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RI I Karolinger 715-918 (926/962) - RI I,2,1

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Karl, der von Bischof Jonas von Orléans (Ionas Aurelianorum episcopus) erfahren hat, daß die (Bischofs-) Kirche Sainte-Croix zu Orléans (domus Dei quae in eadem urbe in honore sanctae et vivificae Crucis Deo est dicata, ubi manus Domini apparuit) aufgrund verschiedener Ursachen verarmt und ihrer Besitzurkunden verlustig gegangen war, woraufhin bereits sein Großvater Karl (d. Gr.) (domnus attavus noster bonae memoriae Karolus) auf Vermittlung seiner Gemahlin Hildegard (per intercessionem piae recordationis aviae nostrae Hildegardis reginae) sowie sein Vater Ludwig (d. Fr.) (sanctae memoriae Ludovicus nobilissimus orthodoxus imperator) der Kirche einige Zellen und andere Besitzungen restituiert hatten (Depp.?), bestätigt auf Bitten des Jonas den gesamten Besitzstand der Kirche, darunter besonders (26 genannte) bereits von Karl und Ludwig restituierte Zellen und (12 genannte) Villen, und verleiht Schutz und Immunität. -- Gebetswunsch pro incolumitate nostra et stabilitate regni nobis a Deo collati. -- Ohne Eschatokoll. -- „Si petitionibus“ .

Überlieferung/Literatur

Kopien: Paris, BnF, Coll. Baluze 78, Nr. 33 fol. 16r-17v (olim S. 31-34), Abschrift Baluze 1667 des „Chartularium ecclesiae Aurelianensis“ (E); Orléans, Bibl. Municipale, Ms. 552 (olim 4333), S. 260, Abschrift Polluche 18. Jh., aus fol. 2 des „Livre rouge“ der Kirche von Orléans (F); Paris, BnF, Ms. lat. nouv. acq. 2056 (olim Paris, Bibl. de l'Arsenal, Ms. 1008), S. 280-282, Abschrift Estiennot, Fragmentorum historiae tomus XVI, 1683, „ex cartulario S. Crucis Aurelian.“ (Auszug) (G). -- Drucke: Bouquet X, S. 556f. Anm. d (Auszug, aus G); Thillier / Jarry, Cartulaire, Nr. 33 S. 63-66, aus E; D Ka. II. 25.

Kommentar

In der vorliegenden Form kann D 25 nicht in der Kanzlei Karls formuliert worden sein; vgl. auch Tessier II, Additions et corrections, S. 667; III, S. 216f. Es handelt sich wohl um eine durch Überarbeitungen in der Narratio und den Immunitätsbestimmungen sowie durch Interpolationen in der Dispositio verfälschte Besitz- und Immunitätsbestätigung Karls für Orléans. -- Zur Datierung des ohne Eschatokoll überlieferten Stücks vgl. Tessier, Vorbemerkung: Terminus post quem ist der Tod Ludwigs d. Fr. (840 Juni 20), Terminus ante quem der Tod des als Petenten genannten Bischofs Jonas von Orléans (818-843). Jonas ist sicher nur bis 840/841 bezeugt; die Datierung seines Todes auf 843 (vor August; vgl. Duchesne, Fastes II, S. 459) stützte sich auf Dümmlers Datierung von Lupus' Ep. 21 (Dümmler) bzw. 24 (Levillain) auf 842/843; dieser Brief ist jedoch mit Giry, Études carolingiennes, S. 116f., und Levillain, Étude sur les lettres (1901), S. 499, auf Ende 840 / Anfang 841 zu datieren; siehe voriges Reg.; vgl. auch Depreux, Prosopographie, S. 276; zu Jonas bereits Reg. 110; sein Nachfolger Agius wurde 843 eingesetzt. Tessier reihte D 25 zum spätestmöglichen Zeitpunkt (vor 843 August) ein, hielt aber eine Ausstellung während Karls Aufenthalt in Orléans im Dezember 840 für wahrscheinlich. Ein Aufenthalt Karls in der Stadt ist nach 840 erst wieder im Jahre 848 nachweisbar (Regg. 598f., 606). -- Eine mittelalterliche Überlieferung fehlt; die neuzeitlichen Kopien gehen auf zwei verlorene Chartulare der Kirche von Orléans zurück, eines wohl vom Ende des 12. Jh. (daraus Kopien E, G), das andere wohl aus dem 15. Jh. (daraus Kopie F) (Stein, Bibliographie, Nr. 2817, 2818). Bei den angeführten Restitutionen Karls d. Gr. und Ludwigs d. Fr. handelt es sich wohl um Deperdita (bei Lechner nicht verzeichnet), auch wenn nicht ausdrücklich urkundliche Restitutionen erwähnt werden. Immunität und Königsschutz wurden der Kirche bereits von Karl d. Gr. (Dep.; Lechner, Nr. 396) und Ludwig d. Fr. (BM2 541) verliehen, Ludwig erteilte auch ein Zollprivileg (BM2 542). -- Nicht zu beanstanden sind Invocatio, Intitulatio und auch die Arenga (Hausmann / Gawlik, Nr. 3322), die zwar singulär, in ihren einzelnen Bestandteilen jedoch kanzleiüblich und vielfach belegt ist; ebenso die Promulgatio mit der zwar auffälligen, aber nicht beispiellosen Wendung necnon successorum nostrorum; eine Promulgatio, die sich an die Nachfolger des Königs wendet, findet sich auch in dem im Original erhaltenen D 143, hier nach der Vorurkunde BM2 655 (Tessier II, Additions et corrections, S. 667). Zu einer echten Urkunde Karls aus den Anfangsjahren seiner Regierung paßt die Nennung des Bischofs Jonas von Orléans, der Gebetswunsch ohne Nennung von Gemahlin und Nachkommen und die Corroboratio mit der auffälligen Wendung per curricula annorum, die auf die Kanzlei Ludwigs d. Fr. zurückgeht und sich auch in DD 45, 47, 57, 98 findet. -- Nicht kanzleigemäß sind dagegen die Epitheta attavus (für Karl d. Gr.) und nobilissimus (für Ludwig d. Fr.) und das Fehlen entsprechender Epitheta für Bischof Jonas; verdächtig die Einteilung der bestätigten Besitzungen in zwei lange „Serien“ von cellae und villae. Die beiden Besitzlisten finden sich in späteren Urkunden für Sainte-Croix in nur leicht modifizierter Form wieder, nämlich in den als echt geltenden Urkunden Lothars aus den Jahren 956-972 (D Lo. 33; vgl. dazu Halphen, Recueil des actes de Lothaire, Additions et corrections, S. 178), Ludwigs V. von 979 (D Lu. V. 69) und Hugo Capets von 990 (Druck: Bouquet X, Nr. 9 S. 556-559); die Listen sind außerdem enthalten in den wohl dem späten 11. Jh. zuzuweisenden Fälschungen auf Papst Leo VII. von 938 Januar 9 (JL 3607; Zimmermann, Papsturkunden I, Nr. † 84; dazu Rathsack, S. 325f.; Ramackers, Papsturkunden VI, S. 8f.), Papst Benedikt VII. von 981 (JL 3801; Zimmermann, Papsturkunden, Nr. † 262; dazu Rathsack, S. 327ff.) und in der gefälschten Urkunde Roberts II. von 991 (Newman, Catalogue, Nr. 116). Die späteren königlichen Urkunden für Orléans (D 144 von 852; DD Kn. II. 53, 71 von 881 und 883) erwähnen D 25 nicht und nennen keinen der Orte und Besitzungen der „Besitzlisten“ . Eine Identifizierung der genannten Kirchen, Zellen und den Orten versuchen Thillier / Jarry, Cartulaire, S. XXXVII-XCIX; Newman, Catalogue, zu Nr. 116; Picard in: Topographie chrétienne VIII, S. 92-96. -- Auch die Bestimmungen zur Immunität können kaum von der königlichen Kanzlei formuliert worden sein; korrekt sind lediglich die ersten Worte, danach finden sich allenfalls Anklänge an die übliche Formel. Die Formulierungen der Urkunde Ludwigs d. Fr. (BM2 541) wurden nicht aufgenommen; spätere Bestätigungen der Immunität (D Lo. 33 von 956-972; D Lu. V. 69 von 979) weisen die korrekte Formel auf und enthalten keine Anklänge an D 25. -- Der Text von D 25 ist bis auf wenige Wendungen und die Besitzlisten identisch mit Diplom Ludwigs d. Fr. für Le Mans von 840, BM2 1003, das lange als Fälschung galt; so nahm Goffart, The Le Mans forgeries, S. 170, 289, an, daß D 25 dem in der Zeit 857-877 tätigen Fälscher als Vorlage diente. Vgl. dazu jetzt Weidemann, Geschichte I, Nr. 61 S. 328-336, die BM2 1003 für authentisch, wenn auch interpoliert erklärt und es für wahrscheinlich hält, daß die Kanzlei Karls kurz nach dem Tode Ludwigs d. Fr. noch ein Formular aus dessen Kanzlei benutzt hat (S. 334). -- Karl urkundete im Jahre 852 (D 144) noch einmal für Sainte-Croix; siehe auch das Deperditum D 449. -- Zum Empfänger allgemein vgl. Leclerq, in: DACL XII/2 (1936), Sp. 2678-2719; Brühl, Palatium I, S. 43-52; Kaiser, Bischofsherrschaft, S. 493-506; Picard in: Topographie chrétienne VIII, S. 81-96; Michaud-Fréjaville, in: LexMA VI (1993), Sp. 1460-1464; Albert, in: LThK3 VII (1998), Sp. 1137f.; vgl. auch Head, Hagiography.

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Empfohlene Zitierweise

RI I,2,1 n. (†)132, in: Regesta Imperii Online,
URI: http://www.regesta-imperii.de/id/0840-06-20_6_0_1_2_1_132_132
(Abgerufen am 28.03.2024).