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RI I Karolinger 715-918 (926/962) - RI I,2,1

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Karl, der die in seinem Reich entstandene Unruhe durch Männer, die zu seinem Bruder Ludwig (d. Dt.) überwechseln wollen, beseitigen und verschiedene zerstörte heilige Stätten wiederherstellen (quorundam etiam sanctorum loca vastata restaurare), insbesondere das in Schwierigkeiten befindliche Kloster Saint-Florent (-le-Vieil) (preclari et dilecti loci sanctissimi confessoris Christi Florentii) mit Hilfe des dortigen Abtes Radulf (eiusdem loci venerabili abbate Radulfo) wiedererrichten möchte, erinnert an die dem Kloster verliehenen Privilegien seines Großvaters Karl (d. Gr.) und seines Vaters Ludwig (d. Fr.) (BM2 786?), bedauert die wiederholten Zerstörungen und Brandstiftungen durch den Bretonen Nominoë (rebelli nostro crudelissimo Nemenoio Brittone), erinnert an seine eigenen Schenkungen an das Kloster, insbesondere an die Schenkung der Abtei Saint-Jean im Gau von Angers (in pago Andegavensi) mit den zugehörigen Fiskalgütern, und gewährt zusätzlich zu dieser Schenkung mit Zustimmung, ja auf Ermunterung des Bischofs Dido von Poitiers, der zuständig ist für den Gau von Mauges (pagus Medalgicus), in dem der genannte Ort liegt, und auch für den (Gau) Tiffauges (Teofalgicus), und des Bischofs Actard von Nantes, dem Kloster Saint-Florent und allen zugehörigen Kirchen in den genannten Diözesen die Exemtion von den Synodalabgaben (cuncta sinodali exactione); zum Ausgleich gewährt er den Bischöfen einen größeren Teil ihrer Städte (civitates), ohne daß die Grafen der entsprechenden Gaue für sich selbst oder den König Abgaben (comites ipsorum pagorum nichil pro comitatu suo vel nostro reditu) fordern dürfen, und belegt die genannten sowie die übrigen anwesenden Bischöfe, nämlich Amalrich (Amalrico) von Tours, Bernhard (Bernardo) von Limoges, Dodo von Angers, Ainardus (Aynardo) von Périgueux und Auzbert von Angoulême, mit dem Bann für den Fall der Zuwiderhandlung. -- Aeneas ad vicem Ludovici. -- M. -- a. r. 8, Ind. fehlt. -- „Cum regni nostri“ .

Originaldatierung:
(VI. Id. Iun., in loco qui dicitur Vetus Pictavis)

Überlieferung/Literatur

Angebl. Or., ungesiegelt, Angers, Arch. dép. de Maine-et-Loire, H 1835 (A) (ARTEM *5006). -- Kopien: Paris, BnF, Ms. lat. nouv. acq. 1930, „Livre noir“ von Saint-Florent, fol. 5r-v, Abschrift 11. Jh. (C2); Angers, Arch. dép. de Maine-et-Loire, H 3714, „Livre d'argent“ von Saint-Florent, fol. 26v, Abschrift 12. Jh., aus C2 (C3); Angers, Arch. dép. de Maine-et-Loire, H 3715, „Livre rouge“ von Saint-Florent, fol. 20, Abschrift 13. Jh. (C4); Paris, BnF, Ms. lat. nouv. acq. 1931, Chartular von Saint-Florent, fol. 5r-6r, Abschrift 15. Jh., aus C4 (C5); Paris, BnF, Coll. Baluze 41, fol. 105r-v, Abschrift Duchesne 17. Jh., aus C2 (E); Paris, BnF, Ms. lat. 13817, fol. 314v, Abschrift 17. Jh., aus C4 (F); Angers, Arch. dép. de Maine-et-Loire, Huynes, Histoire de Saint-Florent, fol. 15v, Abschrift 17. Jh., aus C2 (G); Paris, BnF, Coll. Baluze 72, fol. 4v-5r, Abschrift Baluze 17. Jh., aus C2 (H); Paris, BnF, Coll. de Touraine 1, Nr. 63a fol. 78r-v, Abschrift 18. Jh., aus C2 (I); ebd., Nr. 63 fol. 77r-v, Abschrift 18. Jh., aus dem Cartulaire noir von Angers (K); Paris, BnF, Coll. Bréquigny 46, fol. 65r-69r, Abschrift 18. Jh., aus C2 (L); ebd., fol. 67r-68r, Abschrift 18. Jh., aus dem Cartulaire noir von Angers (M); Angers, Arch. dép. de Maine-et-Loire, H 3712, fol. 6, Abschrift des „Livre noir“ von Saint-Florent durch Marchegay ca. 1851 (N); eine weitere Abschrift 17.-18. Jh. in der ehem. Bibliothek des Charles Urseau zu Angers verzeichnet Tessier; vgl. dazu Ramackers, Papsturkunden V, S. 42. -- Faks. des angebl. Or.: Giry, Étude critique, Nr. 2 nach S. 248. -- Drucke: Morice, Mémoires I, Sp. 276f., aus C4 (Auszug); Bouquet VIII, Nr. 84 S. 501f., wohl aus C4 (zu 849); Giry, Étude critique, Nr. 2 S. 246-248, aus A (zu 849); Urseau, Cartulaire noir, Nr. 30 S. 68-71; Saché, Inventaire sommaire II, S. 3f.; D Ka. II. † 470. -- Reg.: Bréquigny I, S. 227 (zu 849); Marchegay, Recherches, Nr. 6 S. 239 (zu 849).

Kommentar

Fälschung 11. Jh. ohne echte Vorlage; Nachweis der Fälschung durch Giry, Étude critique, S. 232-243; vgl. auch Tessier, Vorbemerkung, S. 556f. -- Zu den äußeren Merkmalen des angeblichen Originals, einer Charta transversa, dem Rekognitionszeichen und Siegel fehlen, vgl. Giry, S. 233; Saché, Inventaire sommaire II, S. 3; Tessier, S. 554f. Anm. 1: Die Schrift gehört dem frühen 11. Jh. an; der Fälscher ahmte im Protokoll D 71 nach; den Namen des rekognoszierenden Notars Aeneas konnte er D 109 entnehmen. Zum Formular, zum Text, der die religiösen und politischen Verhältnisse des 10. und 11. Jh. widerspiegelt, und zum Zweck der Fälschung, der Exemtion von synodalen Abgaben, vgl. Giry und Tessier, a.a.O. -- Zur Datierung auf 848 (statt 849) vgl. Tessier, Vorbemerkung. Darlegungen von Prou (unpubliziertes Ms., referiert von Tessier, ebd.), und Lot, Mélanges d'histoire bretonne IV, S. 254 Anm. 2, lassen die von Tessier eher abgelehnte Vermutung erkennen, daß der Fälscher sich in der Datierung auf eine echte Vorlage gestützt haben könnte: Karl befand sich im Sommer 848 tatsächlich auf einem Aquitanienzug (Reg. 602), er hätte allerdings den angeblichen Ausstellort Vieux-Poitiers (dép. Vienne, arr. Châtellerault, con Vouneuil-sur-Vienne, cne Cenon-sur-Vienne), der von Orléans, wo Karl sich noch am 6. Juni aufhielt (Reg. 599), 180 km entfernt liegt, keinesfalls innerhalb von zwei Tagen erreichen können; Lots Emendation von Id. Iun. zu Id. Iul. führt zu Juli 10 als Ausstelldatum; dann paßt aber die Angabe der Regierungsjahre nicht mehr zu 848. -- Tessier zieht in Betracht, daß der Fälscher von D † 470 seine Datierung nach dem verlorenen Immunitätsprivileg Karls für Saint-Florent-le-Vieil (D 93bis, Reg. 569) formulierte, insbesondere was den Ausstellort Vieux-Poitiers anbetrifft, den er nicht erfunden haben könne. -- Zum Notar Aeneas siehe Reg. 343. -- Zum Empfänger und zur Überlieferung allgemein siehe Reg. 487; Abt des Klosters war 848 Dido und nicht Radulf. Von den genannten Bischöfen passen Dodo von Angers (838-879) und Actard von Nantes (837-879) in die Zeit; dagegen ist Erzbischof Amalrich von Tours erst für die Zeit nach 850 bis 855 belegt; nicht Dido, sondern Ebroin ist Bischof von Poitiers, nicht Bernhard, sondern Stodilo Bischof von Limoges; ein Bischof Auzbert läßt sich für Angoulême sonst nicht belegen; vgl. Kaiser, Bischofsherrschaft, S. 205f.; zum schlecht belegten Ainardus von Périgeux vgl. Duchesne, Fastes II, S. 88 m. Anm. 7. Die im Text erwähnte Schenkung der Abtei Saint-Jean in Anjou könnte eine Entstellung oder ein Mißverständnis der Formulierung in D 109, der Schenkung der Iohannis villa cum ecclesia ... an Saint-Florent-le-Vieil sein. -- Umstritten ist der Zusammenhang von D † 470 mit der Fälschung auf Karl d. Gr. (D Kar. † 298) und der in ihrer Echtheit umstrittenen Urkunde Papst Johannes' XVIII. von 1004 (JL 3941; ed. Zimmermann, Papsturkunden II, Nr. 413; vgl. Böhmer-Zimmermann, Nr. 991). -- Zu D † 470 vgl. noch Merlet, Guerres d'indépendance, S. 93f.; Lemarignier, Études sur les privilèges, S. 98-105 (Fälschung zwischen 1026 und Mitte des 11. Jh.); Guillot, Le comte, S. 230-232 Anm. 135; Bachrach, Robert of Blois, S. 141-143 (Fälschung ca. 1007-1011); Ziezulewicz, Étude d'un faux.

Nachträge

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Empfohlene Zitierweise

RI I,2,1 n. †603, in: Regesta Imperii Online,
URI: http://www.regesta-imperii.de/id/0848-06-08_1_0_1_2_1_603_603
(Abgerufen am 20.04.2024).