Regestendatenbank - 201.916 Regesten im Volltext

RI I Karolinger 715-918 (926/962) - RI I,3,2

Sie sehen den Datensatz 267 von insgesamt 653.

Synode des Papstes Johannes (IX.) mit über 70 Bischöfen in Anwesenheit Lamberts (una cum spirituali filio nostro gloriosissimo videlicet imperatore Lamberto) und allgemeines Treffen. (I) Die unter dem Vorsitz des Papstes tagende Synode erkennt die Weihe Lamberts zum Kaiser ausdrücklich an, während diejenige Arnulfs als erpreßt verworfen wird (c. 6), und schärft die Anwesenheit kaiserlicher Missi bei der Weihe eines neu gewählten Papstes ein (c. 10). (II) Kaiser und Papst verkünden nach Billigung durch das sanctum collegium der Bischöfe (fratres carissimi) folgende Beschlüsse: Cap. 1. Die kirchlichen und weltlichen Bestimmungen über die Leistung des Zehnten insbesondere an die Taufkirchen sind bei Strafe der Exkommunikation einzuhalten. Cap. 2. Der ungehinderte Verkehr aller Römer zum Kaiser (ad nostram imperialem maiestatem) in anhängigen Streitfällen, die der Kaiser persönlich oder durch seine Boten entscheiden kann, wird eingeschärft. Cap. 3. Das Kaiserprivileg für die Römische Kirche soll bestätigt und eingehalten werden (nunc a nobis firmetur et diebus nostris ... immutilatum servetur). Cap. 4. Die Formosus betreffenden Beschlüsse der zur Zeit Lamberts (vestris diebus) tagenden römischen Synode sollen die Zustimmung des Kaisers und der ganzen Versammlung finden (vestro imperiali consensu et venerabilium episcoporum et optimatum vestrorum roboretur). Cap. 5. Die zahlreichen Gewalttaten, unter denen die päpstlichen Gebiete (territoria nostra) zu leiden haben, sollen von Lambert untersucht und abgestellt werden. Cap. 6. Das von Wido und Lambert (a beatae memoriae vestro genitore domino Widone et a vobis piissimis imperatoribus) abgeschlossene Pactum (mit der Römischen Kirche) soll jetzt volle Gültigkeit erlangen (nunc reintegretur et inviolatum servetur), Cap. 7. Einige Präzepte (praecepta nonnulla), die im Pactum aufgeführte Orte und Dinge unrechtmäßig in Frage stellen, sollen nach ihrer Überprüfung ungültig gemacht werden (corrumpantur). Cap. 8. Die (der Römischen Kirche) unrechtmäßig entfremdeten Besitzungen (quasi per praecepta largita sunt) sollen zurückgegeben werden. Cap. 9. Die auf dem Gebiet des Hl. Petrus (in territoriis beati Petri) hausenden, die apostolische und kaiserliche Autorität mißachtenden Bünde (illicitas coniunctiones) von Römern, Langobarden und Franken sollen durch kaiserliches Dekret (vestro augustali decreto) und Synodalbeschluß verboten werden. Cap. 10. Der Armut und Bedrückung der Römischen Kirche in ihren vielfältigen Formen soll Lambert - auch zur Festigung seiner eigenen Herrschaft (ad stabilitatem imperii vestri) - abhelfen. - Schlußaufruf des Papstes: Die Bischöfe sollen die Beschlüsse einhalten, in ihren Diözesen Fasten ansagen und für den Frieden und den Kaiser beten lassen, damit die Kirche Schutz und Erhöhung finde (ad protectionem et exaltationem sanctae suae ecclesiae spiritualem filium nostrum excellentissimum scilicet imperatorem Lambertum conservet ... Iesus Christus dominus noster).

Überlieferung/Literatur

(I) Maßgeblicher Druck: Mansi, Sacrorum concil. nova collectio XVIIIA, Sp. 221-226. - Regg.: J-L I, S. 442; II, S. 705; Werminghoff, Verzeichnis, S. 663; Morossi, L'assemblea nazionale, S. 462 Nr. 54. Erwähnt wird das Konzil auch von Piloni, Historia di Belluno, fol. 63r. Vgl. Hefele/Leclercq IV/2, S. 717f.; Hartmann, Synoden, bes. S. 393; Mordek, Bibliotheca, S. 269, 889. (II) Maßgeblicher Druck: MGH Capit. II, Nr. 230 S. 123-126 ("Synodus Ravennas"). - Reg.: Werminghoff, Verzeichnis, S. 663. Vgl. Invectiva in Romam, ed. Dümmler, S. 153; Auxilius, In defens. I, 8, ed. Dümmler, S. 69; Append. ad Auxil., ebd. S. 95; Auxilius, Infensor c. 29, Migne, PL 129, Sp. 1098; Flodoard, De Christi triumphis XII, 7, Migne, PL 135, Sp. 831A. - Vgl. Hefele/Leclercq IV/2, S. 717f.; Hartmann, Synoden, S. 390-395; Mordek, Bibliotheca, S. 269f., 890.

Kommentar

Die zeitliche Abfolge der von Johannes IX. veranstalteten Synoden und die Zuweisung der erhaltenen Synodalakten zu der einen oder anderen von ihnen ist wegen der komplizierten Überlieferungslage strittig; vgl. Hartmann, Synoden, S. 390-395. Daß Johannes IX. schon bald nach seiner Erhebung eine Kirchenversammlung in Rom einberufen hat (nach seinem Epitaph waren es deren insgesamt drei; auch Flodoard, a.a.O., erwähnt deren drei), ist auch dann nicht rundheraus abzulehnen, wenn die unter (I) zitierten Akten zur Synode von Ravenna gehören sollten. In den ravennatischen Synodalakten ist ausdrücklich von einer römischen Synode, die sich mit Formosus befaßt habe, die Rede (c. 4) - allerdings ohne näheren Hinweis auf den Veranstalter (Theodorus II., von dem es in den Einlassungen der Bischöfe ausdrücklich heißt: ut legatur synodus acta a Theodoro papa: Mansi, a.a.O., Sp. 221 B, oder eben Johannes IX.); vgl. Hartmann, Synoden, S. 390. - Die Anwesenheit Lamberts in Ravenna, die sich aus der einleitenden Rede des Papstes ergibt, findet in Schiaparelli, I Diplomi di Lamberto, Nr. 8, von 898 Mai 21, Ravenna (Reg. 1059), ihre Bestätigung, wodurch sich auch die zeitliche Einordnung zu etwa Mitte Mai ergibt. Möglicherweise befindet sich Lambert erst damals auf der Rückreise von Mittelitalien in den Norden. - Die Capitula sind so aufgebaut, daß zunächst der Kaiser seine Schutzverpflichtung für die Römische Kirche bekräftigt (cc. 1-3), dann der Papst mit weiteren Bitten an den Kaiser herantritt (cc. 4-10); vgl. Fanta, Verträge, S. 111. - Die sich auf cc. 3 u. 6 stützende Annahme, daß Lambert in Ravenna auch das Pactum mit der Römischen Kirche durch die Ausstellung einer Urkunde erneuert habe ( Schiaparelli, I Diplomi di Lamberto, Diplomi perduti, Nr. 6, S. 108), ist nicht zwingend. Allerdings läßt der Terminus firmetur (c. 3) darauf schließen, daß das ältere, von Lambert und Wido gemeinsam abgeschlossene Pactum (Reg. 927) damals eidlich bekräftigt wurde. Vgl. zur Pactum-Frage auch Schirmeyer, Kaiser Lambert, S. 73,86-88; Stengel, Entwicklung2, S. 219f., 240f.; Drabek, S. 60,63. Unklar ist auch, worum es sich bei den in cc. 7 u. 8 genannten Präzepten handelt. - Vgl. noch Dümmler, Geschichte III2, S. 429f.; Schirmeyer, Kaiser Lambert, S. 62ff.; Pivano, Stato e chiesa, S. 52f.; Hefele/Leclercq IV/2, S. 717f.; Duhr, Le concile de Ravenne, S. 541ff.; Leporace, Ageltrude, S. 144-149; Schulze, Kaiserpolitik, S. 55f.; Fasoli, I re d'Italia, S. 46ff.; Mor, L'età feudale I, S. 48, 97; Mor, Qualche problema, S. 126; Zimmermann, Papstabsetzungen, S. 60; Hiestand, Byzanz, S. 77-79. - Nicht einsehen konnte ich Patetta, Il capitolare di Lamberto.

Nachträge

Nachtrag einreichen
Einreichen
Empfohlene Zitierweise

RI I,3,2 n. 1057, in: Regesta Imperii Online,
URI: http://www.regesta-imperii.de/id/0898-05-00_1_0_1_3_2_1060_1057
(Abgerufen am 24.04.2024).