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RI I Karolinger 715-918 (926/962) - RI I,2,1

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Karl gewährt den Goten oder Hispaniern (Goti sive Ispani) in Barcelona (Barchinonam famosi nominis civitatem) und Terrassa (Terracium castellum) sowie allen Hispaniern in der Grafschaft Barcelona (comitatum Barchinonam), deren Vorfahren vor den Sarazenen aus ihrer Heimat geflohen sind und die Stadt Barcelona den Franken übergeben haben, nach dem Vorgang seines Großvaters Karl (d. Gr.) (D Kar. 217) und seines Vaters Ludwig (d. Fr.) (BM2 566, 608) Schutz und Immunität (sub immunitatis tuitione defensionisque munimine benigne suscipere ac retinere) und bestimmt: [1] Sie sollen sicut ceteri franci homines unter der Leitung ihres Grafen Heeresdienst und Wachdienst in der Mark (in marcha nostra) leisten, außerdem die Königsboten (missis nostris) und Gesandten (legatis qui de partibus Hyspanie ad nos transmissi fuerint) mit Lebensmitteln und Pferden versorgen; sollte jemand von diesen die gestellten Pferde nicht zurückgeben oder sie durch Nachlässigkeit verlieren oder sterben lassen, so sollen sie den Eigentümern secundum legem Francorum zurückgegeben oder erstattet werden; [2] von weiteren Abgaben wie Weidezins (paschualia) in ihren Villen oder Zoll (thelonea) in ihrer Grafschaft, seien sie an die Grafen oder ihre iuniores und ministeriales zu leisten, sind sie frei; [3] sie und ihre Leute unterstehen nur im Falle von homicidio, rapto et incendio der Gerichtsbarkeit des Grafen; sonst steht ihnen die Gerichtsbarkeit selbst zu; [4] sie können auf dem ihnen zugewiesenen Land (in portione sua quam aprisiones) andere Leute ansiedeln und von ihnen Dienste für die Nutzung verlangen; [5] unterstellen sich diese Leute einem anderen Herrn (senior) und verlassen das Land, so fällt es an den vorigen Herrn zurück; [6] sie dürfen Ödland in jeder beliebigen Grafschaft (in quolibet comitatu) kultivieren und besitzen, sollen aber die Königsdienste, zu denen sie verpflichtet sind, in der Grafschaft leisten, in der sie wohnen; [7] all ihren Besitz (omnes eorum possessiones sive aprisiones) dürfen sie untereinander verkaufen, tauschen, verschenken und, falls Söhne und Enkel fehlen, ihrem Recht entsprechend ihren Verwandten vererben; diese müssen aber die genannten Königsdienste leisten (servitia ... persolvere non contemnant); [8] niemand soll sie in ihrem Besitz beeinträchtigen, sie sollen secundum antiquam consuetudinem überall Weiden besitzen, Holz fällen und Wasser umleiten (aquarum ductus pro suis necessitatibus ubicumque pervenire) dürfen; [9] gelegentliche Geschenke an den Grafen dürfen von diesem nicht als Zins oder Abgabe angesehen und zur Gewohnheit gemacht werden, und weder der Graf und sein Nachfolger noch deren Leute dürfen von ihnen Beherbergung oder Stellung von Pferden zu verlangen; [10] die Hispanier können sich sicut alii franci homines dem Grafen als Vasallen kommendieren; erhalten sie ein Benefizium, müssen sie die zwischen Vasall und Herrn üblichen Dienste leisten. -- Deormannus not. ad vicem Hludovici. -- M (aus Kopie). SR (aus Kopie). -- a. r. 4. -- „Si enim ea“ .

Originaldatierung:
(III. Id. Iun., in monasterio sancti Saturnini prope Tolosam)

Überlieferung/Literatur

Kopien: Barcelona, Arxiu Capitular, Chartular der Kirche von Barcelona „Liber antiquitatum“ I, fol. 1, Abschrift 13. Jh., aus einer Abschrift von 898, mit Nachzeichnung des M und Nachahmung des SR (B); Barcelona, Arxiu Històric de la Ciutat, Diversorum 1B.XV-2, fol. 333v-335r, Abschrift Anfang 17. Jh., aus B (E); ebd., Diversorum 1B.XV-6, fol. 299r-300v, Abschrift Anfang 17. Jh., aus B (E1); Paris, BnF, Coll. Baluze 107, fol. 116r-117v, Abschrift 17. Jh., aus B (F); Paris, BnF, Coll. Baluze 234, fol. 372v-373v, Abschrift 17. Jh., aus B (G); Paris, BnF, Ms. lat. 17193, fol. 65r-67v, Abschrift 17. Jh., „ex ms. Colbertino“ (H). -- Drucke: Diago, Historia, fol. 58r-60r; Baluze, Capitularia II, 11677, Nr. 6 Sp. 25-30 = 21773, Nr. 6 Sp. 17-22 = Mansi 18bis, Nr. 6 Sp. 25-30; Le Cointe, Annales VIII, S. 724-726; Sirmond, Opera varia III, 11696, Nr. 6 Sp. 31-36; 21728, Nr. 6 Sp. 23-26; Supplément au Corps universel diplomatique I (i. e. II)/1, Nr. 7 S. 21f., aus Diago (zu Juni 12); Bouquet VIII, Nr. 42 S. 463-465; Florez, España sagrada 29, Nr. 11 S. 451-454, aus Diago; MGH Capit. II, Nr. 256 S. 258-260; Mas, Notes I, Nr. 2 S. 86-89, mit Übers. ins Katalan. S. 89-92; Auzias, S. 202-208, mit Übers. ins Frz.; D Ka. II. 46; Abadal, Catalunya carolíngia II/2, Nr. 5 S. 422-425; García-Gallo, Manual II, Nr. 728 S. 462-467, mit Übers. ins Span.; Font Rius, Cartas I, Nr. 2 S. 4-7; Riché / Tate, Textes et documents II, S. 358-361, mit Übers. ins Französ. S. 355-358; Udina i Martorell, Documents I, S. 14 (Auszug), mit Übers. ins Katalan. S. 14-16, Kommentar S. 16-18, Abb. von B fol. 1r S. 13, fol. 1v S. 15; Documents jurídics de la història de Catalunya, S. 1-12, mit farb. Abb. von B fol. 1; Catalunya romànica XVIII, S. 28, mit Übers. ins Katalan.; Fàbrega i Grau, Diplomatari I, Nr. 1 S. 183-187, aus B. -- Weitere Übers.: Història dels Catalans II, S. 664-666 (ins Katalan.); Depreux, Les préceptes, Nr. 4 S. 34-38 (ins Französ.). -- Auszüge aus dem Text und Übers. ins Span. und Katalan. in zahlreichen neueren Werken zur span. und katalan. Geschichte. -- Regg.: Georgisch I, Nr. 20/844, Sp. 104, und Nr. 34/844 Sp. 105; Bréquigny I, S. 213; B 1562; Mas, Notes IX, Nr. 1 S. 1f. (zu Juni 13), mit Abb. von B, fol. 1, auf dem Vorsatzblatt; Fábrega Grau / Baucells Reig, Catálogo, S. 5 (zu Juni 13).

Kommentar

Das Tagesdatum ist in B nicht zweifelsfrei lesbar und wurde zuerst von Baluze zu III. Id. ergänzt; seiner Interpretation folgen die meisten Hg. und auch Tessier; Diago las pridie idus iunii (Juni 12), die Kopien E und E1 haben in idibus iunii. Die Indiktion fehlt. Zur Ausstellung während der Belagerung von Toulouse siehe Reg. 409. -- Zur Überlieferung vgl. Tessier, Vorbemerkung zu D 46, S. 128 Anm. 1-3 und S. 129; zu Text und Inhalt auch Lot / Halphen, S. 107-110. Die Arenga (Hausmann / Gawlik, Nr. 2700) ist sonst nicht belegt. Der Text übernimmt in längeren Passagen, von Tessier durch Petitdruck gekennzeichnet, wörtlich die Bestimmungen Ludwigs d. Fr. für die Hispani von 815 Januar 1 (BM2 566; MGH Capit. I, Nr. 132); vgl. auch BM2 608 (MGH Capit. I, Nr. 133) von 816. Kein Textzusammenhang besteht dagegen mit der von Karl d. Gr. überlieferten Urkunde für die iberischen Flüchtlinge von 812 April 2 (D Kar. 217; MGH Capit. I, Nr. 76). Nachzeichnungen von Monogramm und Rekognitionszeichen in B. -- Zum Notar Deormarus (überlieferungsbedingt zu Deormannus entstellt) siehe Reg. 329. -- Karl hat zuvor bereits für einzelne Nachkommen der iberischen Flüchtlinge geurkundet (DD 34, 40); zu den Hispani und den aprisiones allgemein siehe dort. D 46 nimmt zwar die Bestimmungen Ludwigs d. Fr. wieder auf, erweitert sie jedoch in einigen Punkten, so regelt [1] die Erstattung verlorener Pferde, [3] beschränkt die Gerichtsbarkeit der Grafen auf drei schwere Vergehen, und [7] bestimmt die Vererbbarkeit der Aprisionen und weiteren Besitzes. -- Abadal, Catalunya carolíngia II/2, S. 399-416, erschließt aus diesen über Ludwigs Verfügungen hinausgehenden Bestimmungen verlorene Kapitularien Karls d. Gr. für die Hispani von etwa 780 und für die Bewohner Barcelonas und Terrassas von etwa 801; dazu zustimmend Sorhagen, Die karolingischen Kolonisationsprivilegien, S. 19-25; vgl. auch Dorn, Die Landschenkungen, S. 160-176; ablehnend Depreux, Les préceptes, S. 23f. Bemerkenswert ist, daß D 46 sich an Gotos sive Ispanos in den Orten Barcelona und Terrassa und an Hispani in der Grafschaft Barcelona richtet, also nicht an alle Hispani im Frankenreich wie Ludwigs Urkunden; zur Bedeutung der Begriffe Kienast, Studien, S. 77; Ders., Die fränkische Vasallität, S. 147 Anm. 467; auch Sorhagen, Die karolingischen Kolonisationsprivilegien, S. 15 Anm. 8 (Lit.). -- Zu Barcelona vgl. Font Rius, Cartas II, S. 591-594; Udina / Fábrega y Grau, in: LexMA I (1980), Sp. 1449-1453; zu Terrassa, Spanien, com. Vallès Occidental, vgl. Font Rius, Cartas II, S. 595f.; Vones-Liebenstein, in: LexMA VIII (1997), Sp. 555f. -- Vgl. noch Krah, Die Entstehung, S. 271.

Nachträge

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Empfohlene Zitierweise

RI I,2,1 n. 426, in: Regesta Imperii Online,
URI: http://www.regesta-imperii.de/id/0844-06-11_1_0_1_2_1_426_426
(Abgerufen am 28.03.2024).