RI I Karolinger 715-918 (926/962) - RI I,4,2

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Papst Nikolaus (I.) beantwortet in 106 Kapiteln ausführlich und mit zahlreichen Zitaten die Anfragen der Bulgaren (n. 804) und verweist auf die Entsendung von Büchern und der Legaten (Paul von Populonia und Formosus von Porto) in ihr Reich (vgl. n. 833) und zu ihrem König (Boris-Michael I.) – (Die 106 Kapitel handeln:) 1. zu Glauben und guten Werken; 2. zu Taufe und damit eingegangenen Bindungen; 3. zu Ehegebräuchen; 4. zu Fastengeboten; 5. zu Fasten und Abstinenz an Mittwoch und Freitag; 6. zum Baden an Mittwoch und Freitag; 7.-8. zu Reliquien und Kreuzverehrung in sündhaftem und sündlosem Zustand; 9. zur Kommunion während der Fastenzeit; 10. zu Sabbat- und Sonntagsarbeit; 11. zur Arbeitsruhe an genannten Festtagen; 12. zu Gerichtssitzungen an Festtagen; 13. zu weltlichen Gesetzen; 14.-16. zu falschen Priestern: zur Gültigkeit von deren Taufen und zur Buße wegen Bestrafung derselben; 17. zum Bericht über die Annahme des Glaubens; 18. zu denen, welche die christliche Ordnung ablehnen; 19. zu Strafen an Königsmördern; 20. zu Flüchtlingen; 21. zu entlaufenen Unfreien (Sklaven); 22.-23. zur Bestrafung von Heeresflüchtigen und Befehlsverweigerern; 24. zur Bestrafung von Verwandtenmördern; 25. zur Flucht von Unfreien über bewachte Grenzen und deren Bestrafung; 26. zur Bestrafung von Verwandtenmördern; 27. zur Bestrafung von Mord am socius; 28. zu Strafen bei Ehebruch; 29. zum Ehebruch mit Blutsverwandten; 30. zu absichtslosem Mord; 31. zu Viehdieben; 32. zu Mannes- oder Frauenräubern; 33. zum Kreuz als Schlacht- und Siegeszeichen; 34. zum unmittelbaren Aufbruch nach Erhalt eines Kampfbefehles durch einen Boten; 35. zu besonderen Gebräuchen beim Zug in den Krieg; 36. Verweis auf Kapitel 34; 37. Hinweise auf übersandte Bücher; 38. zum Gebet beim Kampf; 39. zu Verwandtschaftsgraden, die eine Ehe behindern; 40. zum Überprüfen der Kriegsausrüstung im wörtlichen und übertragenen Sinn; 41. zu denen, die das Christentum nicht annehmen wollen und das Verhalten der Christen hierzu; 42. zu Speisegewohnheiten des bulgarischen Königs; 43. über zum Essen zugelassene Tiere und Vögel; 44. zur Jagd in der Fastenzeit; 45. zu Gerichtssitzungen in der Fastenzeit mit Verweis auf Kapitel 12; 46. zum Krieg in der Fastenzeit; 47. zu Possenspielen in der Fastenzeit; 48. zu Hochzeiten und Gelagen in der Fastenzeit; 49. zu Gebräuchen und Lebensweisen vor der Bekehrung; 50. zum Geschlechtsverkehr in der Fastenzeit; 51. zum Verbot, gleichzeitig zwei Frauen zu haben; 52. zur Strafe bei Entmannung; 53. zu Kreuzzeichen von Laien über dem Tisch; 54. zur Gebetshaltung gemäß griechischer Sitte; 55. zum Empfang der Kommunion ohne Gürtel gemäß griechischem Gebot; 56. zu Fasten und Gebet bei Dürre; 57. zum Verbot der Griechen, Vieh durch Eunuchen schlachten zu lassen; 58. zum Verhüllen des weiblichen Hauptes in der Kirche; 59. zum Tragen von Beinkleidern; 60. zum Fasten bis zur dritten Stunde; 61. zu Gebetszeiten; 62. zur Verwendung eines Steines bei Krankheiten; 63. zur Erlaubnis des Beischlafes an Sonntagen; 64. zur sexuellen Enthaltsamkeit nach der Niederkunft gemäß Papst Gregor (I.) (JE 1843); 65. zur Nüchternheit beim Empfang der Kommunion; 66. zum Verbot der Griechen, mit Kopfbedeckung eine Kirche zu betreten; 67. zur Leistung von Schwüren; 68. zum Betreten der Kirche nach der Niederkunft gemäß Papst Gregor (I.) (JE 1843); 69. zu Festzeiten für Tauffeiern und zugehörigen Abstinenztagen; 70. zu verheirateten Priestern und zur Behandlung durch Laien; 71. zum Empfang der Kommunion von einem Priester, der Ehebruch begangen habe; 72. zur Einsetzung von Bischöfen, eventuell eines Erzbischofs in den (bulgarischen) Gebieten nach Rückkehr der päpstlichen Legaten; 73. zur Weihe eines Patriarchen, Erzbischofs oder Bischofs und die Verleihung des Palliums durch den Papst; 74. zum Abschluß des Gebetes bei Feindesalarm; 75.-76. zu dem den entsandten Bischöfen mitgegebenen Bußkatalog und den Meßbüchern; 77. zum griechischen Verfahren, Wünsche zu ermitteln (Bibelstechen); 78. zur Annahme der Buße von ursprünglichen Gegnern des christlichen Glaubens; 79. zur Verwendung von Halsbändern und Amuletten; 80. zu Friedensangeboten und -schlüssen; 81. zu Bündnissen und Verträgen; 82. zur Gemeinschaft und Bündnissen zwischen Christen und Heiden; 83. zu Gericht und Urteilen; 84. zum Urteil über Verleumder; 85. zur Barmherzigkeit gegenüber jemandem, der ein todbringendes Getränk verabreicht hat; 86. zu leugnenden Dieben und Räubern und der gewaltsamen Abpressung eines Geständnisses; 87. zum Verbot, eine Witwe gegen ihren Willen zur Nonne zu machen; 88. zum Beten für verstorbene Ungläubige; 89. zur Darbringung der ersten Früchte; 90. zum Fleischgenuß von nicht mit dem Messer geschlachteten Tieren und Geflügel gemäß Augustinus; 91. zum Verzehr von Tieren, die gemeinsam von Christen und Heiden gejagt und erbeutet wurden; 92. zu den Patriarchaten als Apostelgründungen: Rom, Alexandria und Antiochien, einschränkend Jerusalem und Konstantinopel; 93. zum Patriarchen von Alexandria als zweitem Patriarchen nach Rom; 94. zu dem angeblich nur in griechischen Gebieten hergestellten Chrisma; 95. zur Flucht in die Kirche und zum Asylrecht; 96. zum Verbot, seine Frau außer bei Ehebruch zu verstoßen; 97. zum Verhalten des Herrn gegen den Sklaven als Widersacher; 98. zum Begräbnis und Meßopfer für Selbstmörder; 99. zur Beisetzung von Christen im Kirchengebäude gemäß Papst Gregor (I.); 100. zum Transport eines im Krieg Gefallenen nach Hause zum Begräbnis; 101. zur Gewährung von Almosen; 102. zur gewaltsamen Bekehrung von Heiden; 103. zur Aufbewahrung von heidnischen Schriften; 104. zur Taufe durch einen Juden; 105. zur Bestrafung der Übertreter apostolischer Vorschriften; 106. zur Übermittlung des wahrhaften Glaubens, zur Entsendung der mit Büchern ausgestatteten Legaten (Paul von Populonia und Formosus von Porto), zu den verschiedenen Lehren, die aus verschiedenen Gegenden (nach Bulgarien) getragen worden seien. – Nikolaus (I.) hofft abschließend, alle Fragen ausreichend beantwortet zu haben und verweist auf den bald einzusetzenden Bischof.

Incipit:
Ad consulta vestra non multa ...
Empfänger:
Bulgaren

Überlieferung/Literatur

Orig.: –.

Kop.: 9. Jh., Rom Bibl. Vat.: Cod. Vat. lat. 3827, fol. 195r-205v (neue Foliierung); 16. Jh., Rom Bibl. Vallicelliana: J 49 fol. 323r-330v (fragm., 41 Capitula); 16. Jh., Rom Bibl. Vallicelliana: Q 6 p. 361-379; Ende 16. Jh., Rom Bibl. Vat.: Cod. Vat. lat. 3554 fol. 260r-288v; 16. Jh., Rom Bibl. Vat.: Cod. Chigi C. VIII 239 fol. 236r-278v; 17. Jh., Rom Bibl. Vallicelliana: C 23 fol. 273r-291v und 177v-178r (fragm.).

Erw.: Lib. pont. (Duchesne II 164f.; Přerovský III 432); Brief Johannes’ VIII. (von 879 Juni 8) (JE 3261; MG Epist. VII 153f. n. 192); Brief Johannes’ VIII. von 879 Juni Ende-Juli (JE 3265; MG Epist. VII 158f. n. 198); Brief Innozenz’ III. von 1202 Nov. 27 (Innozenz, Register V, 228 n. 115); Brief Innozenz’ III. von (1204) Sept. 15 (Innozenz, Register VII, 204 n. 127); Thomas Ebendorfer, Chr. pont. Rom. (MG SS rer. G. NS XVI 297).

Drucke: Carafa, Epist. III 237; Conc. coll. reg. XXII 433; Labbe-Cossart, Conc. VIII 516; Hardouin, Acta Conc. V 353; Mansi, Coll. XV 401; Migne, PL CXIX 978; Kukuljević, Cod. dipl. Croatiae I 51 (fragm.); MG Epist. VI 568-600 n. 99; Responsa Nicolai I. papae (Detschew 1-125) (mit bulg. Übers.); Acta Rom. Pont. (Tàutu 661-682 n. 328) (fragm.); Fontes Bulgaricae VII 65-125; Ratkoš, Pramene 157-159 n. 35 (fragm.); Simonsohn, Apostolic See and the Jews 1 29-31 n. 32 und 33 (= cap. 10/11 und 114).

Reg.: J 2123; Anal. iur. pont. X 142 n. 121; JE 2812.

Lit.: Koeniger, Militärseelsorge 40f.; Perels, Nikolaus 157f. und 161-163; Browe, Sexualethik 24, 46, 56 und 119; Haller, Nikolaus 83; Rupp, Chrétienté 18f. und 22; Metz, Couronne et anneau 116, 118 und 123; Boelens, Klerikerehe 90f.; Prinz, Klerus und Krieg 21f; Gaudemet, Lien matrimonial 90f.; Dujčev, Diplômes bulgares 17-26; Leisching, Inhalt der Responsa 241-248; Heiser, Responsa ad consulta (mit Übers.); Felten, Äbte und Laienäbte 29f.; Bishop, Nicholas 28, 174-176, 209, 211, 222f., 252f., 348f.; Döpmann, Streit zwischen Rom und Byzanz 66f., 70; Vartolomeev, Responsi 349-357; Magyar, Questio Bulgarica 852-856; Sansterre, Missionaires latins 377-386; Tapkova-Zaimova/Simeonova, Cultural policy 160f.; Wood, Christians und Pagans 52, 60 und 63f.; Holmes, Nicholas’ I Reply 569f.; Albareda, História de Montserrat 447; Sheehan, Bishop of Rome to a Barbarian King bes. 188-199 (ND 279-291); Herbers, Nikolaus und Photios 67-70; Halfter, Papsttum und die Armenier 85; Heidecker, Kerk, huwelijk en politieke macht 182f.; Esmyol, Geliebte 164 Anm. 129, 225f. Anm. 53 und 253; Scholz, Politik 209; Hack, Cod. Carolinus I 332 Anm. 590; Ubl, Doppelmoral 107 Anm. 66; Schrör, Metropolitangewalt 56f., 76, 140-142, 201, 218, 231; Herbers, Wasser 71 mit Anm. 25; Herbers, 866 – Bulgarien 16 und 19-21; Herbers, Ost und West 63.

Kommentar

Zur ältesten Handschrift, die aus Beauvais stammt und die inzwischen dem 9. Jahrhundert zugewiesen ist, vgl. allgemein Hartmann in MG Conc. III 349 und Mordek, Bibl. capitularium 858-863 bes. 862 sowie schon Perels, Briefe I 541f. und Jasper, Beginning 114f.; zu den weiteren Hss. vgl. Perels I 545 und Jasper 115. Zur Hs. Rom Bibl. Vat.: Ms. Chigi Cod. C. VIII 239 vgl. Mordek 754-756. Neben den aufgeführten Handschriften überliefern einige Sammlungen lediglich Teile des Schreibens, meist mit einem speziellen kanonistischen Interesse. Diese Belege können hier nicht vollständig aufgeführt werden, vgl. hierzu die Anm. der angegebenen Editionen, woraus die insgesamt breite Nachwirkung der Responsa deutlich wird. Zu einer unlängst entdeckten Insertüberlieferung in der Rezension C des Coll. can. Anselms von Lucca vgl. Landau, Rezension C 44. So verweist auch die oben angeführte späte Fassung des Lib. pont. (Přerovský III 432) auf kanonistische Überlieferungen im Decretum Gratiani, ähnliche Hinweise, deren Sichtung nicht vollständig erfolgen konnte, bietet die angegebene Passage bei Thomas Ebendorfer in seiner Papstchronik. Zur Überlieferung in der 74-Titel Sammlung (Codex Guarnerius) vgl. Blumenthal, Codex Guarnerius 29f. Kapitel 101 hat in einigen Hss. einen ausführlicheren Text. Zu den zahlreichen Zitaten aus den Väterschriften und Kanones vgl. ebenso die Anm. der Editionen; zur Rezeption bei Gratian jetzt auch Hartmann, Kirche und Kirchenrecht 35. Die Erwähnung im Lib. pont. geht eher auf die Anfrage der Bulgaren ein (n. 804) und bleibt zur päpstlichen Antwort vage. – Das Schreiben ist eines der wenigen ausführlichen Lehrschreiben, das in den Antworten auf die Anfragen, die vielleicht eine abweichende Zahl hatten (vgl. n. 804), sowohl eigene römische wie auch – teilweise zurückgewiesene – Positionen der Griechen erkennen läßt und weiterhin wegen der Bemerkungen zu Sitten und Gebräuchen auch von unschätzbarem kulturgeschichtlichem Wert ist. Als Verfasser des Lehrschreibens ist wohl Anastasius Bibliothecarius anzunehmen, vgl. bereits Lapôtre, De Anastasio bibliothecario 131, weiterhin Perels 307 mit Anm. 3 sowie zusammenfassend Heiser 69-72. Zur Einordnung und zur Interpretation vgl. neben Leisching (242 zu Rechtsquellen und 242-248 Gliederung in vier thematische Bereiche) vor allem Heiser, der die Responsa in drei Blöcken „Glaube und Kult", „Recht und Moral" sowie „Kirchliche Organisation" untersucht und zuvor eine Einordnung in den kirchengeschichtlichen Zusammenhang sowie eine Interpretation der Argumentationsweisen bietet (vgl. dort im Anhang 400-488 eine Übertragung der Responsa ins Deutsche); vgl. auch zur allgemeinen Einordnung Sansterre und Herbers, 866 – Bulgarien 21 mit der Überlegung inwieweit das Schreiben vielleicht der Missionierungspraxis dienen sollte. Die meisten weiteren angegebenen Literaturtitel beziehen in der Regel zu einzelnen Bestimmungen Stellung: vgl. Sheehan zu cap. 3 (insbesondere zu Unterschieden bezüglich der Vorstellungen in den pseudoisidorischen Fälschungen und der langfristigen Rezeption zu den ersten Passagen bezüglich einer öffentlichen Heirat), relativierend hierzu Esmyol, allgemein zu cap. 2, 3 imd 51 Heidecker. Vgl. weiterhin Browe zu cap. 3, 68, 63, 99, Herbers, Wasser zu cap. 6, Ubl zu cap. 28, Vartolomeev zu cap. 14, Koeniger zu cap. 35, Prinz zu cap. 38, Rupp zu cap. 72, Herbers, 866 – Bulgarien zu cap. 72, 73 und 92 (besonders zum angestrebten Patriarchat des Bulgarenfürsten), Boelens zu cap. 70, Schrör zu cap. 73, Schieffer zu cap. 92, Felten zu cap. 101; Magyar vor allem zu kirchenpolitischen Aspekten. Dujčev erschließt aus der Antwort die Form der Anfrage, vgl. n. 804. Vgl. zu den Bestimmungen über Verlobung und Hochzeit in cap. 3 vor allem Metz (zu Kronen bei Hochzeiten) und Holmes; Wood thematisiert hauptsächlich vergleichende Fragen zur Mission. Hack unterstreicht zu cap. 38, daß Beten vor einer Schlacht zuweilen für wichtiger als der Kampf selbst gehalten wurde. – Zum größeren Zusammenhang im Rahmen der Ost-West-Auseinandersetzungen vgl. Heiser und Herbers, Nikolaus und Photios sowie die weiteren Regesten zur Bulgarenmission (vor allem n. 833, n. 850 sowie das Register s. v.). Übermittelt wurde das Schreiben durch die päpstlichen Legationen, deren Namen im Lib. pont. (Duchesne II 164) genannt sind (n. 833), woraus sich zusammen mit Berücksichtigung der Anfrage die Datierung entsprechend der weiteren zeitgleichen Briefe nach Byzanz ergibt.

Nachträge

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Empfohlene Zitierweise

RI I,4,2 n. 822, in: Regesta Imperii Online,
URI: http://www.regesta-imperii.de/id/d1690687-4f24-4172-940d-986412538fa8
(Abgerufen am 29.03.2024).