RI I Karolinger 715-918 (926/962) - RI I,3,2

Sie sehen den Datensatz 14 von insgesamt 653.

Berengar (von Friaul), an dessen Hof sich die Tochter der Kaiserin Angilberga, Irmingard, aufhält, ist maßgeblich am überraschenden Zustandekommen der Ehe zwischen Irmingard und Boso von Vienne beteiligt (Boso, postquam imperator ab Italia in Frantiam rediit, Berengarii, Everardi filii, factione filiam Hludouuici imperatoris Hyrmengardem, quae apud eum morabatur, iniquo conludio in matrimonium sumpsit).

Überlieferung/Literatur

Ann. Bertin. a. 876, ed. Grat, S. 201. - Nach Ann. Fulda. 878, ed. Kurze, S. 91, hätte Boso Irmingard geradezu geraubt: ... de Italia per vim rapuit. Die maßgebliche Initiative Karls d. Kahlen streicht dagegen Regino von Prüm, Chronicon a. 877, ed. Kurze, S. 252, heraus: Bosoni germano Richildis reginae Hirmingardam filiam Ludowici imperatoris in matrimonium iungit (scil. Karl d. Kahle).

Kommentar

Die Vorgänge um die aufsehenerregende Heirat zwischen Irmingard und Boso, der seinen auf ein Königtum abzielenden Herrschaftsanspruch durch die Ehe mit der "Erbtochter" des verstorbenen Kaisers legitimierte, sind strittig und angesichts der Quellenlage auch kaum endgültig zu erhellen. Seemann, Boso, S. 35-37, möchte iniquo conludio in iniquo concludio (?) emendieren und sieht in diesem Einschub nicht eine Verurteilung Bosos oder Berengars, sondern ein Werturteil Hinkmars (des Verfassers der Ann. Bertin.) über die unstandesgemäße Heirat Auch möchte er das apud eum auf Boso selbst beziehen, an dessen Hof sich Irmingard aufgehalten habe. Den Einfluß der Exkaiserin Angilberga beim Zustandekommen der Heirat vermutet Konecny, S. 127 f.: Boso sei ihr Wunschkandidat für ein vom Kaisertum losgelöstes italisches Königtum gewesen, weil sie sich durch ihn am ehesten den Schutz ihrer eigenen Stellung in Italien versprochen hätte. Plausibel erscheint auch die Annahme von Arnaldi, Berengario I, S. 4f., die Annäherung zwischen Berengar und Boso, die unabhängig von den sprachlichen Schwierigkeiten der zit. Stelle nicht zu leugnen ist, spiegele nach dem Scheitern der ostfränkischen Intervention und dem Tod Ludwigs II. von Ostfranken Ende August 876 den Versuch der beiden verfeindeten Lager wider, sich mit dem Status quo in Italien, der auf eine Teilung in zwei Interessenzonen hinauslief, abzufinden. Wahrscheinlich wollte Berengar seine Stellung im östlichen Oberitalien durch ein Bündnis mit Boso absichern. - Eine ganz andere Deutung erfährt der Passus der Annales Bertiniani wiederum bei Mohr, Boso, S. 145-148. Vgl. noch Dümmler, Geschichte III2, S. 78, 403; Poupardin, Le royaume de Provence, S. 73-78; Hirsch, Erhebung, S. 117-121; Seemann, Boso, S. 35-37; Hartmann, Geschichte III/2, S. 30f.; Hlawitschka, Nachfolgeprojekte, S. 24; Brühl, Eine angebliche Urkunde, S. 824.

Nachträge

Nachtrag einreichen
Einreichen
Empfohlene Zitierweise

RI I,3,2 n. 807, in: Regesta Imperii Online,
URI: http://www.regesta-imperii.de/id/0876-00-00_1_0_1_3_2_807_807
(Abgerufen am 19.04.2024).