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RI I Karolinger 715-918 (926/962) - RI I,4,3

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Papst Johannes (VIII.) erhebt in einem durch den (Kardinal)presbyter Petrus (von S. Grisogono) übermittelten (n. 560) Brief gegenüber den Kaisern Basileios (I.), Konstantinos und Alexander (dilectissimis ac excellentissimis spiritalibus filiis nostris Basilio Constantino et Alexandro, gloriosissimis imperatoribus semper augustis) den Primatsanspruch der römischen Kirche (... omnium ecclesiarum Dei caput ...), erteilt ihnen seine Ehrerweisung (reverentia) und erkennt Photios wunschgemäß (n. 478) als Patriarchen von Konstantinopel an (n. 550), da Ignatios gestorben sei, verweist auf die vorherige Usurpation der Patriarchenwürde durch Photios, bezieht sich auf c. 2 des Konzils von Nizäa sowie auf Dekretalen der Päpste Gelasius (I.) (JK 636), Leo (I.) (JK 536), Felix (III.) (JK 609) und Innozenz (I.) (JK 299) zu Ausnahmeregelungen im Härtefall und der Wiederaufnahme von Häretikern, nimmt Photios wieder in sein Amt auf unter Zustimmung der Patriarchen von Alexandria, Antiochia und Jerusalem sowie des gesamten Klerus von Konstantinopel, der seit der Weihe der Patriarchen Methodios und Ignatios kirchliche Funktionen inne hat, und befreit Photios von der Exkommunikation (sanctionis vinculo), erinnert an die (Exkommunikation) seitens der päpstlichen Legaten unter seinem Vorgänger Hadrian (II.) (vgl. JE I p. 370f.) und verweist darauf, viele Patriarchen, d. h. Athanasius und Kyrill von Alexandria, Flavianos und Johannes (I. Chrysostomos) von Konstantinopel und Polychronios von Jerusalem, seien nach ihrer Absolution wiedereingesetzt worden, bestimmt, daß nach dem Tod des Photios kein anderer Laie oder Höfling zum Patriarchen gewählt oder geweiht wird, auch nicht die Inhaber niederer Ämter, sondern nur einer der Kardinalpresbyter oder -diakone aus Konstantinopel, befiehlt dem Patriarchen bezüglich der Diözese der Bulgaren, die Papst Nikolaus (I.) auf Wunsch des Königs (rex) Michael (I.) (Böhmer-Herbers n. 804) im Glauben unterwiesen habe (Böhmer-Herbers n. 822), seinen Anspruch nicht aufrecht zu erhalten und das Pallium nicht zu verschicken, fordert Milde gegenüber denjenigen, welche die Einheit der Kirche Gottes zerstören wollen; er befiehlt (mandamus), daß die von Ignatios geweihten Bischöfe und Priester wieder eingesetzt werden, und ordnet an (iussimus), diejenigen aber, die von Photios nicht die Kommunion empfangen möchten, sollen auf einer Synode in Anwesenheit der päpstlichen Legaten von der Kommunion ausgeschlossen werden, ebenso Photios, sollte er Exkommunizierten die Kommunion erteilen.

Originaldatierung:
Data mense augusto, indictione XII. Missa per Petrum presbyterum.
Incipit:
Inter claras sapientię et mansuetudinis ...

Überlieferung/Literatur

Orig.: –.

Kop.: 11. Jh., Rom Arch. Vat.: Reg. Vat. I fol. 80v; 16. Jh., Rom Arch. Vat.: Arm. XXXI, t. 1 fol. 148v.

Insert: Akten der Photianischen Synode 879 (Mansi, Coll. XVII 395f.) (verfälschte griechische Fassung); Deusdedit, Coll. can. IV 434 (Wolf von Glanvell 612-614) (fragm.); Ivo von Chartres, Decretum, Prologus (Migne, PL CLXI 56-58) (fragm.); Coll. X partium (12. Jh., Florenz Bibl. naz. Centr. Conv. Soppr.: Ms. D. II. 1476 fol. 114r) (fragm.).

Erw.: n. 555.

Drucke: Carafa, Epist. III 433 (lat. Fassung); Baronius, Ann. eccl. a. 879 c. 7 (lat. Fassung) und c. 20 (lat. Übers. der griech. Fassung); Conc. coll. reg. XXIII 711 und XXIV 215 (lat. Fassung), XXIV 221 (lat. Übers. der griech. Fassung); Labbe-Cossart, Conc. VIII 1451 und IX 130 (lat. Fassung), IX 134 (lat. Übers. der griech. Fassung); Hardouin, Acta conc. V 1166 (lat. Fassung mit griech. Übers.), V 1171 (griech. Fassung mit lat. Übers.), VI 67 (lat. Übers. der griech. Fassung), VI 231 (griech. Fassung mit lat. Übers.); Mansi, Coll. XVI 479 (lat. Fassung mit griech. Übers.), XVI 487, XVII 136 (lat. Fassung), XVII 141 (lat. Übers. der griech. Fassung); Migne, PL CXXVI 853 (lat. Fassung), 858 (lat. Übers. der griech. Fassung); MG Epist. VII 166–176 n. 207 (lat. und griech. Fassung); Acta Romanorum Pontificum I 722 n. 349 (lat. Fassung); Fontes historiae Bulgaricae VII 169-171 (fragm., lat. und griech. Fassung); Meijer, Council of Union 215-240 n. I (griech. und lat. Fassung).

Reg.: J 2491; JE 3271; MMFH III 194 n. 85.

Lit.: Hergenröther, Photius II 315, 382-386, 396-416; Lapôtre, Jean VIII 62 (ND 128) Anm. 5 und 63 (ND 129) Anm. 3; Caspar, Register Johanns 109; Hefele-Leclercq, Hist. IV,1 571; Grumel, Lettres 138f., 141; Dvorník, Photian Schism 174, 177, 182-184, 190, 192, 211f., 302-308, 329 Anm. 1, 336-338, 340; Dvorník, Scholar and Statesmen 20; Dvorník, Byzance et primauté 100-103; Fürst, Cardinalis 66, 197; Dvorník, Légendes 299; Congar, Ecce constitui te 678; Stiernon, Konstantinopel IV 214-218, 223; Kuttner, Urban II 65; Beck, Gesch. der orthodoxen Kirche 111f.; Boojamra, Photian Synod of 879-80 4f.; Stiernon, Interprétations 700f.; Gemeinhardt, Filioque-Kontroverse 246, 249-255; Scholz, Politik 234f.

Kommentar

Der Papstbrief ist auf lateinisch sowohl in den beiden Registerabschriften (vgl. zu diesen Caspar 85-99 und Lohrmann, Register Johannes 5-156) als auch fragmentarisch in den erwähnten Kanonessammlungen überliefert. Eine überarbeitete griechische Fassung mit Interpolationen des Photios (zu anderen Theorien bezüglich der unterschiedlichen Fassungen vgl. Grumel 142-156 und Dvorník, Légendes 325-329) ist wie von n. 552 und n. 553 innerhalb der Akten der von Photios 879 veranstalteten Synode, auf der das Schreiben auch verlesen wurde, erhalten. Sie ist bei Mansi jeweils einer lateinischen Übersetzung gegenübergestellt, die von der Originalversion stark abweicht. Die bei Pflugk-Harttung, Iter 107 genannte Handschrift Vallicelliana C 31 stellt keine eigenständige kopiale Überlieferung dar, sondern bietet lediglich eine lateinische Übersetzung der Konzilsakten. Die bei Deusdedit wiedergebenen Fragmente fußen auf der interpolierten griechischen Fassung und sind eingebettet in Auszüge aus den Konzilsakten. Danach folgen Auszüge aus dem Konzilsprotokoll. Ebenso dürften auch die Fragmente bei Ivo (und in der von Ivo abhängigen Coll. X partium) auf die griechische Version zurückgehen, vgl. Dvornik, Scholar and statesman. Zur Kanonessammlung des Deusdedit vgl. allgemein Kéry, Canonical collections 228-233, Jasper, Beginning 128f. und Fowler-Magerl, Clavis Canonum 160-163. Zur Coll. X partium in der Hs. Florenz, Bibl. naz. Centr. Conv. Soppr. Ms. D. II. 1476 und weiteren Handschriften vgl. Kéry 263f. und Fowler-Magerl 209-214. Zur kanonistischen Überlieferung des Schreibens vgl. auch Dvornik, Photian Schism 336f. Zum zitierten Kanon des Konzils von Nizäa vgl. Turner, Eccl. occ. mon. I 114f. und 182-185. Die griechische Fassung der Konzilsakten weist im Unterschied zum lateinischen Text kein Datum auf, die Anfangspassage wurde stark gekürzt, der Passus über den römischen Primat wurde gestrichen. Ebenso fehlt die Anspielung auf den Tod von Photios' Vorgänger Ignatios und die Usurpation des Photios, bevor Ignatios ihn wieder ablöste. Photios unterläßt es, die geforderte Rechtfertigung vor einem Konzil zu nennen und interpoliert lobende Worte für sich selbst. Statt der päpstlichen Forderung, sein Nachfolger solle kein Laie oder Hofbeamter sein, betont er, man habe diesbezüglich wenige Ausnahmen, darunter ihn, geltend gemacht. Aus dem Verbot, Bischöfe für Bulgarien zu weihen, wird eine abgeschwächte Bitte; die Bischöfe erhalten die Erlaubnis, in Bulgarien zu bleiben. Die Exkommunikationsandrohung für den Fall, daß Photios Exkommunizierten die Kommunion erteilt, wurde getilgt. Dvornik, Scholar and Statesman 20 hat zudem darauf aufmerksam gemacht, daß das Zitat aus Ier. 1,10 nur in der griechischen Fassung als Interpolation zu finden ist. Gleichwohl begegnet derselbe Passus bereits in einem früheren Papstbrief an Basileios (n. 318). Vgl. zu ähnlichen Interpolationen n. 552 und n. 553. Mit der Verurteilung des Photios unter Hadrian II. durch die päpstlichen Legaten verweist Johannes VIII. auf die Synode in Konstantinopel 869/70, vgl. MG Epist. VII 171 Anm. 1. Die Bitte des Kaisers um Anerkennung des Photios ist nicht erhalten, wird aber auch in n. 553 erwähnt und wurde dem Papst wohl von der in n. 498 und n. 500 genannten kaiserlichen Gesandtschaft übermittelt, vgl. n. 478. Zum Legaten Petrus von S. Grisogono vgl. n. 560. Zur Vorgeschichte vgl. vor allem n. 331, n. 554 und n. 560. Die nur in der Registerfassung enthaltene Datierung kann nicht näher eingeschränkt werden; eine Ausstellung des Schreibens am gleichen Tag wie n. 559, das auf den 16. August datiert ist, erscheint nicht zwingend.

Nachträge

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Empfohlene Zitierweise

RI I,4,3 n. 551, in: Regesta Imperii Online,
URI: http://www.regesta-imperii.de/id/f24aa2dd-e0e7-4c97-bd89-0908d838019a
(Abgerufen am 19.04.2024).