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RI I Karolinger 715-918 (926/962) - RI I,4,2

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Papst Leo (IV.) antwortet auf briefliche Anfrage den Bischöfen der Bretagne (episcopis Britanniae): (1) er bestätigt mit Lob für den Eifer der bretonischen Kirche den Empfang der bischöflichen Legation, (2) verneint bezüglich der Simonie die Möglichkeit der Buße, verweist dafür in Übereinstimmung mit Konzilsbeschlüssen auf die Bischofskonzilien, (3) erinnert mit Berufung auf Papst Silvester (I.) an die Vorschrift zur Verurteilung von Bischöfen durch zwölf Bischöfe oder 72 Zeugen sowie an das Reservatrecht Roms, (4) erläutert, wer zum kirchlichen Stand (ecclesiasticus ordo ) gehöre, (5) bestimmt zur Leitung von Pfarreien (parrochia ) unter bischöflicher Aufsicht stehende Priester, (6) bestätigt mangels anderer Fundstellen, daß jeder Priester nach Gefallen Gaben (eulogia ) zum Konzil bringen könne, (7) verbietet in Übereinstimmung mit den Canones unter Anathem die Wahrsagerei (... expetentia autem divinationem vel maleficiorum), (8) untersagt mit Berufung auf (Papst) Gregor (II.) Verwandtenehen unter Anathem, (9) betont die Untrennbarkeit der Ehe, erlaubt die Scheidung nur bei gegenseitigem Einverständnis und ohne Erlaubnis zu einer Wiederverheiratung, (10) verbietet die Entfremdung von Kirchengütern, (11) befiehlt die Einrichtung einer Titelkirche im Falle des Besitzes mehrerer Kirchen, (12) schreibt die Zahlung von Zehnten für Taufkirchen vor, (13) grenzt die wöchentlichen Fastenzeiten genauer ein, (14) nennt die Canones und Dekretalen namentlich aufgeführter Konzilien und früherer Päpste als Texte, die auch beim Bischofsgericht zu benutzen seien; dabei verweist er insbesondere auf die Schriften der Kirchenlehrer Hieronymus, Augustinus und Isidor (von Sevilla) oder auf die Entscheidung durch den römischen Stuhl.

Incipit:
Quanto studio, quantaque sollertia gregem ... ([R]equiritis de his qui turpissimo ...) (Nullam dampnationem episcoporum esse umquam ...) (Primo quidem capitulo dictum, cui ...) (Regenda est vero unaqueque parrochia ...) (De eulogiis ad sacra deferendis concilia ...) (De expetentia autem divinationum vel ...) (Ut definitum est a patribus ...) (Scriptum est: 'Quod Deus coniunxit ... ') (Eas possessiones vel predia, que ...) (Ecclesia, qui plures retinet, una ...) (De decimis iusto ordine non ...) (De esu carnium est aput ...) (De libellis et commentariis aliorum ...) .

Überlieferung/Literatur

Orig.: -. Kop.: 9. Jh., Rom Bibl. Vat.: Cod Vat. lat. 3827. fol. 111r-v; 16. Jh., Rom Bibl. Vallicelliana: C 24 fol. 123r-123v (1-8); 17. Jh. Rom. Bibl. Vallicelliana C 23 fol. 12r-12v (1-8). Insert: JE 2708 [fragm., nur 1. Teil von (2)]; Anselm von Lucca, Coll. can., Rezension C, III 124, V 35, VIII 10 (Landau, Bull. of Medieval Canon Law N.S. 16/1986, 31 und 42) [fragm., nur (12) und (14)]; Coll. Brit. (Ende 11./Anf. 12. Jh., London Brit. Lib.: Ms. add. 8873 fol. 163v-165r) [fragm., nur (2), (3), (5)-(6), (8)-(14), (7) (2.Teil)]; Ivo von Chartres, Coll. tripartita (Ende 12. Jh., Paris Bibl. Nat.: Ms. lat. 3858B fol. 60v-61r; Anf. 13. Jh., Berlin StBibl. Preuß. Kulturbesitz: Ms. lat. Fol. 197 fol. 79v-80r [fragm., nur (2), (3), (5), (6); (11)-(14), (7) (2. Teil)]; Ivo von Chartres, Decretum V 115, V 116, IX 11, III 151, IV 72, XI 8 (Migne, PL CLXI 363, 659f., 233, 283f., 747) [fragm., nur (2), (3), (8), (12), (14), (7) (2. Teil)]; Ivo von Chartres, Panormia II 118, VIII 70 (Migne, PL CLXI 1110f., 1323) [fragm., nur (14), (7) (2. Teil)]; Liber Canonum diversorum sanctorum patrum 54,8 (Motta 90) [fragm., nur (12)]; Coll. canonum altera in 5 libris I, 31, 6 (Wolf von Glanwell, Kanonessammlung Cod. Vat. lat. 1348, 13) [fragm., nur (12)]; Deusdedit, Coll. III 63 (Wolf von Glanwell 294) [fragm., nur (12)]; Polycarpus III 11, 10 und III 205 (künftig Fuhrmann, vgl. Horst, Polycarpus 136) [fragm., nur (12) und (14)]; Gratian, Decretum C. 1 qu. 7c. 5; C. 2 qu. 4 c. 3; C. 10 qu. 1 c. 4; D. 18 c. 8; C. 21 qu. 1 c. 3; C. 16 qu. 1 c. 45; D. 3 de cons. c. 11; D. 20 c. 1; C. 26 qu. 5 c. 7 (Friedberg 1430, 466, 613, 56, 853, 774f., 1355, 65f., 1029) [fragm., nur (2), (3), (5), (6), (11)-(14), (7) (2. Teil)]; Sententiae Sidonenses (13. Jh., Cod. Vat. lat. 1345 fol. 130v [fragm., nur 12] und 136r [fragm., nur (14)]). Erw.: Prudentius von Troyes, De praedestinatione contra Joannem Scotum cognomento Erigenam (Migne, PL CXV 1043); Synodalschreiben an die bretonischen Bischöfe von Savonnières von 859 Juni 14 (MG Conc. III 480); Anonymus Zwetlensis, Hist. Rom. pont. (Migne, PL CCXIII 1022). Drucke: Carafa, Epist. II 769-770 [fragm., nur (1)-(8)]; Baronius, Ann. eccl. a. 855 [fragm., (1)-(8), (14)]; Sirmond, Conc. Gall. III 72-74 [fragm., nur (1)-(8), (14)]; Conc. coll. reg. XXI 564-567; Labbe-Cossart, Conc. VIII 30; Morice, Mémoires Bretagne I 289; Mansi, Coll. XIV 882-884 [fragm., nur (1)-(8), (14)]; Migne, PL CXV 667-669 [fragm., nur (1)-(8), (14)] und 674 [fragm., nur (12) und (13)]; Birch, Cart. Sax. II 42 n. 456 [fragm., nur (1), (4)-(8), (14)]; MG Epist. V 593-596 n. 16 (= MG Conc. III 187-189), Herbers, Leo 458-460. Reg.: Bréquigny, Table I 229; J 1977, 2003, 2004; Ewald, Brit. Sammlung 283 n. 16 und 284f. n. 18; JE 2599. Lit.: Langen, Pseudo-Isidor 473ff.; Dümmler, Ostfränk. Reich I 341; Merlet, Emancipation 9-11; Levillain, Réformes ecclésiastiques 237f., 249-254; Lot, Schisme breton, 86f.; Lot-Halphen, Charles le Chauve 215f.; Duchesne, Fastes II 263-265; Duine, Schisme breton 445; Mann, Lives II 296f.; Pocquet-du-Haut-Jussé, Papes et Bretagne 6f.; Durtelle de Saint-Sauveur, Hist. Bretagne I 1 68f.; Fuhrmann, Pseudoisidorische Fälschungen 242; Chédeville, Chrétienté 36; Landau, Rechtssammlungen 41; Smith, Province and Empire 154f, 178-180f.; Herbers, Leo 67-78, 324-332.

Kommentar

Zur Überlieferung des größten Teils der Schreiben (1)-(8) in den Hss. und zum Vergleich mit der kanonistischen Überlieferung vgl. Herbers (dort auch 495 eine Tabelle zur kanonistischen Überlieferung; irrig bei Kap. 4 ein "X" in der Spalte zur Coll. Brit.). Vgl. zur Überlieferung im Vaticanus jüngst auch Mordek, Bibl. capitularium 862. Zur Überlieferung einzelner Fragmente bei Ivo, Deusdedit und Polycarp vgl. ergänzend zur MG-Edition auch Horst, Polycarpus 221 mit Verweisen. Zur Coll. Brit., deren Auszüge die früher noch angezweifelte Ansicht nahelegen, daß alle Fragmente wahrscheinlich zu einem einzigen Schreiben gehören, vgl. die Korrekturen von Hampe, Reise 226 zu Ewalds irrtümlich zweigeteiltem Regest und zu dessen somit hinfälligen Annahmen bezüglich der Arbeitsweise des Zusammenstellers der Coll. Brit. Ob das bislang nicht identifizierte Fragment eines Papstes Leo in einer Kanonessammlung aus Leipzig (Paxton, Dossier 4) auf Abschnitt 12 zu beziehen ist, bleibt unklar. Das Schreiben dürfte als Reaktion auf die Anfrage> der bretonischen Bischöfe ergangen sein, die bezüglich des Simonievorwurfes einige Vertreter nach Rom entsandt hatten. Ob jedoch mit der Formulierung ... nunc divina gratia hi confratres nostri videlicet talium et tales ecclesiarum praesules adnos perducti et cogniti ... die durch den Bericht der Gesta Conwoionis als Boten bekannten Bischöfe Susannus von Vannes und Felix von Quimper gemeint sind, wie Merlet, Emancipation 9 Anm. 3 annahm, bleibt ungewiß, vgl. n. 166 . Zur Identifizierung früherer päpstlicher und konziliarer Entscheidungen vgl. besonders den Anmerkungsapparat von Hartmann (MG Conc. III 187-189). Vgl. auch die Zurückweisung eines früher angenommenen Einflusses der pseudoisidorischen Dekretalen bei Fuhrmann. Der Anonymus Zwetlensis scheint sich in seinen Erwähnungen auf Punkt (14) zu beziehen.-Mit den Britischen Inseln hat das Schreiben sicherlich nichts zu tun, vgl. jedoch irrig Lamb, Canterbury 167. Dagegen spricht auch, daß der zeitgenössische Bischof Prudentius von Troyes (843/46-861) in seiner nur summarischen Erwähnung die Adresse ergänzt und schreibt: Leo ad episcopos Britannorum, qui Galliae inferiores partes incolunt.-Die päpstliche Antwort auf die nicht erhaltene, hier aber erwähnte Anfrage der bretonischen Bischöfe gliedert sich in zwei Hauptabschnitte. Die Passagen (1)-(3) beziehen sich konkret auf die bretonische Kirche und das Simonieproblem sowie die Absetzung von Bischöfen, (4)-(14) auf weitere, jedoch allgemein kirchenrechtliche Fragen, vgl. auch die entsprechende Druckgestaltung bei Sirmond und Mansi sowie Pocquet-du-haut-Jussé 6. An das allgemeine päpstliche Lob auf den Zustand der bretonischen Kirche in (1) schließt sich die Beschreibung des Einflusses von Laien an, die Lot-Halphen 213 Anm. 2 und 215 mit dem Bretonenherzog Nominoë († 851) und dessen Sohn Erispoe (851-857) identifizieren will. In diesem Zusammenhang erinnert der Papst an seine früheren (nicht erhaltenen) Antworten an diese Laien, vgl. Duchesne. Das in (3) genannte Verfahren für eine rechtskräftige Absetzung wird in ähnlicher Form auch im Bericht des Chr. Namnetense (vgl. n. 204 ) erwähnt; zu Abweichungen in den verschiedenen Überlieferungen vgl. Herbers. Im zweiten Hauptteil (4)-(14) fehlt weitgehend Konkretes bezüglich der Bretagne, will man nicht z. B. mit Duchesne annehmen, die Eingrenzung des ecclesiasticus ordo auf Bischöfe und Kleriker in (4) richte sich gegen den Laien Nominoe sowie den Mönch Conwoion, und sieht man weiter von den in (6) genannten Eulogien ab, die in der Bretagne vielleicht den Anstoß oder Vorwand für das sogenante "bretonische Schisma" gegeben haben könnten. Interpolationen in Kapitel (11) nimmt Landau mit Verweis auf das Konzil von Piacenza (1095) an. Zur Berufung auf Papst Gregor II. in Kapitel (8) und (14) vgl. die Untersuchung der Nachwirkung von dessen Brief an Bonifatius über Eheangelegenheiten bei Kelly, Pope Gregory II on Divorce and Remarriage 205 und passim. Zu (9) vgl. allgemein Freisen, Eherecht 790f.; zu (10) Pöschl, Kirchengutsveräußerungen 32.-Das Schreiben ist gleichzeitig mit n. 204 einzuordnen, denn Nikolaus I. erwähnt in JE 2708 beide Schreiben als eodem tempore, vgl. n. 204 . Wichtiger ist jedoch die Nennung bei Prudentius von Troyes, der den Papstbrief als vor drei Jahren (ante triennium ) ergangen verzeichnet. Dieser Datierungshinweis läßt sich jedoch nur verwenden, wenn die Abfassungszeit des Werkes feststeht. Während Schrörs, Hinkmar 117 Anm. 30 das Werk von Prudentius mit Hilfe des vermuteten Datums der Gesandtschaft Conwoions (n. 166) datiert und deshalb für neue Datierungsüberlegungen wertlos ist, hat Levillain 250f. aufgrund weiterer bei Prudentius erwähnter Briefe an Hinkmar von Reims und Pardulus von Laon (Migne, PL CXV 1156) das Gesamtwerk auf 851 angesetzt. Lot-Halphen 213 Anm. 3 legten das Werk des Prudentius sogar auf November 851, woraus sich eine Datierung des Briefes auf Ende 848 ergibt.-Nach der Rückkehr, jedoch nicht vorher, wie Levillain behauptet und Hartmann (MG Conc. III 185) als Möglichkeit ins Auge faßt, erfolgte wohl die von Nominoe betriebene Absetzung von wohl fünf bretonischen Bischöfen (zur Zahl vgl. Smith, Province and Empire 155f.). Gegen eine vorherige Absetzung sprechen nicht nur verschiedene Berichte der erzählenden Quellen (vgl. n. 202 ), sondern vor allem der Brieftext selbst. Nichts erfahren wir von einer vollzogenen Absetzung, sondern lediglich von der Möglichkeit einer Appellation an den römischen Stuhl.

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Empfohlene Zitierweise

RI I,4,2 n. 203, in: Regesta Imperii Online,
URI: http://www.regesta-imperii.de/id/0848-00-00_7_0_1_4_2_203_203
(Abgerufen am 19.04.2024).