sein scheint;16 daher scheint auch die Grafenurk. mit großer Wahrscheinlichkeit ebenfalls erst 1442 entstanden zu sein und in den Komplex der späteren Schlick’schen Fälschungen aus der Zeit Friedrichs III. zu gehören. Sie dürfte – wie auch andere Fälschungen Schlicks aus dieser Zeit – auf einem von mehreren durch Schlick zurückbehaltenen besiegelten Blanketten S.s mundiert worden sein.

Als Motiv für die Fälschung der Grafenurk. lassen sich wohl die Bemühungen Kaspars um die Zukunft seiner Familie annehmen, die in dieser Zeit noch stark mit Kaspars höfischem Dienst verbunden war und die nach dem (vorübergehenden) Ausscheiden Kaspars aus der Reichskanzlei nach dem Tod Albrechts II. einer schweren Prüfung unterzogen wurde. Vielleicht überlegte Kaspar, die Grafenurk. selbst publik und die dadurch gewährten Ansprüche geltend zu machen, er beschränkte sich aber letzten Endes auf die Bestätigung durch Friedrich III. und die Einholung der kurfürstlichen Willebriefe. Eine größere Publizität vermied er aber auch dann noch, wohl, da es – z. B. auch in Böhmen – noch mehrere Höflinge S.s gab, die dem Kaiser ähnlich nahegestanden waren und die beschwören hätten können, dass Kaspar niemals durch S. erhoben worden war.

Kaspar entschied also offenbar, die Grafenurk. als eine Art Versicherung für seine Nachkommen aufzubewahren. Tatsächlich wurde die Urk. dann um 1500 durch seine Neffen entsprechend eingesetzt. Dies kontrastiert zwar zunächst mit der Tatsache, dass Kaspar in seiner Fälschung nur an seine eigenen leiblichen Nachkommen in direkter Linie dachte; sein Bruder Matthias manipulierte aber den Urk.-Text mittels zahlreicher Rasuren, sodass die Grafenerhebung auch auf die Brüder Kaspars und deren Erben erweitert wurde.

Anmerkungen

  1. 1Die stark antikisierende, extrem lange Arenga ist mit der Narratio durch die Praeteritio verbunden, dass S. nun von der Geschichte abgehen und seinen Blick auf Kaspar lenken möchte.
  2. 2Siehe die durch Kaspar Schlick gefälschte Freiherrenurk. S.s vom 16. Juli 1422 – Reg. Nr. 172.
  3. 3fratresque bis eis von anderer Hand, teilweise auf Rasur, nachgetragen; ursprünglicher Bestand nach HHStA, RR O, fol. 166v: heredesque tuos legitimos, qui de lumbis tuis descenderint; die Konfirmation Friedrichs III. hat: fratres tuos heredesque et qui ab eis descenderint.
  4. 4vosque von anderer Hand auf Rasur nachgetragen; ursprünglicher Bestand nach HHStA, RR O, fol. 166v: teque; die Konfirmation Friedrichs III. hat vos.
  5. 5s aus ursprünglich m (so HHStA, RR O, fol. 166v) manipuliert; die Konfirmation Friedrichs III. hat comite [!].
  6. 6Gemeint ist die durch Kaspar Schlick gefälschte Schenkungsurk. über Burg und Stadt Bassano del Grappa vom 21. August 1431, Nürnberg, die als Insert in der Konfirmation Friedrichs III. in dessen Reichsregister und in einer Kop. aus dem späten 15. Jh. im Nationalarchiv Prag überliefert ist (siehe HHStA Wien, RR O, fol. 167r–v; NA Praha, Bestand Stará manipulace, Kart. 2067, Sign. S 16/1; Ed.: Dvořák, Fälschungen, S. 91–93, Nr. 2, Elbel – Zajic, Die zwei Körper, III, S. 102–105, Nr. 4).
  7. 7fratres von anderer Hand auf Rasur nachgetragen, so auch in der Konfirmation Friedrichs III.; ursprünglicher Bestand nach HHStA, RR O, fol. 166v: heredes.
  8. 8fratres von anderer Hand – unter Beibehaltung des nun sinnstörenden legittimi – auf Rasur nachgetragen, so auch in der Konfirmation Friedrichs III.; ursprünglicher Bestand nach HHStA, RR O, fol. 166v: heredes.
  9. 9fratresque tui von anderer Hand auf Rasur nachgetragen, so auch in der Konfirmation Friedrichs III.; ursprünglicher Bestand nach HHStA, RR O, fol. 166v: heredesque tui.
  10. 10fratribus suis von anderer Hand auf Rasur nachgetragen, so auch in der Konfirmation Friedrichs III.; ursprünglicher Bestand nach HHStA, RR O, fol. 166v: heredibus.
  11. 11fratribus von anderer Hand auf Rasur nachgetragen; ursprünglicher Bestand nach HHStA, RR O, fol. 166v: heredibus; die Konfirmation Friedrichs III. hat Gaspari fratribus et heredibus.
  12. 12Siehe Dvořáková, Aspekte.
  13. 13Eberhard Windecke kommentiert die Karriere Schlicks mit den Worten: Und gehort ieman, das eins burgers sun zu Dutschen landen so mechtig worden? (Eberhart Windeckes Denkwürdigkeiten, hg. Altmann, S. 381).
  14. 14Siehe Reg. Nr. 173.
  15. 15Siehe Reg. Nr. 164.
  16. 16Detailliert mit vielen Beispielen siehe Elbel – Zajic, Die zwei Körper, II, S. 161–168.

Nachträge

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Empfohlene Zitierweise

RI XI Neubearb., 2 n. 179, in: Regesta Imperii Online,
URI: http://www.regesta-imperii.de/id/a651fbf8-b2f9-4233-ba51-2fe250cf60f0
(Abgerufen am 28.03.2024).