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RI I Karolinger 715-918 (926/962) - RI I,4,3

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In der Peterskirche zu Troyes findet unter dem Vorsitz von Papst Johannes (VIII.) in Anwesenheit der Bischöfe Petrus von Fossombrone, Paschalis von Amelia und Walpert von Porto sowie einer Vielzahl westfränkischer Bischöfe eine als Universalkonzil angekündigte Synode statt, die nach einer Ansprache des Papstes in der ersten Sitzung (actio prima) am 11. August 878 (anno Incarnationis eius DCCLXXVIII, indictione XI, III. Idus Augusti), in der dieser die Bischöfe zur einmütigen Unterstützung aufruft, folgende Beschlüsse faßt: – (1) In der zweiten Sitzung (actio II) wird die gegen Lambert und Adalbert gesprochene Exkommunikationssentenz (n. 325) verlesen und (stellvertretend für alle Bischöfe) von Erzbischof Hinkmar von Reims und (Bischof) Aurelianus (von Lyon) bekräftigt (n. 408), die Frage der Translation von Bischöfen sowie des Eingehens einer neuen Ehe, solange die erste Frau noch lebt, wird von (Erz)bischof Rostagnus von Arles aufgeworfen, woraufhin Hinkmar von Reims den Aufschub dieses Themas erbittet; – (2) in der dritten Sitzung (actio III) wird dem Papst von allen Teilnehmern ein Schriftstück überreicht, in dem die Eintracht des gesamten (westfränkischen) Episkopats mit dem Papst unterstrichen wird, (3) danach werden Schriften mit Bezug auf Erzbischof Hinkmar von Reims und Bischof Ratfried von Avignon dem Papst und der Synode übergeben; – (4) in der vierten Sitzung (actio IV) wird eine Bestimmung gegen die Kirchenräuber erlassen (n. 421), (5) der Kontakt mit Exkommunizierten bzw. abgesetzten (Priestern) verboten, (6) die Exkommunikation des ehemaligen Bischofs Formosus, des ehemaligen nomenculator der römischen Kirche Gregor und des magister militum Georg (n. 175) erneut (vgl. n. 182) bekräftigt und das Anathem gegen sie ausgesprochen (n. 420) und (7) es werden sieben von Papst Johannes (VIII.) vorgelegte Kanones bestätigt: 1. Bischöfe sollen von weltlichen Amtsinhabern geehrt werden, Laien keinen Übergriff auf Kirchenbesitz verüben; 2. niemand soll Güter der Kirche vom römischen Bischof oder anderen Bischöfen erbitten; 3. die Bestimmungen der Synode von Ravenna (877) (n. 272) sollen befolgt werden; 4. Bischöfe sollen sich in der Not gegenseitig helfen; 5. Exkommunizierte sollen nicht von fremden Bischöfen aufgenommen werden; 6. ein freier Mann soll nicht einen anderen gegen die Gesetze beherbergen; 7. geheime Beschuldigungen der Geistlichen sind verboten; – (8) in der fünften Sitzung (sessio V) werden gemäß den Bestimmungen des Konzils von Sardika (343), Leo (I.) (JK 411) und den Kanones (des Konzils von Karthago 397) die Translation von Bischöfen zu einer anderen Diözese mit Bezug auf (Erzbischof) Frothar (von Bourges) (vgl. n. 407) sowie bei Laien das Eingehen einer neuen Ehe, wenn die erste Ehefrau noch lebt, untersagt (vgl. n. 423); (9) Bischof Hedenulf (von Laon) wird (am 10. September) in seinem Amt bestätigt, (der ehemalige Bischof) Hinkmar (von Laon) soll aber einen Teil der Güter der Kirche von Laon behalten und die Messe lesen dürfen; (10) (während des Konzils) werden 61 (aus den Bischofskapitularien Radulfs von Bourges und Theodulfs von Orléans stammende) Kapitel bestätigt und (11) der Papst unterfertigt verschiedene Urkunden (vgl. n. 422, n. 426, n. 437).

Überlieferung/Literatur

Drucke: Synodalprotokoll (MG Conc. V 92-95); Kanones (MG Conc. V 102-105, 109-136).

Erw.: n. 407; n. 410; n. 415 (vgl. n. 416, n. 417, n. 418); n. 426; n. 436; n. 437; n. 452; n. 455; n. 513; Ann. Bertiniani a. 878 (Grat 223-230); Ado von Vienne, Chr., Continuatio prima (MG SS II 325); Acta synodalia de Formoso episcopo (Dümmler, Auxilius 159-161); Aimoin von Fleury, Hist. Francorum, Continuatio (Sirmond, Conc. Gall. III 486); Flodoard von Reims, Hist. III 21 (MG SS XXXVI 273); Historia Franciae (Bouquet-Delisle, Recueil VIII 300); Chr. Trenorchiense (Poupardin, Monuments 90); Hugo von Fleury, Regum Francorum Actus a. 878 (MG SS IX 378); Hugo von Fleury, Compilatio (Couderc, Note sur une compilation 474); Marianus Scottus, Chr. (MG SS V 552); Lib. pont. (Přerovský II 641); Tholomeus von Lucca, Hist. ecclesiastica (MG SS XXXIX 371); Chr. de France/Saint-Denis (Bouquet-Delisle, Recueil VIII 327f.).

Reg.: JE I p. 402.

Lit.: Dümmler, Ostfränk. Reich III2 79-90; Hefele-Leclercq, Hist. IV,2 666-678; Schieffer, Päpstliche Legaten 28; De Clercq, Législation II 307-315; Prévost, Diocèse de Troyes I 50-53; Amann, Époque carolingienne 429-431; Mordek-Schmitz, Konzil von Troyes 179-225; Weil, Concile de Troyes 68f.; Hartmann, Synoden 336-340; Scholz, Transmigration 156; ; Schieffer, Beziehungen karolingischer Synoden 155; Crété-Protin, Diocèse de Troyes 280-285; Arnold, Johannes 142-145, 177f.; Scholz, Politik 238f.

Kommentar

Noch vor seiner eher fluchtartigen Abreise aus Rom (vgl. n. 334) verschickte der Papst Briefe, um sein Kommen ins Frankenreich und die dort geplante allgemeine Synode, die erste unter Anweisenheit eines Papstes nördlich der Alpen, anzukündigen, vgl. n. 317, n. 321, n. 322, n. 323, n. 324; weitere das Konzil vorbereitende Schreiben wurden von Genua aus entsandt, wo Johannes VIII. einen Zwischenstop einlegte, vgl. n. 342, n. 343, n. 344, n. 345, n. 346. Nach seiner Ankunft in Arles (n. 349) bemühte sich der Papst vor allem um die Festlegung eines geeigneten Konzilsortes, wobei er zunächst Lyon (vgl. n. 343) und Langres (vgl. n. 371) ins Auge gefaßt hatte, die Wahl schließlich aber – wie wohl auch ursprünglich gedacht (vgl. n. 357) – König Ludwig dem Stammler überlassen wollte (vgl. n. 379). Frühestens Mitte Juni 878 dürfte Troyes als Tagungsort für die Synode festgestanden haben, vgl. n. 386. Der Verlauf des Konzils und dessen Beschlüsse sind hauptsächlich aus dem sogenannten "Ordo synodi" (vgl. zur Überlieferung MG Conc. V 82), einer Art Synodalprotokoll, und dem Bericht in den Ann. Bertiniani (darauf fußend die Fortsetzung der Hist. Francorum des Aimoin von Fleury) ersichtlich (allerdings sind einzelne kleinere Abweichungen in der Reihenfolge zu verzeichnen); zudem sind zuerst bei Sirmond 478-480 sieben Konzilskanones abgedruckt, von denen heute keine handschriftliche Überlieferung mehr existiert (vgl. MG Conc. V 85). Die 61 Kanones (MG Conc. V 109-136) entdeckten Mordek-Schmitz und edierten sie auszugsweise (ibid. 196-203, zur Überlieferung vgl. MG Conc. V 87). Die oben genannten Sitzungstage sind im Synodalprotokoll (MG Conc. V 92-95) genannt; wenn möglich wurden die Entscheidungen des Konzils (diese sind oben im Regest durchnumeriert; die Klammern verdeutlichen, daß die Numerierung nicht quellenmäßig belegt ist) einer Sitzung zugeordnet. Alle maßgeblich auf den Papst zurückgehenden Beschlüsse, deren Text überliefert ist, erhielten eigene Regesten, die je nach ihrer Datierung eingeordnet sind (die Regestennummern sind oben in Klammern angegeben). In der Registerabschrift Johannes' VIII. sind insgesamt drei in ihrem Charakter jedoch umstrittene Ansprachen des Papstes überliefert, vgl. n. 425 und n. 406. Über die Teilnehmer der Synode sind wir durch verschiedene Unterschriftenlisten informiert, die Mordek-Schmitz 204-225 im Zuge der Interpretation der neu aufgefundenen Hs. Oxford Bodleian Library, Rawlinson C. 290 vergleichend analysiert haben (vgl. jetzt auch MG Conc. V 104f, 106f., 134-136, 140-142); trotz der Ausschreibung des Konzils als Universalsynode (vgl. n. 346) waren neben den mit Johannes VIII. ins Westfrankenreich gekommenen Bischöfen Petrus von Fossombrone, Paschalis von Amelia und Walpert von Porto (vgl. n. 349) nur westfränkische Erzbischöfe und Bischöfe anwesend; der zunächst in Rom zurückgebliebene Bischof Leo von Gabii (vgl. n. 334) war dem Papst offenbar nachgereist, da er in einer der Unterschriftenlisten erscheint (MG Conc. V 136), vgl. zu den Synodalteilnehmern auch Hartmann 338 mit Anm. 15. König Ludwig der Stammler war krankheitsbedingt nicht bei der Konzilseröffnung anwesend, traf aber laut Ann. Bertiniani (Grat 223) am 16. August in Troyes ein, vgl. n. 422, wo die Anwesenheit des Königs in der Datierung erwähnt ist; zur Krönung des Königs durch den Papst und zu einem Treffen der beiden während des Konzils vgl. n. 428 und n. 430. Neben den sieben, laut dem Synodalprotokoll (MG Conc. V 94) in der vierten Sitzung der Synode erlassenen Kanones (vgl. zu deren Inhalt Hartmann 339) sind c. 1, c. 4, c. 6 und c. 8 (zur Identifizierung der genannten Konzilskanones vgl. Scholz, Transmigration 156 Anm. 52) separat erhalten, vgl. zu deren Überlieferung die entsprechenden oben angegebenen Regesten. C. 2, c. 3 und c. 5 sind nur im Synodalprotokoll (MG Conc. V 94) und c. 9 nur in den Ann. Bertiniani (Grat 228f.) und in Anlehnung daran in der Fortsetzung der Hist. Francorum des Aimoin von Fleury (Sirmond 486) sowie in den Ann. Vedastini a. 878 (MG SS rer. G. [12] 43), die jedoch dabei die Synode von Troyes nicht nennen, erwähnt, vgl. hierzu auch die im Register Johannes' VIII. erhaltene und möglicherweise während des Konzils eingereichte Klageschrift Hinkmars von Laon (n. 403). Die Continuatio prima des Chr. Ados von Vienne (MG SS II 325), die Historia Franciae (Bouquet, Recueil VIII 300A) und Hugo von Fleury, Compilatio (Couderc, Note sur une compilation 474) berichten fälschlich, auf der Synode von Troyes habe Hinkmar von Laon seine Bischofswürde zurückerlangt. Zu weiteren Entscheidungen des Konzils, bei denen jedoch keine unmittelbare päpstliche Beteiligung anzunehmen ist, vgl. Hartmann; zu in Troyes während der Anwesenheit der Bischöfe und des Königs vollzogenen Handlungen, die aber nicht als Konzilsbeschlüsse anzusehen sind, vgl. n. 429, n. 431 und n. 432. Zu den Vorbehalten gegenüber dem Bericht der Acta synodalia de Formoso episcopo, die in Bezug auf die Synode von Troyes lediglich die erneute Verdammung des Formosus thematisieren (c. 4), vgl. Dümmler, Auxilius 56f., MG Conc. V 105-107 (mit einer neuen Edition des Textes) sowie n. 175, dort auch zu einem möglichen Zusammentreffen von Formosus und Johannes VIII. während dessen Aufenthalt im Westfrankenreich 878, wie es Auxilius, In defensionem (Dümmler 64) schildert. In den Ann. Floriacenses a. 878 (MG SS 254) wird ein langer Aufenthalt des Papstes in Troyes erwähnt, nicht jedoch die dort stattgefundene Synode. Das Datum der Eröffnung des Konzils, das wegen der Krankheit Ludwigs des Stammlers vom 1. August einige Tage nach hinten verschoben wurde (vgl. n. 395), geht aus dem Synodalprotokoll (MG Conc. V 92) hervor. Die in ihrer Echtheit umstrittenen Acta synodalia de Formoso episcopo (Dümmler, Auxilius 159, MG Conc. V 105) legen die Konzilseröffnung fälschlich auf den 14. September der 11. Indiktion (877). Marianus Scottus (MG SS V 552) vermerkt richtig das Inkarnationsjahr 878 und den 11. August als Eröffnungstag, falsch jedoch die Indiktion (12, richtig wäre 11). Lib. Pont. (Přerovský II 641) datiert die Konzilseröffnung unzutreffenderweise auf den 17. August und gibt irrig das Jahr 879 an, jedoch richtig die Indiktion und das Pontifikatsjahr. Unsicher ist, wie lange die Synode insgesamt tagte; in den Ann. Bertiniani (Grat 229) wird das Ende des Konzils kurze Zeit nach dem auf den 10. September datierten Treffen Ludwigs des Stammlers mit dem Papst (n. 430) berichtet. In einer Urkunde Johannes' VIII. vom 16. September 878 (n. 437) heißt es: ... cum apud Trecas synodum ... celebraremus ... (MG Conc. V 144); das Tempus des Verbs verrät nicht eindeutig, ob es sich hierbei um einen vorzeitigen oder gleichzeitigen Nebensatz handelt, da Gleichzeitigkeit jedoch nicht auszuschließen ist, muß eine Dauer des Konzils mindestens bis zum 16. September angenommen werden.

Nachträge

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Empfohlene Zitierweise

RI I,4,3 n. 405, in: Regesta Imperii Online,
URI: http://www.regesta-imperii.de/id/af362f44-f673-493c-a12a-7dfd4e1055bd
(Abgerufen am 19.03.2024).