Regestendatenbank - 201.916 Regesten im Volltext

RI I Karolinger 715-918 (926/962) - RI I,2,1

Sie sehen den Datensatz 357 von insgesamt 610.

Karl, der durch Abt Adalhard (venerabilis Adarardus abbas) von Saint-Martin in Tours (monasterii sancti Martini patroni nostri in quo ipse requiescit corpore) gebeten worden ist, die Schenkung zu bestätigen, die dieser dem Kloster Saint-Paul in Cormery (coenobio quod dicitur Cormaricus eiusque congregationi inibi sub regula sancti Benedicti Deo deservienti, ... congregatio sancti Pauli Cormarici monasterii) unter dem dortigen Abt Audacher zum Seelenheil von Karls Vater Ludwig (d. Fr.) und Karls Großvater Karl (d. Gr.) sowie für den Unterhalt der Mönche (pro ... congregationis sustentatione), zum Bau der Kirche (ecclesie edificatione) und für die Unterbringung der Fremden (hospitalitate), schließlich auch zu seinem (des Adalhard) eigenen Seelenheil gemacht hatte, nämlich die dem Kloster Saint-Martin gehörenden, in der Touraine (in pago Turonico) gelegenen Villen Veigné (Vindiniacum) am Fluß Indre (Agneris) und Theneuil (Tannogilum) am Fluß Vienne (Vigenne) mit allen Pertinenzien, kommt dieser Bitte nach und bestimmt seinerseits, daß die Verfügungen weder durch künftige Vorsteher von Saint-Martin noch durch den König zurückgenommen oder eingeschränkt werden dürfen (ut nullus prelatorum monasterii beatissimi Martini ... vel quilibet regum hanc nostram concessionem atque statuta convellere aut in alium modum immutare vel imminuere presumat). -- Aeneas not. ad vicem Ludovici. -- a. r. 3, Ind. 6. -- „Si locis Deo“ .

Originaldatierung:
(VII. Kal. Mar., Turonis in monasterio sancti Martini)

Überlieferung/Literatur

Kopien: Tours, Bibl. Municipale, Ms. 1349, Historia Sancti Pauli Cormaricensis, fol. 15, Abschrift Périon 1551 (verbrannt) (E); Paris, BnF, Coll. Baluze 47, fol. 152r-v, Abschrift Duchesne 17. Jh., „ex chartulario ecclesiae S. Martini Turonensis“ (F); Paris, BnF, Ms. lat. 13901, S. 25-28, Gaigneron, Historia Cormaricensis von 1666, Auszüge aus E (G). -- Drucke: Martène / Durand, Thesaurus I, Sp. 31f., „ex archivis monasterii Co(r)meriacensis“ ; Bouquet VIII, Nr. 14 S. 438, aus Martène / Durand und G; Gallia christiana XIV, Instrumenta, Nr. 23 Sp. 29, aus F und einer weiteren Vorlage; Bourassé, Cartulaire de Cormery, Nr. 14 S. 29-31 (zu 841), aus E; D Ka. II. 20. -- Regg.: Georgisch I, Nr. 2/843 Sp. 101; Bréquigny I, S. 208.

Kommentar

Von Vernantes, wo er am 18. Februar bezeugt ist (D 19), zog Karl in das etwa 50 km entfernt gelegene Tours, wobei er die römische Straße von Angers nach Tours nutzen konnte, und nahm im Kloster Saint-Martin südlich der Loire Aufenthalt, wo sich zu dieser Zeit wohl auch seine Mutter Judith aufhielt, die hier am 19. April verstarb (Reg. 361). Die von der älteren Forschung (Bouquet, S. 438; Meyer von Knonau, Über Nithards vier Bücher, S. 111 Anm. 301; Levillain, Examen critique, S. 121-123) geäußerten Zweifel am Aufenthalt Karls in Tours zum 23. 2. und die unterschiedlichen Theorien zum Itinerar erklären sich durch die Annahme, D 32 von 844 Februar 8 mit dem Ausstellort Limoges gehöre zum Jahre 843; sie sind durch Tessiers überzeugende Zuweisung von D 32 zum Jahr 844 gegenstandslos geworden. Zu Karls Aufenthalten im Martinskloster vgl. Brühl, Fodrum, S. 44 m. Anm. 160f., 163; Ders., Palatium I, S. 100-110, bes. S. 102f. Bereits 840 hatte Karl Saint-Martin besucht (Reg. 112); jetzt urkundete er erstmals hier. Zur Stadt Tours vgl. außerdem Kaiser, Bischofsherrschaft, S. 422-433; Pietri, La ville de Tours; Pietri, in: Topographie chrétienne V, S. 19-39; Farmer, Communities. -- Zur problematischen Überlieferung von Cormery allgemein Giry, Notices bibliographiques, S. 12f.; vgl. auch Vaucelle, La collégiale de Saint-Martin, S. XXIf.: Die einzige im Original überlieferte Urkunde Cormerys vor 1025 ist BM2 967 von 837 Juni 16 (vgl. aber D P. I. 12); das von Tessier noch benutzte und von Bourassé edierte Werk von Périon (E) fiel dem Brand der Bibliothek von Tours im Jahre 1940 zum Opfer; vgl. Catalogue générale des manuscrits 53, S. 9f., 12. Duchesnes Abschrift (F) ist von Périon unabhängig und geht wohl auf die „Pancarta alia“ von Saint-Martin aus dem 13. Jh. zurück (Levillain, Vorbemerkung zu D P. I. 17); auch die bei Martène / Durand gedruckte Abschrift Martènes, der im Archiv von Saint-Martin gearbeitet hat, stellt eine von Périon unabhängige Überlieferung dar. -- Invocatio (In nomine Domini Dei et Salvatoris nostri Jesu Christi) und Intitulatio (Carolus ordinante divina providentia rex) von D 20 sind nicht kanzleigemäß; sie finden sich so in den Urkunden Ludwigs d. Fr. bis 833, vgl. Tessier, Vorbemerkung zu D 20, und Ders., Les diplômes carolingiens du chartrier de Saint-Martin, S. 690. Die Arenga (Hausmann / Gawlik, Nr. 3096) hat ebenfalls Vorbilder in der Kanzlei Ludwigs d. Fr., nämlich in BM2 901, 929 sowie in BM2 896, 909. Empfänger der beiden letztgenannten, denen die Urkunde Karls für Cormery nicht nur in der Arenga, sondern auch in der Invocatio sowie der Devotionsformel folgt, ist Saint-Martin; zwischen D 20 und BM2 909 ergeben sich sogar noch weitere Parallelen: Der Text der Urkunde von Cormery folgt mit geringen Abweichungen (Name des Abts von Saint-Martin; Wortabfolge) im gesamten Protokoll einschließlich Inscriptio sowie in der Promulgatio dem Text von BM2 909. Tessiers Vermutung, bei der vorliegenden Urkunde handele es sich um eine in Tours hergestellte Empfängerausfertigung, und seinem allgemeinen Verweis auf Vorbilder in der Kanzlei Ludwigs d. Fr. ist demnach zuzustimmen; wahrscheinlich diente BM2 909 als unmittelbares Vorbild. Spätere Diplome Karls für Saint-Martin (DD 61, 113) nehmen die Arenga wieder auf. Tessier macht auf die Feierlichkeit der Sprache aufmerksam, die dem einfachen Urkundeninhalt wenig angemessen sei, spürbar besonders in der Bestimmung bezüglich der Rechte des Klostervorstehers und des Königs sowie in der langen und aufwendigen Corroboratio. Zum Notar Aeneas siehe Reg. 343. -- Cormery (dép. Indre-et-Loire, arr. Tours, con Montbazon), in der Urkunde wechselnd coenobium, congregatio, monasterium und cellula genannt, war eine Gründung des Abts Itherius von Saint-Martin in Tours (770-791) auf Eigengut unter Verwendung von Gütern von Saint-Martin; seit etwa 800 lebten die Mönche (im Unterschied zu denen von Saint-Martin) nach der Benediktinerregel; sie blieben von Saint-Martin abhängig. Vgl. Bourassé, Cartulaire de Cormery, Einleitung; Vaucelle, La collégiale de Saint-Martin, S. 150-152; Lesueur, Cormery; Felten, Äbte und Laienäbte, S. 50, 182, 231-233, 246, 268, zu D 20 besonders S. 268 Anm. 70; Geoffroy, Le temporel. Cormery hatte im Jahre 800 durch Karl d. Gr. ein Zollprivileg (D Kar. 192) erhalten; bei D Kar. 259 handelt es sich um eine im 11. Jh. im Streit um die Abhängigkeit Cormerys von Saint-Martin entstandene Fälschung. Ludwig d. Fr. bestätigte als König von Aquitanien das Zollprivileg (BM2 518), gewährte 820 das Recht der freien Abtswahl unter Vorbehalt der Zustimmung durch den Abt von Saint-Martin und bestätigte den Besitz (BM2 713), bestätigte 831 und 837 den Besitz erneut und machte weitere Schenkungen (BM2 886, 967). Pippin I. von Aquitanien erneuerte 831 das Zollprivileg seiner Vorgänger (D P. I. 17; vgl. auch D P. I. 12 von 828) und bestätigte erneut den Besitz (D P. I. 35 von 838). Karl d. K. urkundete im Dezember 844 und später noch mehrmals für Cormery (DD 60, 136, 226, 284; vgl. auch D 131). Vgl. auch die Urkunde Odos (D O. 33); nur erwähnt wird Cormery in der Urkunde Karls d. E. von 919 Juni 27 (D Ka. III. 101). -- Der Petent Adalhard, Seneschall Ludwigs d. Fr. und einer seiner einflußreichsten Ratgeber, war nach dem Tode des Fridugis (833) und des Teudo (834) Laienabt von Saint-Martin geworden (sicher belegt aber erst 840: Bourassé, Cartulaire de Cormery, Nr. 13; vgl. Werner, Untersuchungen (1958), S. 274f.); vgl. zur Folge der Äbte in Saint-Martin Depreux, Prosopographie, S. 81f., 387f. Adalhard war Onkel von Karls Gemahlin Ermentrud, die hier in Tours wohl ebenfalls anwesend war (vgl. Regg. 351, 358); siehe zu ihm bereits Reg. 117, zuletzt Reg. 341. Abt Audacher von Cormery, ein Verwandter des Lupus von Ferrières und Nachfolger des ersten Abts Jakob (genannt 828 in D P. I. 12; 831 in BM2 886), wird als Abt von Cormery zuerst 837 (BM2 967: Audacus; vgl. auch D P. I. 35: Otacher) und dann in allen Urkunden Karls d. K. für Cormery angeführt; zuletzt genannt wird er im Jahre 868 (Bourassé, Cartulaire de Cormery, Nr. 27). Vgl. zu ihm Lupus, Epp., ed. Levillain, Nr. 39 S. 167; Werner, Untersuchungen (1959), S. 160f. Anm. 61; Ders., Bedeutende Adelsfamilien, S. 134f. -- Veigné, dép. Indre-et-Loire, arr. Tours, con Montbazon, liegt an der Loire etwa 8 km von Cormery entfernt flußabwärts; Theneuil, dép. Indre-et-Loire, arr. Chinon, con L'Ile-Bouchard, südlich der Vienne etwa 45 km von Cormery entfernt. -- Zur Urkunde vgl. noch Lot / Halphen, S. 62 Anm. 2; Tessier II, Additions et corrections, S. 667: Korrektur der in der Vorbemerkung genannten DD 62, 63, 64 zu 61, 62, 63.

Nachträge

Nachtrag einreichen
Einreichen
Empfohlene Zitierweise

RI I,2,1 n. 357, in: Regesta Imperii Online,
URI: http://www.regesta-imperii.de/id/0843-02-23_1_0_1_2_1_357_357
(Abgerufen am 28.03.2024).