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RI I Karolinger 715-918 (926/962) - RI I,2,1

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Karl bestätigt dem Kloster Saint-Paul in Cormery (monasterium Cormaricensi constructum in honore beati Pauli, patroni nostri, preclarissimi doctoris gentium) auf Bitten des dortigen Abts Audacher (venerabilis Audacher abbas), dem Beispiel seiner Vorgänger folgend (sequens morem precedentium regum), zu seinem Seelenheil und zum Wohl des Reiches (ob amorem Dei et reverentiam sancti Pauli atque salutem nostre anime sive status regni nostri), Zollfreiheit für alle Schiffe des Klosters auf den Flüssen Loire (Ligeris), Allier (Elarium), Cher (Carum), Vienne (Vigennam), Mayenne (Meduanam), Sarthe (Sartam), Seine (Sequanam), Loir (Ledim) sowie allen anderen Flüssen seines Reiches, bestimmt die aus dem Zoll sonst jährlich dem Fiskus zufließenden Erträge zur Beleuchtung der Kirche (ad luminaria basilice beati Pauli), gewährt dem Kloster das Recht, ohne Beeinträchtigung durch den Fiskus einen Wochenmarkt beim Kloster sowie einen jährlichen Markt am Fest Pauli Bekehrung, dem 25. Januar (VIII. Kal. Febr.), abzuhalten, erteilt Abgabenfreiheit für diese Märkte und bestätigt schließlich einen zwischen Abt Audacher und (Erz-) Bischof Ursmarus (von Tours) geschlossenen Tausch. -- Ionas diac. ad vicem Ludovici. -- a. r. 5, ind. 7. -- „Si petitionibus“ .

Originaldatierung:
(III. Kal. Ian., Turonis in monasterio sancti Martini)

Überlieferung/Literatur

Kopien: Tours, Bibl. Municipale, Ms. 1349, fol. 16v, Historia Sancti Pauli Cormaricensis, Abschrift Périon 1551 (verbrannt) (E); Paris, BnF, Coll. Baluze 47, fol. 152bisr-v, Abschrift Duchesne 17. Jh., „ex chartulario ecclesiae S. Martini Turonensis“ (F); Paris, BnF, Coll. de Touraine 1, Nr. 47 fol. 57r-v, Abschrift 18. Jh., zu 843, aus E (H); Paris, BnF, Coll. Bréquigny 46, fol. 44r-46v, Abschrift 18. Jh., aus H (I). -- Drucke: Bouquet VIII, Nr. 28 S. 450f., „ex archivo huius monasterii“ (zu 843); Gallia Christiana XIV, Instrumenta, Nr. 24 Sp. 30f., „ex archivo Benedictini“ ; Bourassé, Cartulaire de Cormery, Nr. 16 S. 32-34, aus E; D Ka. II. 60 = Stoclet, Immunes, S. 438f. -- Regg.: Bréquigny I, S. 211 (zu 843); B 1549 (zu 843).

Kommentar

Da das Regierungsjahr zwar auf 844 weist, die Indiktion jedoch zu 843 führen könnte, wurde D 60 (und in seiner Folge DD 61, 62, 63) von Lot / Halphen, S. 88 Anm. 1, dem Jahr 843 (bzw. dem Jahreswechsel 843 / 844) zugeordnet, während Tessier, Vorbemerkung zu D 60, unter Hinweis auf die wenig zuverlässigen Gewohnheiten der Kanzlei bei der Indiktionsangabe und das Auftreten des Notars Jonas als diaconus statt als notarius für eine Datierung auf den Dezember 844 plädierte, jedoch die Frage durch seine Angabe „843 ou 844“ im Kopfregest unentschieden ließ; ihm folgte noch Stoclet, a.a.O. Mit Werner, Untersuchungen (1958), S. 274 Anm. 89, ist nachdrücklich darauf hinzuweisen, daß nur das Jahr 844 in Frage kommt, da D 60 einen Tausch zwischen dem Abt von Cormery und dem Erzbischof von Tours bestätigt, der an einem Freitag, 21. November (die veneris quod evenit undecimo kalendas decembris), geschlossen und wenige Tage später, am 26. November 844 (VI calendas decembris anno incarnationis Domini DCCCXLIIII, indictione VII, anno regni Caroli IIII), beurkundet wurde (Bourassé, Cartulaire de Cormery, Nr. 15 S. 31f.; der 21. November fiel 844 auf Freitag, 843 jedoch auf Mittwoch). Karl hielt sich also Ende 844 / Anfang 845 in Saint-Martin zu Tours auf; mit D 60 sind auch DD 61, 62, 63 dem Jahreswechsel 844/845 zuzuweisen. -- Wo Karl das Weihnachtsfest beging, ist nicht überliefert; in Betracht kommt eventuell Saint-Denis, wo er am 9. Dezember urkundete (D 59), wahrscheinlicher aber Saint-Martin zu Tours, wo er zum 30. Dezember belegt ist (D 60); auch ein Ort auf der Strecke ist nicht ausgeschlossen. Saint-Denis halten Lot / Halphen, S. 130 m. Anm. 1, und Brühl, Palatium I, S. 102 Anm. 22, für möglich; für Tours sprechen -- allerdings nicht zwingend -- der nähere zeitliche Abstand und die Tatsache, daß Karl vielleicht auch 843 (Reg. 398) und 845 (DD 80, 81) Weihnachten in Tours feierte. Vgl. auch Gasnault, Le tombeau, S. 53; der Widerspruch dagegen durch Brühl, a.a.O. („bestimmt nicht in Tours“ ), unter Hinweis auf Lot / Halphen, a.a.O., ist unbegründet. Für die rund 230 km Entfernung zwischen Saint-Denis und Tours sind etwa 8-9 Tage zu veranschlagen. -- Zu den Aufenthalten Karls in Saint-Martin allgemein und zum Kloster als Ausstellort von Urkunden Karls vgl. Reg. 357. -- Die Arenga (Hausmann / Gawlik, Nr. 3346) ist sonst nicht belegt; zur Zollfreiheit auf den Flüssen des Reiches vgl. Form. imp. Nr. 20. -- Zum rekognoszierenden Notar Jonas vgl. Reg. 139. -- Zum Empfänger Saint-Paul in Cormery, seinem Verhältnis zu Saint-Martin in Tours, zu Abt Audacher sowie zur Überlieferung vgl. Reg. 357. Zollfreiheit für zwei Schiffe auf Loire, Mayenne, Sarthe, Loir und Vienne war dem Kloster Cormery bereits im Jahre 800 (Juni 2) durch Karl d. Gr. verliehen worden (D Kar. 192); Ludwig d. Fr. gewährte 808 (April 7) als König von Aquitanien Zollfreiheit für zwei Schiffe vel quotquot fuerint sibi necesseriae auf allen Flüssen seines Reiches, d. h. Aquitaniens (BM2 518); Pippin I. von Aquitanien schließlich erteilte am 25. Februar 831 (D P. I. 17) wiederum Zollfreiheit für zwei Schiffe auf den Flüssen Loire, Vienne, Cher, Tenu et per diversa flumina in regno und befreite das Kloster auch vom Salzzoll. Karl erweitert nun die Privilegien seiner Vorgänger, indem er Zollfreiheit ausdrücklich für eine beliebige Anzahl von Schiffen (naves quotquot sint necessarie) auf allen Flüssen (namentlich angeführt sind acht Flüsse mit dem Zusatz vel per cetera diversa flumina) gewährt. Zu Handel und Verkehr auf den Flüssen im mittelalterlichen Frankreich allgemein Bautier, La circulation fluviale; zu den Urkunden für Cormery ebd. S. 15f. m. Anm. 34; zu den verschiedenen genannten Zollarten (teloneum, ripaticum, portaticum, salutaticum, cespiticum, cenaticum, pastionem, laudaticum, trabaticum) vgl. Stoclet, Immunes, S. 140-171; zur Marktgewährung für Cormery Endemann, Markturkunde und Markt, S. 28, 46, 181, 190: Vom Abt erbeten und vom König gewährt wird nicht die Einrichtung eines Marktes, sondern seine ungestörte Durchführung sowie Abgabenfreiheit; Endemann, S. 28, betont die Nähe zur Immunität und weist zudem darauf hin, daß ein königlicher Anspruch auf das Konzessionsrecht für den Markt aus den Formulierungen nicht hervorgehe, ja daß jeder Hinweis darauf vermieden werde. -- Daß in D 60 unterschiedliche Privilegien (Zollfreiheit, Marktrecht, Bestätigung eines Tausches) in einer Urkunde zusammengefaßt werden, wie es in Empfängerausfertigungen für Saint-Martin zu Tours mehrfach vorkomme, betont Tessier, Les diplômes carolingiens, S. 689. Zum Typus der königlichen Tauschbestätigung allgemein vgl. Depreux, The development. -- Vgl. zu D 60 auch Adam, Das Zollwesen, S. 108, und passim; Stoclet, Immunes, passim, der S. 210 (vgl. auch S. 222) den Verdacht der Überarbeitung äußert. -- Die ausschließlich vom Chronicon s. Maxentii, ed. Verdon, S. 72f., für das Jahr 844 übermittelte Nachricht von einem 20 Tage lang sichtbaren Kometen (vgl. Newton, Medieval chronicles, S. 675) und einer Hungersnot in der Francia, in Burgund und Aquitanien ist nicht zuverlässig: Die im 12. Jh. kompilierte Chronik schöpft hier zwar aus älteren Quellen, die aber die Ereignisse für 868 bzw. 873 berichten (Ann. Vindocinenses, Ann. qui dicuntur Rainaldi archidiaconi, Ann. s. Florentii Salmurenses, ed. Halphen, Recueil d'annales angevines, S. 54, 83, 114). -- Einen sehr strengen Winter (hiems asperrima) vermerken die Ann. Bertiniani, ad a. 845, ed. Grat, S. 49, zu Beginn des Jahreseintrags 845.

Nachträge

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Empfohlene Zitierweise

RI I,2,1 n. 451, in: Regesta Imperii Online,
URI: http://www.regesta-imperii.de/id/0844-12-30_1_0_1_2_1_451_451
(Abgerufen am 29.03.2024).